Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.die ganze betreffende Familie lange darunter zu leiden haben, indem sie sich während der ganzen Zeit, da die Arbeit, so zu sagen, umsonst gethan wird, harte Entbehrungen auflegen muß und sich immerhin noch glücklich schätzen kann, wenn der Bäcker und die andern Victualienhändler ihnen auf einen schon für die Schenke verpfändeten Arbeitslohn hin die nothwendigsten Lebensmittel auf Borg geben. Bezahlt er dagegen den Schenkwirth nicht, so ist dieser um sein Geld gebracht und um seinen Wein oder Branntwein, der ihm durch die darauf ruhende Steuer obendrein so theuer zu stehen kam. Dieser Credit hat indeß noch eine weit mißlichere Folge, die nämlich, den Durst des Trinkers, so zusagen, aufzumuntern, ihn zum Trinken anzuregen und dadurch in Schulden zu stürzen. Eine nicht geringe Anzahl von Schenkwirthen schämt sich nicht, den Durst der Trunkenbolde in dieser Weise für sich auszubeuten, besonders, wenn sie wissen, daß sie einst zu ihrer Bezahlung gelangen werden. Des Weines schon übervoll und trunken, wird ihnen von manchen Wirthen sogar dann wohl noch ein Uebriges vorgesetzt, das sie ungetrunken lassen. Und wird denn überdieß auch der Schenkwirth in solchen Fällen immer ehrlich genug sein, dem seiner Sinne beraubten Gaste nur soviel anzukreiden, als dieser vertilgt hat? Wenn er ihn betrügt, wer vermag es zu beweisen? Jedenfalls der Unglückliche nicht selbst, welchen der Soff um alles Bewußtsein von dem, was um ihn vorgeht, gebracht hat, der weder Augen, zu sehen, noch Ohren, zu hören, ja oft selbst die Beine nicht mehr in dem Stande hat, daß sie ihn zu Hause tragen können. Wenn übrigens die Schenkwirthe den Durst der Säufer für sich ausbeuten, so thun diese desgleichen bezüglich des Vertrauens der Wirthe; denn man sieht jene den Tag über nach und nach bei fast allen ihren besagten Gönnern einkehren und trinken, ohne die Börse zu ziehen. Und das geht so Monate, ja wohl Jahre lang fort, bis endlich der Wirth, müde des längern die ganze betreffende Familie lange darunter zu leiden haben, indem sie sich während der ganzen Zeit, da die Arbeit, so zu sagen, umsonst gethan wird, harte Entbehrungen auflegen muß und sich immerhin noch glücklich schätzen kann, wenn der Bäcker und die andern Victualienhändler ihnen auf einen schon für die Schenke verpfändeten Arbeitslohn hin die nothwendigsten Lebensmittel auf Borg geben. Bezahlt er dagegen den Schenkwirth nicht, so ist dieser um sein Geld gebracht und um seinen Wein oder Branntwein, der ihm durch die darauf ruhende Steuer obendrein so theuer zu stehen kam. Dieser Credit hat indeß noch eine weit mißlichere Folge, die nämlich, den Durst des Trinkers, so zusagen, aufzumuntern, ihn zum Trinken anzuregen und dadurch in Schulden zu stürzen. Eine nicht geringe Anzahl von Schenkwirthen schämt sich nicht, den Durst der Trunkenbolde in dieser Weise für sich auszubeuten, besonders, wenn sie wissen, daß sie einst zu ihrer Bezahlung gelangen werden. Des Weines schon übervoll und trunken, wird ihnen von manchen Wirthen sogar dann wohl noch ein Uebriges vorgesetzt, das sie ungetrunken lassen. Und wird denn überdieß auch der Schenkwirth in solchen Fällen immer ehrlich genug sein, dem seiner Sinne beraubten Gaste nur soviel anzukreiden, als dieser vertilgt hat? Wenn er ihn betrügt, wer vermag es zu beweisen? Jedenfalls der Unglückliche nicht selbst, welchen der Soff um alles Bewußtsein von dem, was um ihn vorgeht, gebracht hat, der weder Augen, zu sehen, noch Ohren, zu hören, ja oft selbst die Beine nicht mehr in dem Stande hat, daß sie ihn zu Hause tragen können. Wenn übrigens die Schenkwirthe den Durst der Säufer für sich ausbeuten, so thun diese desgleichen bezüglich des Vertrauens der Wirthe; denn man sieht jene den Tag über nach und nach bei fast allen ihren besagten Gönnern einkehren und trinken, ohne die Börse zu ziehen. Und das geht so Monate, ja wohl Jahre lang fort, bis endlich der Wirth, müde des längern <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0071" n="61"/> die ganze betreffende Familie lange darunter zu leiden haben, indem sie sich während der ganzen Zeit, da die Arbeit, so zu sagen, umsonst gethan wird, harte Entbehrungen auflegen muß und sich immerhin noch glücklich schätzen kann, wenn der Bäcker und die andern Victualienhändler ihnen auf einen schon für die Schenke verpfändeten Arbeitslohn hin die nothwendigsten Lebensmittel auf Borg geben. Bezahlt er dagegen den Schenkwirth nicht, so ist dieser um sein Geld gebracht und um seinen Wein oder Branntwein, der ihm durch die darauf ruhende Steuer obendrein so theuer zu stehen kam.