Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird das Eigenthum der Trunkenbolde, wie das des Geisteskranken, unter öffentliche Obhut gestellt. Man darf sich übrigens nicht darüber wundern, wenn in den alten Zeiten die Gesetzgeber so streng erschienen sind bei einem Laster, das in unsern Tagen nur zu häufig Entschuldigung findet. In den barbarischen und halbcivilisirten Zeiten, damals, als das Gemeinwesen sich noch nicht durch die Gesetze und die Sitten wie heutzutage geschützt sah, war man gezwungen, ein Laster, das nur zu oft zum Verbrechen ausartete, mit Härte zu bestrafen. War ein Mensch damals betrunken, so gab er sich gewöhnlich Allem hin, wozu seine grobsinnige, wilde Natur ihn trieb. Fast immer bewaffnet, machte er Alles, was ihm nur den mindesten Widerstand leistete, zittern und stöhnen. Plünderung, Nothzucht, Raub, Mord, Brandstiftung waren nur zu oft das sichere Ergebniß der sich selbst überlassenen und das ganze bestialische Gepräge jener barbarischen Zeiten tragenden Neigung zum Trunke. Heutzutage, wo die Civilisation weiter vorgeschritten ist, wo unsere Sitten sich mehr gereinigt zu haben scheinen, wo die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft den nöthigen Schutz bieten, würde man die harten Maßregeln der alten Zeiten gegen Diejenigen, welche der Trunksucht fröhnen, gewiß nicht, ohne sich aufs Lebhafteste indignirt zu fühlen, in Anwendung gesetzt sehen; aber muß man sich nicht doch auch fragen, ob unsere heutigen Gesetze strenge genug mit denjenigen verfahren, welche sich im Zustande der Trunkenheit Vergehen und zuweilen gar Verbrechen zu Schulden kommen lassen; oder ob nicht allermindestens in unserer Gesetzgebung noch einige wesentliche Lücken auszufüllen wären? Wir, unsererseits, hegen keinen Zweifel, daß die Regierungen, welche sich mit den die Förderung der Sittlichkeit betreffenden Fragen so angelegentlich zu beschäftigen pflegen, auch einst für die Ausfüllung dieser so beklagenswerthen Lücken gehörig Sorge tragen werden. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird das Eigenthum der Trunkenbolde, wie das des Geisteskranken, unter öffentliche Obhut gestellt. Man darf sich übrigens nicht darüber wundern, wenn in den alten Zeiten die Gesetzgeber so streng erschienen sind bei einem Laster, das in unsern Tagen nur zu häufig Entschuldigung findet. In den barbarischen und halbcivilisirten Zeiten, damals, als das Gemeinwesen sich noch nicht durch die Gesetze und die Sitten wie heutzutage geschützt sah, war man gezwungen, ein Laster, das nur zu oft zum Verbrechen ausartete, mit Härte zu bestrafen. War ein Mensch damals betrunken, so gab er sich gewöhnlich Allem hin, wozu seine grobsinnige, wilde Natur ihn trieb. Fast immer bewaffnet, machte er Alles, was ihm nur den mindesten Widerstand leistete, zittern und stöhnen. Plünderung, Nothzucht, Raub, Mord, Brandstiftung waren nur zu oft das sichere Ergebniß der sich selbst überlassenen und das ganze bestialische Gepräge jener barbarischen Zeiten tragenden Neigung zum Trunke. Heutzutage, wo die Civilisation weiter vorgeschritten ist, wo unsere Sitten sich mehr gereinigt zu haben scheinen, wo die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft den nöthigen Schutz bieten, würde man die harten Maßregeln der alten Zeiten gegen Diejenigen, welche der Trunksucht fröhnen, gewiß nicht, ohne sich aufs Lebhafteste indignirt zu fühlen, in Anwendung gesetzt sehen; aber muß man sich nicht doch auch fragen, ob unsere heutigen Gesetze strenge genug mit denjenigen verfahren, welche sich im Zustande der Trunkenheit Vergehen und zuweilen gar Verbrechen zu Schulden kommen lassen; oder ob nicht allermindestens in unserer Gesetzgebung noch einige wesentliche Lücken auszufüllen wären? Wir, unsererseits, hegen keinen Zweifel, daß die Regierungen, welche sich mit den die Förderung der Sittlichkeit betreffenden Fragen so angelegentlich zu beschäftigen pflegen, auch einst für die Ausfüllung dieser so beklagenswerthen Lücken gehörig Sorge tragen werden. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0066" n="56"/> <p> In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird das Eigenthum der Trunkenbolde, wie das des Geisteskranken, unter öffentliche Obhut gestellt.