Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

würde er nur eine schale, fade, nach Nichts schmeckende Flüssigkeit sein, wenn seinem Geschmacke nicht durch den Rum, Branntwein etc. aufgeholfen würde, und diese Liqueure bilden dann gewöhnlich den Spielsatz einer Partie Karte oder Billard, so wie das Spiel selbst den Vorwand zum Trinken abgiebt. Man spielt nämlich anfangs um die Zeche, dann zum Zeitvertreibe weiter, und da jedes Spiel ein Interesse haben muß, so gilt es dann um ein zweites, drittes etc. Glas Branntwein, bis endlich das Spiel damit endigt, eine wichtigere, schrecklichere Rolle anzunehmen, und dann das Geld oder die Waare den wirklichen Einsatz bildet. Der Trinker wird nun zuletzt oft zum leidenschaftlichen Spieler, nicht aber in der Absicht, Ersatz für den Verlust an seinem Tagelohne zu suchen, denn sein durch die alkoholischen Dünste zu sehr erhitztes Gehirn überlaßt dem Verstande nicht mehr die Sorge, seinen Gedanken zu gebieten; er spielt vielmehr nur, um einer anderen, von der ersten erzeugten Leidenschaft zu fröhnen, er spielt wie toll, ohne gewahr zu werden, wie sein Mitspieler oft die Verwirrung in seinem Kopfe benutzt, ihn zu übervortheilen und um sein Geld zu bringen.

In welchem Zustande wird er nun heimkehren? Was für einen traurigen Eindruck wird er auf seine Frau und seine Kinder machen, wenn diese seiner ansichtig werden, wenn sie das Unzusammenhängende seiner Worte vernehmen und die seinen Lungen entsteigenden Branntweindünste ihn verrathen haben? Wie wird nun endlich das geheimnißvolle Drama, das sich in dem Innern dieser Familie zu entspinnen beginnt, enden? ...... Ich lasse jetzt absichtlich den Vorhang fallen, behalte mir jedoch vor, ihn in dem folgenden Capitel wieder ein Wenig zu lüften.

Es bleibt mir nun nichts weiter zu erwähnen übrig, als daß es, was übrigens schon ein Jeder sich denken kann, Stunden, ja ganze Tage giebt, wo die Schenken und Kaffeehäuser ganz von Gästen gefüllt sind. Dem Trunkenbold und dem Faullenzer genügt der allergeringste Vorwand, um seiner unersättlichen Leidenschaft

würde er nur eine schale, fade, nach Nichts schmeckende Flüssigkeit sein, wenn seinem Geschmacke nicht durch den Rum, Branntwein etc. aufgeholfen würde, und diese Liqueure bilden dann gewöhnlich den Spielsatz einer Partie Karte oder Billard, so wie das Spiel selbst den Vorwand zum Trinken abgiebt. Man spielt nämlich anfangs um die Zeche, dann zum Zeitvertreibe weiter, und da jedes Spiel ein Interesse haben muß, so gilt es dann um ein zweites, drittes etc. Glas Branntwein, bis endlich das Spiel damit endigt, eine wichtigere, schrecklichere Rolle anzunehmen, und dann das Geld oder die Waare den wirklichen Einsatz bildet. Der Trinker wird nun zuletzt oft zum leidenschaftlichen Spieler, nicht aber in der Absicht, Ersatz für den Verlust an seinem Tagelohne zu suchen, denn sein durch die alkoholischen Dünste zu sehr erhitztes Gehirn überlaßt dem Verstande nicht mehr die Sorge, seinen Gedanken zu gebieten; er spielt vielmehr nur, um einer anderen, von der ersten erzeugten Leidenschaft zu fröhnen, er spielt wie toll, ohne gewahr zu werden, wie sein Mitspieler oft die Verwirrung in seinem Kopfe benutzt, ihn zu übervortheilen und um sein Geld zu bringen.

In welchem Zustande wird er nun heimkehren? Was für einen traurigen Eindruck wird er auf seine Frau und seine Kinder machen, wenn diese seiner ansichtig werden, wenn sie das Unzusammenhängende seiner Worte vernehmen und die seinen Lungen entsteigenden Branntweindünste ihn verrathen haben? Wie wird nun endlich das geheimnißvolle Drama, das sich in dem Innern dieser Familie zu entspinnen beginnt, enden? ...... Ich lasse jetzt absichtlich den Vorhang fallen, behalte mir jedoch vor, ihn in dem folgenden Capitel wieder ein Wenig zu lüften.

