Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.der Entschuldigung bei der Hand: "Wir können ja gar nicht anders, man sucht uns dort, wir sind also gezwungen, dahin zu gehen." Die Unglücklichen thun in der That Alles, um sich zur Sühne selbst zu belügen und die Augen davor zu verschließen, daß ihre Nachbarn, d. h. die, welche ihren Geschäften am Meisten Ehre machen, sich ein kleines Vermögen erworben haben und einer gewissen Wohlhabenheit genießen, eben solche Leute sind, welche die Wirthshäuser niemals oder nur selten besuchen. An diesen Orten finden sich übrigens auch noch Individuen, welche kaum des Lesens und Schreibens kundig sind, nichtsdestoweniger aber über die schwierigsten Fragen in den Künsten, Wissenschaften und der Politik mit einer unverwüstlichen Wichtigthuerei absprechen; auch viele stolze Dummköpfe, welche, obgleich unfähig, selbst etwas Gutes oder Gescheidtes zu schaffen, ihr Leben damit hinbringen, das, was Andere in diesen Beziehungen gethan haben, zu bekritteln, sowie eine gute Anzahl Müssiggänger, welche, da sie nicht gewußt haben, sich durch Studium und Arbeit eine ehrenvolle Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, in ihrer Eigenliebe nicht wenig leiden unter der Dunkelheit ihrer Namen und der Nichtbeachtung, welcher sie sich preisgegeben sehen. Es fehlt dort auch nicht an Männern von gallsüchtigem Temperament, denen nichts recht ist, die über Alles losziehen und es mit der ganzen Welt verderben; unglückliche Organisationen, welche mit ihren düstern vorgefaßten Meinungen mitten in unsere Gesellschaft sich einzwängen wollen, gleich jenen verdammten Seelen, wie sie Dante uns schildert, "steten unruhevollen Blickes traurig umherirrend in den kläglichen Einöden der Hölle." Und sieht man endlich nicht auch die Hefe aller Laster und aller Leidenschaften dort gähren und zischen? Ist es nicht dort, wo die verabscheuungswürdigsten Grundsätze ausgebrütet wurden, Völkerbeglückungs-Theorieen, welche die Herzen der rechtschaffenen Leute zittern gemacht der Entschuldigung bei der Hand: „Wir können ja gar nicht anders, man sucht uns dort, wir sind also gezwungen, dahin zu gehen.“ Die Unglücklichen thun in der That Alles, um sich zur Sühne selbst zu belügen und die Augen davor zu verschließen, daß ihre Nachbarn, d. h. die, welche ihren Geschäften am Meisten Ehre machen, sich ein kleines Vermögen erworben haben und einer gewissen Wohlhabenheit genießen, eben solche Leute sind, welche die Wirthshäuser niemals oder nur selten besuchen. An diesen Orten finden sich übrigens auch noch Individuen, welche kaum des Lesens und Schreibens kundig sind, nichtsdestoweniger aber über die schwierigsten Fragen in den Künsten, Wissenschaften und der Politik mit einer unverwüstlichen Wichtigthuerei absprechen; auch viele stolze Dummköpfe, welche, obgleich unfähig, selbst etwas Gutes oder Gescheidtes zu schaffen, ihr Leben damit hinbringen, das, was Andere in diesen Beziehungen gethan haben, zu bekritteln, sowie eine gute Anzahl Müssiggänger, welche, da sie nicht gewußt haben, sich durch Studium und Arbeit eine ehrenvolle Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, in ihrer Eigenliebe nicht wenig leiden unter der Dunkelheit ihrer Namen und der Nichtbeachtung, welcher sie sich preisgegeben sehen. Es fehlt dort auch nicht an Männern von gallsüchtigem Temperament, denen nichts recht ist, die über Alles losziehen und es mit der ganzen Welt verderben; unglückliche Organisationen, welche mit ihren düstern vorgefaßten Meinungen mitten in unsere Gesellschaft sich einzwängen wollen, gleich jenen verdammten Seelen, wie sie Dante uns schildert, „steten unruhevollen Blickes traurig umherirrend in den kläglichen Einöden der Hölle.“ Und sieht man endlich nicht auch die Hefe aller Laster und aller Leidenschaften dort gähren und zischen? Ist es nicht dort, wo die verabscheuungswürdigsten Grundsätze ausgebrütet wurden, Völkerbeglückungs-Theorieen, welche die Herzen der rechtschaffenen Leute zittern gemacht <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0057" n="47"/> der Entschuldigung bei der Hand: „Wir können ja gar nicht anders, man sucht uns dort, wir sind also gezwungen, dahin zu gehen.