</p> <p>Man darf sich übrigens nicht darüber wundern, wenn in den alten Zeiten die Gesetzgeber so streng erschienen sind bei einem Laster, das in unsern Tagen nur zu häufig Entschuldigung findet. In den barbarischen und halbcivilisirten Zeiten, damals, als das Gemeinwesen sich noch nicht durch die Gesetze und die Sitten wie heutzutage geschützt sah, war man gezwungen, ein Laster, das nur zu oft zum Verbrechen ausartete, mit Härte zu bestrafen. War ein Mensch damals betrunken, so gab er sich gewöhnlich Allem hin, wozu seine grobsinnige, wilde Natur ihn trieb. Fast immer bewaffnet, machte er Alles, was ihm nur den mindesten Widerstand leistete, zittern und stöhnen. Plünderung, Nothzucht, Raub, Mord, Brandstiftung waren nur zu oft das sichere Ergebniß der sich selbst überlassenen und das ganze bestialische Gepräge jener barbarischen Zeiten tragenden Neigung zum Trunke.</p> <p>Heutzutage, wo die Civilisation weiter vorgeschritten ist, wo unsere Sitten sich mehr gereinigt zu haben scheinen, wo die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft den nöthigen Schutz bieten, würde man die harten Maßregeln der alten Zeiten gegen Diejenigen, welche der Trunksucht fröhnen, gewiß nicht, ohne sich aufs Lebhafteste indignirt zu fühlen, in Anwendung gesetzt sehen; aber muß man sich nicht doch auch fragen, ob unsere heutigen Gesetze strenge genug mit denjenigen verfahren, welche sich im Zustande der Trunkenheit Vergehen und zuweilen gar Verbrechen zu Schulden kommen lassen; oder ob nicht allermindestens in unserer Gesetzgebung noch einige wesentliche Lücken auszufüllen wären? Wir, unsererseits, hegen keinen Zweifel, daß die Regierungen, welche sich mit den die Förderung der Sittlichkeit betreffenden Fragen so angelegentlich zu beschäftigen pflegen, auch einst für die Ausfüllung dieser so beklagenswerthen Lücken gehörig Sorge tragen werden. </p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0066]
In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird das Eigenthum der Trunkenbolde, wie das des Geisteskranken, unter öffentliche Obhut gestellt.
Man darf sich übrigens nicht darüber wundern, wenn in den alten Zeiten die Gesetzgeber so streng erschienen sind bei einem Laster, das in unsern Tagen nur zu häufig Entschuldigung findet. In den barbarischen und halbcivilisirten Zeiten, damals, als das Gemeinwesen sich noch nicht durch die Gesetze und die Sitten wie heutzutage geschützt sah, war man gezwungen, ein Laster, das nur zu oft zum Verbrechen ausartete, mit Härte zu bestrafen. War ein Mensch damals betrunken, so gab er sich gewöhnlich Allem hin, wozu seine grobsinnige, wilde Natur ihn trieb. Fast immer bewaffnet, machte er Alles, was ihm nur den mindesten Widerstand leistete, zittern und stöhnen. Plünderung, Nothzucht, Raub, Mord, Brandstiftung waren nur zu oft das sichere Ergebniß der sich selbst überlassenen und das ganze bestialische Gepräge jener barbarischen Zeiten tragenden Neigung zum Trunke.
Heutzutage, wo die Civilisation weiter vorgeschritten ist, wo unsere Sitten sich mehr gereinigt zu haben scheinen, wo die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft den nöthigen Schutz bieten, würde man die harten Maßregeln der alten Zeiten gegen Diejenigen, welche der Trunksucht fröhnen, gewiß nicht, ohne sich aufs Lebhafteste indignirt zu fühlen, in Anwendung gesetzt sehen; aber muß man sich nicht doch auch fragen, ob unsere heutigen Gesetze strenge genug mit denjenigen verfahren, welche sich im Zustande der Trunkenheit Vergehen und zuweilen gar Verbrechen zu Schulden kommen lassen; oder ob nicht allermindestens in unserer Gesetzgebung noch einige wesentliche Lücken auszufüllen wären? Wir, unsererseits, hegen keinen Zweifel, daß die Regierungen, welche sich mit den die Förderung der Sittlichkeit betreffenden Fragen so angelegentlich zu beschäftigen pflegen, auch einst für die Ausfüllung dieser so beklagenswerthen Lücken gehörig Sorge tragen werden.
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Zitationshilfe: | Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/66>, abgerufen am 31.07.2024. |