Es bleibt mir nun nichts weiter zu erwähnen übrig, als daß es, was übrigens schon ein Jeder sich denken kann, Stunden, ja ganze Tage giebt, wo die Schenken und Kaffeehäuser ganz von Gästen gefüllt sind. Dem Trunkenbold und dem Faullenzer genügt der allergeringste Vorwand, um seiner unersättlichen Leidenschaft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0032" n="22"/>
würde er nur eine schale, fade,                     nach Nichts schmeckende Flüssigkeit sein, wenn seinem Geschmacke nicht durch den                     Rum, Branntwein etc. aufgeholfen würde, und diese Liqueure bilden dann                     gewöhnlich den Spielsatz einer Partie Karte oder Billard, so wie das Spiel                     selbst den Vorwand zum Trinken abgiebt. Man spielt nämlich anfangs um die Zeche,                     dann zum Zeitvertreibe weiter, und da jedes Spiel ein Interesse haben muß, so                     gilt es dann um ein zweites, drittes etc. Glas Branntwein, bis endlich das Spiel                     damit endigt, eine wichtigere, schrecklichere Rolle anzunehmen, und dann das                     Geld oder die Waare den wirklichen Einsatz bildet. Der Trinker wird nun zuletzt                     oft zum leidenschaftlichen Spieler, nicht aber in der Absicht, Ersatz für den                     Verlust an seinem Tagelohne zu suchen, denn sein durch die alkoholischen Dünste                     zu sehr erhitztes Gehirn überlaßt dem Verstande nicht mehr die Sorge, seinen                     Gedanken zu gebieten; er spielt vielmehr nur, um einer anderen, von der ersten                     erzeugten Leidenschaft zu fröhnen, er spielt wie toll, ohne gewahr zu werden,                     wie sein Mitspieler oft die Verwirrung in seinem Kopfe benutzt, ihn zu                     übervortheilen und um sein Geld zu bringen.</p>
        <p>In welchem Zustande wird er nun heimkehren? Was für einen traurigen Eindruck wird                     er auf seine Frau und seine Kinder machen, wenn diese seiner ansichtig werden,                     wenn sie das Unzusammenhängende seiner Worte vernehmen und die seinen Lungen                     entsteigenden Branntweindünste ihn verrathen haben? Wie wird nun endlich das                     geheimnißvolle Drama, das sich in dem Innern dieser Familie zu entspinnen                     beginnt, enden? ...... Ich lasse jetzt absichtlich den Vorhang fallen, behalte                     mir jedoch vor, ihn in dem folgenden Capitel wieder ein Wenig zu lüften.</p>
        <p>Es bleibt mir nun nichts weiter zu erwähnen übrig, als daß es, was übrigens schon                     ein Jeder sich denken kann, Stunden, ja ganze Tage giebt, wo die Schenken und                     Kaffeehäuser ganz von Gästen gefüllt sind. Dem Trunkenbold und dem Faullenzer                     genügt der allergeringste Vorwand, um seiner unersättlichen Leidenschaft
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] würde er nur eine schale, fade, nach Nichts schmeckende Flüssigkeit sein, wenn seinem Geschmacke nicht durch den Rum, Branntwein etc. aufgeholfen würde, und diese Liqueure bilden dann gewöhnlich den Spielsatz einer Partie Karte oder Billard, so wie das Spiel selbst den Vorwand zum Trinken abgiebt. Man spielt nämlich anfangs um die Zeche, dann zum Zeitvertreibe weiter, und da jedes Spiel ein Interesse haben muß, so gilt es dann um ein zweites, drittes etc. Glas Branntwein, bis endlich das Spiel damit endigt, eine wichtigere, schrecklichere Rolle anzunehmen, und dann das Geld oder die Waare den wirklichen Einsatz bildet. Der Trinker wird nun zuletzt oft zum leidenschaftlichen Spieler, nicht aber in der Absicht, Ersatz für den Verlust an seinem Tagelohne zu suchen, denn sein durch die alkoholischen Dünste zu sehr erhitztes Gehirn überlaßt dem Verstande nicht mehr die Sorge, seinen Gedanken zu gebieten; er spielt vielmehr nur, um einer anderen, von der ersten erzeugten Leidenschaft zu fröhnen, er spielt wie toll, ohne gewahr zu werden, wie sein Mitspieler oft die Verwirrung in seinem Kopfe benutzt, ihn zu übervortheilen und um sein Geld zu bringen. In welchem Zustande wird er nun heimkehren? Was für einen traurigen Eindruck wird er auf seine Frau und seine Kinder machen, wenn diese seiner ansichtig werden, wenn sie das Unzusammenhängende seiner Worte vernehmen und die seinen Lungen entsteigenden Branntweindünste ihn verrathen haben? Wie wird nun endlich das geheimnißvolle Drama, das sich in dem Innern dieser Familie zu entspinnen beginnt, enden? ...... Ich lasse jetzt absichtlich den Vorhang fallen, behalte mir jedoch vor, ihn in dem folgenden Capitel wieder ein Wenig zu lüften. Es bleibt mir nun nichts weiter zu erwähnen übrig, als daß es, was übrigens schon ein Jeder sich denken kann, Stunden, ja ganze Tage giebt, wo die Schenken und Kaffeehäuser ganz von Gästen gefüllt sind. Dem Trunkenbold und dem Faullenzer genügt der allergeringste Vorwand, um seiner unersättlichen Leidenschaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-01T10:28:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter, Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-11-01T10:28:26Z)
Bayerische Staatsbibliothek München: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-11-01T10:28:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/32
Zitationshilfe: Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/32>, abgerufen am 24.11.2024.