</p> <p>Dieser Credit hat indeß noch eine weit mißlichere Folge, die nämlich, den Durst des Trinkers, so zusagen, aufzumuntern, ihn zum Trinken anzuregen und dadurch in Schulden zu stürzen. Eine nicht geringe Anzahl von Schenkwirthen schämt sich nicht, den Durst der Trunkenbolde in dieser Weise für sich auszubeuten, besonders, wenn sie wissen, daß sie einst zu ihrer Bezahlung gelangen werden. Des Weines schon übervoll und trunken, wird ihnen von manchen Wirthen sogar dann wohl noch ein Uebriges vorgesetzt, das sie ungetrunken lassen. Und wird denn überdieß auch der Schenkwirth in solchen Fällen immer ehrlich genug sein, dem seiner Sinne beraubten Gaste nur soviel anzukreiden, als dieser vertilgt hat? Wenn er ihn betrügt, wer vermag es zu beweisen? Jedenfalls der Unglückliche nicht selbst, welchen der Soff um alles Bewußtsein von dem, was um ihn vorgeht, gebracht hat, der weder Augen, zu sehen, noch Ohren, zu hören, ja oft selbst die Beine nicht mehr in dem Stande hat, daß sie ihn zu Hause tragen können.</p> <p>Wenn übrigens die Schenkwirthe den Durst der Säufer für sich ausbeuten, so thun diese desgleichen bezüglich des Vertrauens der Wirthe; denn man sieht jene den Tag über nach und nach bei fast allen ihren besagten Gönnern einkehren und trinken, ohne die Börse zu ziehen. Und das geht so Monate, ja wohl Jahre lang fort, bis endlich der Wirth, müde des längern </p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0071]
die ganze betreffende Familie lange darunter zu leiden haben, indem sie sich während der ganzen Zeit, da die Arbeit, so zu sagen, umsonst gethan wird, harte Entbehrungen auflegen muß und sich immerhin noch glücklich schätzen kann, wenn der Bäcker und die andern Victualienhändler ihnen auf einen schon für die Schenke verpfändeten Arbeitslohn hin die nothwendigsten Lebensmittel auf Borg geben. Bezahlt er dagegen den Schenkwirth nicht, so ist dieser um sein Geld gebracht und um seinen Wein oder Branntwein, der ihm durch die darauf ruhende Steuer obendrein so theuer zu stehen kam.
Dieser Credit hat indeß noch eine weit mißlichere Folge, die nämlich, den Durst des Trinkers, so zusagen, aufzumuntern, ihn zum Trinken anzuregen und dadurch in Schulden zu stürzen. Eine nicht geringe Anzahl von Schenkwirthen schämt sich nicht, den Durst der Trunkenbolde in dieser Weise für sich auszubeuten, besonders, wenn sie wissen, daß sie einst zu ihrer Bezahlung gelangen werden. Des Weines schon übervoll und trunken, wird ihnen von manchen Wirthen sogar dann wohl noch ein Uebriges vorgesetzt, das sie ungetrunken lassen. Und wird denn überdieß auch der Schenkwirth in solchen Fällen immer ehrlich genug sein, dem seiner Sinne beraubten Gaste nur soviel anzukreiden, als dieser vertilgt hat? Wenn er ihn betrügt, wer vermag es zu beweisen? Jedenfalls der Unglückliche nicht selbst, welchen der Soff um alles Bewußtsein von dem, was um ihn vorgeht, gebracht hat, der weder Augen, zu sehen, noch Ohren, zu hören, ja oft selbst die Beine nicht mehr in dem Stande hat, daß sie ihn zu Hause tragen können.
Wenn übrigens die Schenkwirthe den Durst der Säufer für sich ausbeuten, so thun diese desgleichen bezüglich des Vertrauens der Wirthe; denn man sieht jene den Tag über nach und nach bei fast allen ihren besagten Gönnern einkehren und trinken, ohne die Börse zu ziehen. Und das geht so Monate, ja wohl Jahre lang fort, bis endlich der Wirth, müde des längern
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