Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

sich nach und nach einer so vollständigen Armuth preisgegeben sahen, daß die Frau des einen, nachdem auch der Bäcker ihr den Credit gekündigt hatte, den Drohungen und der schlechten Behandlung von Seiten ihres Mannes Trotz bietend, den Director der Eisenwerke flehentlichst darum anging, künftig den Lohn des Betreffenden nur in ihre Hände zu zahlen, damit sie im Stande sei, Brod für ihre Kinder und deren Vater zu kaufen. Der Director, dem doppelten Gefühle des Mitleids und eines gerechten Unwillens nachgebend, stand nicht an, des armen Weibes Bitte zu erfüllen, und um sie vor dem Zorne des Trunkenboldes soviel als möglich sicher zu stellen, ließ er diesem ein Viertheil der Summe, welche er zu fordern hatte, zur Bestreitung seiner Wirthshausausgaben zustellen; ein jedoch ungenügendes Auskunftsmittel, das nur so lange seine Wirkung that, als das dem Säufer zur Verfügung verbliebene Geld dauerte; denn kaum war dasselbe zerronnen, und dazu bedurfte es keiner langen Zeit, so war auch die unglückliche Frau den ärgsten Mißhandlungen ausgesetzt, welche nur zu oft die Dazwischenkunft der Polizei und zuweilen selbst der Justiz nothwendig machten. Oder es geschah wohl auch, daß der Unsinnige Stücke des gemeinschaftlichen Mobiliars verkaufte, um seiner zügellosen Leidenschaft zu genügen, bis zu dem Tage, wo er endlich seinem beklagenswerthen Leben und damit zugleich den Qualen seiner Familie mit eigener Hand ein Ziel setzte.

Der Zweite jener Arbeiter bot ein nicht weniger betrübendes Schauspiel dar; derselbe war Eigenthümer eines Weinbergs und ärndtete, je nach den Jahren, drei oder vier Stückfaß Wein. Kaum war jedoch dieser Wein der Kelter entflossen, als auch der Arbeiter sofort zu feiern begann und nicht eher wieder in dem Eisenwerk erschien, als bis der letzte Tropfen Wein aus seinem Keller vertilgt war. Sein Leben in dieser Zwischenzeit hatte er übrigens so zugebracht: wenn er vom Lager aufgestanden war, begann er zu trinken, legte sich dann

sich nach und nach einer so vollständigen Armuth preisgegeben sahen, daß die Frau des einen, nachdem auch der Bäcker ihr den Credit gekündigt hatte, den Drohungen und der schlechten Behandlung von Seiten ihres Mannes Trotz bietend, den Director der Eisenwerke flehentlichst darum anging, künftig den Lohn des Betreffenden nur in ihre Hände zu zahlen, damit sie im Stande sei, Brod für ihre Kinder und deren Vater zu kaufen. Der Director, dem doppelten Gefühle des Mitleids und eines gerechten Unwillens nachgebend, stand nicht an, des armen Weibes Bitte zu erfüllen, und um sie vor dem Zorne des Trunkenboldes soviel als möglich sicher zu stellen, ließ er diesem ein Viertheil der Summe, welche er zu fordern hatte, zur Bestreitung seiner Wirthshausausgaben zustellen; ein jedoch ungenügendes Auskunftsmittel, das nur so lange seine Wirkung that, als das dem Säufer zur Verfügung verbliebene Geld dauerte; denn kaum war dasselbe zerronnen, und dazu bedurfte es keiner langen Zeit, so war auch die unglückliche Frau den ärgsten Mißhandlungen ausgesetzt, welche nur zu oft die Dazwischenkunft der Polizei und zuweilen selbst der Justiz nothwendig machten. Oder es geschah wohl auch, daß der Unsinnige Stücke des gemeinschaftlichen Mobiliars verkaufte, um seiner zügellosen Leidenschaft zu genügen, bis zu dem Tage, wo er endlich seinem beklagenswerthen Leben und damit zugleich den Qualen seiner Familie mit eigener Hand ein Ziel setzte.

