Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.Zweites Capitel. Von der Trunksucht. Die Gewohnheit, die ein Mensch annimmt, sich zu betrinken, in welchem Grade es auch sei, heißt Trunksucht, und auch diese hat, wie die Trunkenheit, ihre Abstufungen. Erster Grad. - Im ersten Grade kann es der Mensch durch Gewohnheit dahin bringen, ein sein Bedürfniß übersteigendes Quantum spirituöser Getränke zu sich zu nehmen, ohne daß seine Vernunft dadurch eben beeinträchtigt scheint, oder ohne daß, wenigstens auf den ersten Blick, seine geistigen Functionen mit weniger Regelmäßigkeit von Statten zu gehen den Anschein haben. Diese Gewohnheit führt aber nichtsdestoweniger zuletzt einen so anhaltenden Zustand von Ueberreizung der Lebenskräfte herbei, daß diese, in nicht eben langer Zeit sich zum Nachtheile des Individuums entwickelnd, den Keim zu einer Menge von fast jederzeit tödtlich werdenden Krankheiten in sich trägt. Gar viele Leute trinken mehr, als sie sollten, ohne doch jemals betrunken zu werden und ohne in den Augen der Welt für Säufer zu gelten; demungeachtet aber wird ihre Constitution doch allmählig unterwühlt und auch sie verfallen vor der Zeit dem Grabe. Zweites Capitel. Von der Trunksucht. Die Gewohnheit, die ein Mensch annimmt, sich zu betrinken, in welchem Grade es auch sei, heißt Trunksucht, und auch diese hat, wie die Trunkenheit, ihre Abstufungen. Erster Grad. – Im ersten Grade kann es der Mensch durch Gewohnheit dahin bringen, ein sein Bedürfniß übersteigendes Quantum spirituöser Getränke zu sich zu nehmen, ohne daß seine Vernunft dadurch eben beeinträchtigt scheint, oder ohne daß, wenigstens auf den ersten Blick, seine geistigen Functionen mit weniger Regelmäßigkeit von Statten zu gehen den Anschein haben. Diese Gewohnheit führt aber nichtsdestoweniger zuletzt einen so anhaltenden Zustand von Ueberreizung der Lebenskräfte herbei, daß diese, in nicht eben langer Zeit sich zum Nachtheile des Individuums entwickelnd, den Keim zu einer Menge von fast jederzeit tödtlich werdenden Krankheiten in sich trägt. Gar viele Leute trinken mehr, als sie sollten, ohne doch jemals betrunken zu werden und ohne in den Augen der Welt für Säufer zu gelten; demungeachtet aber wird ihre Constitution doch allmählig unterwühlt und auch sie verfallen vor der Zeit dem Grabe. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0022" n="[12]"/> <head rendition="#b">Zweites Capitel.</head><lb/> <head rendition="#b"> <hi rendition="#g">Von der Trunksucht.</hi> </head><lb/> <p>Die Gewohnheit, die ein Mensch annimmt, sich zu betrinken, in welchem Grade es auch sei, heißt Trunksucht, und auch diese hat, wie die Trunkenheit, ihre Abstufungen.</p> <p><hi rendition="#g">Erster Grad.</hi> – Im ersten Grade kann es der Mensch durch Gewohnheit dahin bringen, ein sein Bedürfniß übersteigendes Quantum spirituöser Getränke zu sich zu nehmen, ohne daß seine Vernunft dadurch eben beeinträchtigt scheint, oder ohne daß, wenigstens auf den ersten Blick, seine geistigen Functionen mit weniger Regelmäßigkeit von Statten zu gehen den Anschein haben. Diese Gewohnheit führt aber nichtsdestoweniger zuletzt einen so anhaltenden Zustand von Ueberreizung der Lebenskräfte herbei, daß diese, in nicht eben langer Zeit sich zum Nachtheile des Individuums entwickelnd, den Keim zu einer Menge von fast jederzeit tödtlich werdenden Krankheiten in sich trägt.</p> <p>Gar viele Leute trinken mehr, als sie sollten, ohne doch jemals betrunken zu werden und ohne in den Augen der Welt für Säufer zu gelten; demungeachtet aber wird ihre Constitution doch allmählig unterwühlt und auch sie verfallen vor der Zeit dem Grabe.</p> </div> </body> </text> </TEI> [[12]/0022]
Zweites Capitel.
Von der Trunksucht.
Die Gewohnheit, die ein Mensch annimmt, sich zu betrinken, in welchem Grade es auch sei, heißt Trunksucht, und auch diese hat, wie die Trunkenheit, ihre Abstufungen.
Erster Grad. – Im ersten Grade kann es der Mensch durch Gewohnheit dahin bringen, ein sein Bedürfniß übersteigendes Quantum spirituöser Getränke zu sich zu nehmen, ohne daß seine Vernunft dadurch eben beeinträchtigt scheint, oder ohne daß, wenigstens auf den ersten Blick, seine geistigen Functionen mit weniger Regelmäßigkeit von Statten zu gehen den Anschein haben. Diese Gewohnheit führt aber nichtsdestoweniger zuletzt einen so anhaltenden Zustand von Ueberreizung der Lebenskräfte herbei, daß diese, in nicht eben langer Zeit sich zum Nachtheile des Individuums entwickelnd, den Keim zu einer Menge von fast jederzeit tödtlich werdenden Krankheiten in sich trägt.
Gar viele Leute trinken mehr, als sie sollten, ohne doch jemals betrunken zu werden und ohne in den Augen der Welt für Säufer zu gelten; demungeachtet aber wird ihre Constitution doch allmählig unterwühlt und auch sie verfallen vor der Zeit dem Grabe.
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Zitationshilfe: | Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. [12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/22>, abgerufen am 08.07.2024. |