“ Die Unglücklichen thun in der That Alles, um sich zur Sühne selbst zu belügen und die Augen davor zu verschließen, daß ihre Nachbarn, d. h. die, welche ihren Geschäften am Meisten Ehre machen, sich ein kleines Vermögen erworben haben und einer gewissen Wohlhabenheit genießen, eben solche Leute sind, welche die Wirthshäuser niemals oder nur selten besuchen.</p> <p>An diesen Orten finden sich übrigens auch noch Individuen, welche kaum des Lesens und Schreibens kundig sind, nichtsdestoweniger aber über die schwierigsten Fragen in den Künsten, Wissenschaften und der Politik mit einer unverwüstlichen Wichtigthuerei absprechen; auch viele stolze Dummköpfe, welche, obgleich unfähig, selbst etwas Gutes oder Gescheidtes zu schaffen, ihr Leben damit hinbringen, das, was Andere in diesen Beziehungen gethan haben, zu bekritteln, sowie eine gute Anzahl Müssiggänger, welche, da sie nicht gewußt haben, sich durch Studium und Arbeit eine ehrenvolle Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, in ihrer Eigenliebe nicht wenig leiden unter der Dunkelheit ihrer Namen und der Nichtbeachtung, welcher sie sich preisgegeben sehen.</p> <p>Es fehlt dort auch nicht an Männern von gallsüchtigem Temperament, denen nichts recht ist, die über Alles losziehen und es mit der ganzen Welt verderben; unglückliche Organisationen, welche mit ihren düstern vorgefaßten Meinungen mitten in unsere Gesellschaft sich einzwängen wollen, gleich jenen verdammten Seelen, wie sie Dante uns schildert, „steten unruhevollen Blickes traurig umherirrend in den kläglichen Einöden der Hölle.“</p> <p>Und sieht man endlich nicht auch die Hefe aller Laster und aller Leidenschaften dort gähren und zischen? Ist es nicht dort, wo die verabscheuungswürdigsten Grundsätze ausgebrütet wurden, Völkerbeglückungs-Theorieen, welche die Herzen der rechtschaffenen Leute zittern gemacht </p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0057]
der Entschuldigung bei der Hand: „Wir können ja gar nicht anders, man sucht uns dort, wir sind also gezwungen, dahin zu gehen.“ Die Unglücklichen thun in der That Alles, um sich zur Sühne selbst zu belügen und die Augen davor zu verschließen, daß ihre Nachbarn, d. h. die, welche ihren Geschäften am Meisten Ehre machen, sich ein kleines Vermögen erworben haben und einer gewissen Wohlhabenheit genießen, eben solche Leute sind, welche die Wirthshäuser niemals oder nur selten besuchen.
An diesen Orten finden sich übrigens auch noch Individuen, welche kaum des Lesens und Schreibens kundig sind, nichtsdestoweniger aber über die schwierigsten Fragen in den Künsten, Wissenschaften und der Politik mit einer unverwüstlichen Wichtigthuerei absprechen; auch viele stolze Dummköpfe, welche, obgleich unfähig, selbst etwas Gutes oder Gescheidtes zu schaffen, ihr Leben damit hinbringen, das, was Andere in diesen Beziehungen gethan haben, zu bekritteln, sowie eine gute Anzahl Müssiggänger, welche, da sie nicht gewußt haben, sich durch Studium und Arbeit eine ehrenvolle Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft zu verschaffen, in ihrer Eigenliebe nicht wenig leiden unter der Dunkelheit ihrer Namen und der Nichtbeachtung, welcher sie sich preisgegeben sehen.
Es fehlt dort auch nicht an Männern von gallsüchtigem Temperament, denen nichts recht ist, die über Alles losziehen und es mit der ganzen Welt verderben; unglückliche Organisationen, welche mit ihren düstern vorgefaßten Meinungen mitten in unsere Gesellschaft sich einzwängen wollen, gleich jenen verdammten Seelen, wie sie Dante uns schildert, „steten unruhevollen Blickes traurig umherirrend in den kläglichen Einöden der Hölle.“
Und sieht man endlich nicht auch die Hefe aller Laster und aller Leidenschaften dort gähren und zischen? Ist es nicht dort, wo die verabscheuungswürdigsten Grundsätze ausgebrütet wurden, Völkerbeglückungs-Theorieen, welche die Herzen der rechtschaffenen Leute zittern gemacht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-11-01T10:28:26Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-11-01T10:28:26Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription: Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien. Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |