Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder schlafen und verließ das Bett nur, um zurück in den Keller zu gehen und dort bis zur Erschöpfung seiner Kräfte oder seines Weinfasses zu saufen. In der That, solche Facta würden nicht glaubhaft sein, wenn wir uns nicht mit eigenen Augen von ihrer Wahrheit überzeugt hätten.

Beeilen wir uns jedoch mit dem Schlusse dieser traurigen Mittheilungen, um zu der dritten Thatsache zu gelangen, welche über jene Abscheulichkeiten einigermaßen zu beruhigen und zu trösten vermag. Die beiden Trunkenbolde, deren wir soeben gedacht haben, hatten einen Arbeitscameraden, der an ihren Ausschweifungen Theil nahm und, gleich ihnen, mit raschen Schritten auf dem verhängnißvollen Wege, worauf jene ihn verlockt hatten, dahineilte. So war er denn auch zu einer Schuld von mehr als 800 Francs gekommen, - eine für einen Arbeiter in der That enorme Summe, - als eines Tages das Haus, worin er zur Miethe wohnte, zum Verkauf ausgeboten wurde. Hätte er nun das nöthige Geld oder Credit gehabt, so würde er keinen Augenblick angestanden haben, das Haus zu kaufen, denn es war dieß schon lange sein Wunsch gewesen, und zudem sah er auch mit schwerem Bedauern voraus, daß, wenn es das Eigenthum eines Andern würde, er nichts Besseres zu erwarten hätte, als ausziehen zu müssen. Ohne Zweifel war er, als dieser Gedanke ihm durch den Kopf ging, noch nüchtern, und er bereute es nun bitter, sein bisher verdientes Geld so übel angewendet zu haben. Bekümmerter als je begab er sich zur Arbeit und - begleitete seine Cameraden den Tag auch nicht in's Wirthshaus. Ein Glück für ihn war es übrigens, daß die Leitung der Arbeiten in dem Eisenwerke sich eben damals in den Händen eines wohldenkenden Mannes befand, der, so streng er gegen Arbeitsfehler war, den menschlichen Schwächen viel Nachsicht, besonders aber den Nothständen seiner Untergebenen eine große Theilnahme schenkte. Dieser erkundigte sich bei unserm Arbeiter nach der Ursache seiner augenscheinlichen Verstimmung

wieder schlafen und verließ das Bett nur, um zurück in den Keller zu gehen und dort bis zur Erschöpfung seiner Kräfte oder seines Weinfasses zu saufen. In der That, solche Facta würden nicht glaubhaft sein, wenn wir uns nicht mit eigenen Augen von ihrer Wahrheit überzeugt hätten.

Beeilen wir uns jedoch mit dem Schlusse dieser traurigen Mittheilungen, um zu der dritten Thatsache zu gelangen, welche über jene Abscheulichkeiten einigermaßen zu beruhigen und zu trösten vermag. Die beiden Trunkenbolde, deren wir soeben gedacht haben, hatten einen Arbeitscameraden, der an ihren Ausschweifungen Theil nahm und, gleich ihnen, mit raschen Schritten auf dem verhängnißvollen Wege, worauf jene ihn verlockt hatten, dahineilte. So war er denn auch zu einer Schuld von mehr als 800 Francs gekommen, – eine für einen Arbeiter in der That enorme Summe, – als eines Tages das Haus, worin er zur Miethe wohnte, zum Verkauf ausgeboten wurde. Hätte er nun das nöthige Geld oder Credit gehabt, so würde er keinen Augenblick angestanden haben, das Haus zu kaufen, denn es war dieß schon lange sein Wunsch gewesen, und zudem sah er auch mit schwerem Bedauern voraus, daß, wenn es das Eigenthum eines Andern würde, er nichts Besseres zu erwarten hätte, als ausziehen zu müssen. Ohne Zweifel war er, als dieser Gedanke ihm durch den Kopf ging, noch nüchtern, und er bereute es nun bitter, sein bisher verdientes Geld so übel angewendet zu haben. Bekümmerter als je begab er sich zur Arbeit und – begleitete seine Cameraden den Tag auch nicht in’s Wirthshaus. Ein Glück für ihn war es übrigens, daß die Leitung der Arbeiten in dem Eisenwerke sich eben damals in den Händen eines wohldenkenden Mannes befand, der, so streng er gegen Arbeitsfehler war, den menschlichen Schwächen viel Nachsicht, besonders aber den Nothständen seiner Untergebenen eine große Theilnahme schenkte. Dieser erkundigte sich bei unserm Arbeiter nach der Ursache seiner augenscheinlichen Verstimmung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0096" n="86"/>
wieder schlafen und verließ das Bett nur, um zurück in den Keller zu gehen                     und dort bis zur Erschöpfung seiner Kräfte oder seines Weinfasses zu saufen. In                     der That, solche Facta würden nicht glaubhaft sein, wenn wir uns nicht mit                     eigenen Augen von ihrer Wahrheit überzeugt hätten.</p>
        <p>Beeilen wir uns jedoch mit dem Schlusse dieser traurigen Mittheilungen, um zu der                     dritten Thatsache zu gelangen, welche über jene Abscheulichkeiten einigermaßen                     zu beruhigen und zu trösten vermag. Die beiden Trunkenbolde, deren wir soeben                     gedacht haben, hatten einen Arbeitscameraden, der an ihren Ausschweifungen Theil                     nahm und, gleich ihnen, mit raschen Schritten auf dem verhängnißvollen Wege,                     worauf jene ihn verlockt hatten, dahineilte. So war er denn auch zu einer Schuld                     von mehr als 800 Francs gekommen, &#x2013; eine für einen Arbeiter in der That enorme                     Summe, &#x2013; als eines Tages das Haus, worin er zur Miethe wohnte, zum Verkauf                     ausgeboten wurde. Hätte er nun das nöthige Geld oder Credit gehabt, so würde er                     keinen Augenblick angestanden haben, das Haus zu kaufen, denn es war dieß schon                     lange sein Wunsch gewesen, und zudem sah er auch mit schwerem Bedauern voraus,                     daß, wenn es das Eigenthum eines Andern würde, er nichts Besseres zu erwarten                     hätte, als ausziehen zu müssen. Ohne Zweifel war er, als dieser Gedanke ihm                     durch den Kopf ging, noch nüchtern, und er bereute es nun bitter, sein bisher                     verdientes Geld so übel angewendet zu haben. Bekümmerter als je begab er sich                     zur Arbeit und &#x2013; begleitete seine Cameraden den Tag auch nicht in&#x2019;s Wirthshaus.                     Ein Glück für ihn war es übrigens, daß die Leitung der Arbeiten in dem                     Eisenwerke sich eben damals in den Händen eines wohldenkenden Mannes befand,                     der, so streng er gegen Arbeitsfehler war, den menschlichen Schwächen viel                     Nachsicht, besonders aber den Nothständen seiner Untergebenen eine große                     Theilnahme schenkte. Dieser erkundigte sich bei unserm Arbeiter nach der Ursache                     seiner augenscheinlichen Verstimmung
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0096] wieder schlafen und verließ das Bett nur, um zurück in den Keller zu gehen und dort bis zur Erschöpfung seiner Kräfte oder seines Weinfasses zu saufen. In der That, solche Facta würden nicht glaubhaft sein, wenn wir uns nicht mit eigenen Augen von ihrer Wahrheit überzeugt hätten. Beeilen wir uns jedoch mit dem Schlusse dieser traurigen Mittheilungen, um zu der dritten Thatsache zu gelangen, welche über jene Abscheulichkeiten einigermaßen zu beruhigen und zu trösten vermag. Die beiden Trunkenbolde, deren wir soeben gedacht haben, hatten einen Arbeitscameraden, der an ihren Ausschweifungen Theil nahm und, gleich ihnen, mit raschen Schritten auf dem verhängnißvollen Wege, worauf jene ihn verlockt hatten, dahineilte. So war er denn auch zu einer Schuld von mehr als 800 Francs gekommen, – eine für einen Arbeiter in der That enorme Summe, – als eines Tages das Haus, worin er zur Miethe wohnte, zum Verkauf ausgeboten wurde. Hätte er nun das nöthige Geld oder Credit gehabt, so würde er keinen Augenblick angestanden haben, das Haus zu kaufen, denn es war dieß schon lange sein Wunsch gewesen, und zudem sah er auch mit schwerem Bedauern voraus, daß, wenn es das Eigenthum eines Andern würde, er nichts Besseres zu erwarten hätte, als ausziehen zu müssen. Ohne Zweifel war er, als dieser Gedanke ihm durch den Kopf ging, noch nüchtern, und er bereute es nun bitter, sein bisher verdientes Geld so übel angewendet zu haben. Bekümmerter als je begab er sich zur Arbeit und – begleitete seine Cameraden den Tag auch nicht in’s Wirthshaus. Ein Glück für ihn war es übrigens, daß die Leitung der Arbeiten in dem Eisenwerke sich eben damals in den Händen eines wohldenkenden Mannes befand, der, so streng er gegen Arbeitsfehler war, den menschlichen Schwächen viel Nachsicht, besonders aber den Nothständen seiner Untergebenen eine große Theilnahme schenkte. Dieser erkundigte sich bei unserm Arbeiter nach der Ursache seiner augenscheinlichen Verstimmung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/96
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/96>, abgerufen am 28.11.2024.