Der Zweite jener Arbeiter bot ein nicht weniger betrübendes Schauspiel dar; derselbe war Eigenthümer eines Weinbergs und ärndtete, je nach den Jahren, drei oder vier Stückfaß Wein. Kaum war jedoch dieser Wein der Kelter entflossen, als auch der Arbeiter sofort zu feiern begann und nicht eher wieder in dem Eisenwerk erschien, als bis der letzte Tropfen Wein aus seinem Keller vertilgt war. Sein Leben in dieser Zwischenzeit hatte er übrigens so zugebracht: wenn er vom Lager aufgestanden war, begann er zu trinken, legte sich dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0095" n="85"/>
sich nach und nach einer so vollständigen Armuth                     preisgegeben sahen, daß die Frau des einen, nachdem auch der Bäcker ihr den                     Credit gekündigt hatte, den Drohungen und der schlechten Behandlung von Seiten                     ihres Mannes Trotz bietend, den Director der Eisenwerke flehentlichst darum                     anging, künftig den Lohn des Betreffenden nur in ihre Hände zu zahlen, damit sie                     im Stande sei, Brod für ihre Kinder und deren Vater zu kaufen. Der Director, dem                     doppelten Gefühle des Mitleids und eines gerechten Unwillens nachgebend, stand                     nicht an, des armen Weibes Bitte zu erfüllen, und um sie vor dem Zorne des                     Trunkenboldes soviel als möglich sicher zu stellen, ließ er diesem ein Viertheil                     der Summe, welche er zu fordern hatte, zur Bestreitung seiner Wirthshausausgaben                     zustellen; ein jedoch ungenügendes Auskunftsmittel, das nur so lange seine                     Wirkung that, als das dem Säufer zur Verfügung verbliebene Geld dauerte; denn                     kaum war dasselbe zerronnen, und dazu bedurfte es keiner langen Zeit, so war                     auch die unglückliche Frau den ärgsten Mißhandlungen ausgesetzt, welche nur zu                     oft die Dazwischenkunft der Polizei und zuweilen selbst der Justiz nothwendig                     machten. Oder es geschah wohl auch, daß der Unsinnige Stücke des                     gemeinschaftlichen Mobiliars verkaufte, um seiner zügellosen Leidenschaft zu                     genügen, bis zu dem Tage, wo er endlich seinem beklagenswerthen Leben und damit                     zugleich den Qualen seiner Familie mit eigener Hand ein Ziel setzte.</p>
        <p>Der Zweite jener Arbeiter bot ein nicht weniger betrübendes Schauspiel dar;                     derselbe war Eigenthümer eines Weinbergs und ärndtete, je nach den Jahren, drei                     oder vier Stückfaß Wein. Kaum war jedoch dieser Wein der Kelter entflossen, als                     auch der Arbeiter sofort zu feiern begann und nicht eher wieder in dem Eisenwerk                     erschien, als bis der letzte Tropfen Wein aus seinem Keller vertilgt war. Sein                     Leben in dieser Zwischenzeit hatte er übrigens so zugebracht: wenn er vom Lager                     aufgestanden war, begann er zu trinken, legte sich dann
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0095] sich nach und nach einer so vollständigen Armuth preisgegeben sahen, daß die Frau des einen, nachdem auch der Bäcker ihr den Credit gekündigt hatte, den Drohungen und der schlechten Behandlung von Seiten ihres Mannes Trotz bietend, den Director der Eisenwerke flehentlichst darum anging, künftig den Lohn des Betreffenden nur in ihre Hände zu zahlen, damit sie im Stande sei, Brod für ihre Kinder und deren Vater zu kaufen. Der Director, dem doppelten Gefühle des Mitleids und eines gerechten Unwillens nachgebend, stand nicht an, des armen Weibes Bitte zu erfüllen, und um sie vor dem Zorne des Trunkenboldes soviel als möglich sicher zu stellen, ließ er diesem ein Viertheil der Summe, welche er zu fordern hatte, zur Bestreitung seiner Wirthshausausgaben zustellen; ein jedoch ungenügendes Auskunftsmittel, das nur so lange seine Wirkung that, als das dem Säufer zur Verfügung verbliebene Geld dauerte; denn kaum war dasselbe zerronnen, und dazu bedurfte es keiner langen Zeit, so war auch die unglückliche Frau den ärgsten Mißhandlungen ausgesetzt, welche nur zu oft die Dazwischenkunft der Polizei und zuweilen selbst der Justiz nothwendig machten. Oder es geschah wohl auch, daß der Unsinnige Stücke des gemeinschaftlichen Mobiliars verkaufte, um seiner zügellosen Leidenschaft zu genügen, bis zu dem Tage, wo er endlich seinem beklagenswerthen Leben und damit zugleich den Qualen seiner Familie mit eigener Hand ein Ziel setzte. Der Zweite jener Arbeiter bot ein nicht weniger betrübendes Schauspiel dar; derselbe war Eigenthümer eines Weinbergs und ärndtete, je nach den Jahren, drei oder vier Stückfaß Wein. Kaum war jedoch dieser Wein der Kelter entflossen, als auch der Arbeiter sofort zu feiern begann und nicht eher wieder in dem Eisenwerk erschien, als bis der letzte Tropfen Wein aus seinem Keller vertilgt war. Sein Leben in dieser Zwischenzeit hatte er übrigens so zugebracht: wenn er vom Lager aufgestanden war, begann er zu trinken, legte sich dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/95
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/95>, abgerufen am 07.05.2024.