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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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Zustimmung rechnen konnten. Bandello behandelt nicht nur6. Abschnitt.
das Zaubern eines lombardischen Mönches als eine küm-
merliche und in ihren Folgen schreckliche Gaunerei 1), sondern
er schildert auch 2) mit wahrer Entrüstung das Unheil,
welches den gläubigen Thoren unaufhörlich begleitet. "Ein
solcher hofft mit dem Schlüssel Salomonis und vielen andern
Zauberbüchern die verborgenen Schätze im Schooß der Erde
zu finden, seine Dame zu seinem Willen zu zwingen, die
Geheimnisse der Fürsten zu erkunden, von Mailand sich in
einem Nu nach Rom zu versetzen und Aehnliches. Je öfter
getäuscht, desto beharrlicher wird er ... Entsinnt Ihr Euch
noch, Signor Carlo, jener Zeit, da ein Freund von uns
um die Gunst seiner Geliebten zu erzwingen, sein Zimmer
mit Todtenschädeln und Gebeinen anfüllte wie einen Kirch-
hof?" Es kommen die ekelhaftesten Verpflichtungen vor,
z. B. einer Leiche drei Zähne auszuziehen, ihr einen Nagel
vom Finger zu reißen etc. und wenn dann endlich die Be-
schwörung mit ihrem Hocuspocus vor sich geht, sterben bis-
weilen die unglücklichen Theilnehmer vor Schrecken.

Benvenuto Cellini, bei der bekannten großen Beschwö-Benvenuto
Cellini.

rung (1532) im Colosseum zu Rom 3) starb nicht, obgleich
er und seine Begleiter das tiefste Entsetzen ausstanden; der
sicilianische Priester, der in ihm wahrscheinlich einen brauch-
baren Mithelfer für künftige Zeiten vermuthete, machte ihm
sogar auf dem Heimweg das Compliment, einen Menschen
von so festem Muthe habe er noch nie angetroffen. Ueber
den Hergang selbst wird sich jeder Leser seine besondern
Gedanken machen; das entscheidende waren wohl die nar-

1) Bandello III, Nov. 52.
2) Ebenda III, Nov. 29. Der Beschwörer läßt sich das Geheimhalten
mit hohen Eiden versprechen, hier z. B. mit einem Schwur auf dem
Hochaltar von S. Petronio in Bologna, als gerade sonst Niemand in
der Kirche war. -- Einen ziemlichen Vorrath von Zauberwesen fin-
det man auch Macaroneide, Phant. XVIII.
3) Benv. Cellini I, cap. 64.
Cultur der Renaissance. 35

Zuſtimmung rechnen konnten. Bandello behandelt nicht nur6. Abſchnitt.
das Zaubern eines lombardiſchen Mönches als eine küm-
merliche und in ihren Folgen ſchreckliche Gaunerei 1), ſondern
er ſchildert auch 2) mit wahrer Entrüſtung das Unheil,
welches den gläubigen Thoren unaufhörlich begleitet. „Ein
ſolcher hofft mit dem Schlüſſel Salomonis und vielen andern
Zauberbüchern die verborgenen Schätze im Schooß der Erde
zu finden, ſeine Dame zu ſeinem Willen zu zwingen, die
Geheimniſſe der Fürſten zu erkunden, von Mailand ſich in
einem Nu nach Rom zu verſetzen und Aehnliches. Je öfter
getäuſcht, deſto beharrlicher wird er … Entſinnt Ihr Euch
noch, Signor Carlo, jener Zeit, da ein Freund von uns
um die Gunſt ſeiner Geliebten zu erzwingen, ſein Zimmer
mit Todtenſchädeln und Gebeinen anfüllte wie einen Kirch-
hof?“ Es kommen die ekelhafteſten Verpflichtungen vor,
z. B. einer Leiche drei Zähne auszuziehen, ihr einen Nagel
vom Finger zu reißen ꝛc. und wenn dann endlich die Be-
ſchwörung mit ihrem Hocuspocus vor ſich geht, ſterben bis-
weilen die unglücklichen Theilnehmer vor Schrecken.

Benvenuto Cellini, bei der bekannten großen Beſchwö-Benvenuto
Cellini.

rung (1532) im Coloſſeum zu Rom 3) ſtarb nicht, obgleich
er und ſeine Begleiter das tiefſte Entſetzen ausſtanden; der
ſicilianiſche Prieſter, der in ihm wahrſcheinlich einen brauch-
baren Mithelfer für künftige Zeiten vermuthete, machte ihm
ſogar auf dem Heimweg das Compliment, einen Menſchen
von ſo feſtem Muthe habe er noch nie angetroffen. Ueber
den Hergang ſelbſt wird ſich jeder Leſer ſeine beſondern
Gedanken machen; das entſcheidende waren wohl die nar-

1) Bandello III, Nov. 52.
2) Ebenda III, Nov. 29. Der Beſchwörer läßt ſich das Geheimhalten
mit hohen Eiden verſprechen, hier z. B. mit einem Schwur auf dem
Hochaltar von S. Petronio in Bologna, als gerade ſonſt Niemand in
der Kirche war. — Einen ziemlichen Vorrath von Zauberweſen fin-
det man auch Macaroneide, Phant. XVIII.
3) Benv. Cellini I, cap. 64.
Cultur der Renaiſſance. 35
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[545/0555] Zuſtimmung rechnen konnten. Bandello behandelt nicht nur das Zaubern eines lombardiſchen Mönches als eine küm- merliche und in ihren Folgen ſchreckliche Gaunerei 1), ſondern er ſchildert auch 2) mit wahrer Entrüſtung das Unheil, welches den gläubigen Thoren unaufhörlich begleitet. „Ein ſolcher hofft mit dem Schlüſſel Salomonis und vielen andern Zauberbüchern die verborgenen Schätze im Schooß der Erde zu finden, ſeine Dame zu ſeinem Willen zu zwingen, die Geheimniſſe der Fürſten zu erkunden, von Mailand ſich in einem Nu nach Rom zu verſetzen und Aehnliches. Je öfter getäuſcht, deſto beharrlicher wird er … Entſinnt Ihr Euch noch, Signor Carlo, jener Zeit, da ein Freund von uns um die Gunſt ſeiner Geliebten zu erzwingen, ſein Zimmer mit Todtenſchädeln und Gebeinen anfüllte wie einen Kirch- hof?“ Es kommen die ekelhafteſten Verpflichtungen vor, z. B. einer Leiche drei Zähne auszuziehen, ihr einen Nagel vom Finger zu reißen ꝛc. und wenn dann endlich die Be- ſchwörung mit ihrem Hocuspocus vor ſich geht, ſterben bis- weilen die unglücklichen Theilnehmer vor Schrecken. 6. Abſchnitt. Benvenuto Cellini, bei der bekannten großen Beſchwö- rung (1532) im Coloſſeum zu Rom 3) ſtarb nicht, obgleich er und ſeine Begleiter das tiefſte Entſetzen ausſtanden; der ſicilianiſche Prieſter, der in ihm wahrſcheinlich einen brauch- baren Mithelfer für künftige Zeiten vermuthete, machte ihm ſogar auf dem Heimweg das Compliment, einen Menſchen von ſo feſtem Muthe habe er noch nie angetroffen. Ueber den Hergang ſelbſt wird ſich jeder Leſer ſeine beſondern Gedanken machen; das entſcheidende waren wohl die nar- Benvenuto Cellini. 1) Bandello III, Nov. 52. 2) Ebenda III, Nov. 29. Der Beſchwörer läßt ſich das Geheimhalten mit hohen Eiden verſprechen, hier z. B. mit einem Schwur auf dem Hochaltar von S. Petronio in Bologna, als gerade ſonſt Niemand in der Kirche war. — Einen ziemlichen Vorrath von Zauberweſen fin- det man auch Macaroneide, Phant. XVIII. 3) Benv. Cellini I, cap. 64. Cultur der Renaiſſance. 35

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/555>, abgerufen am 26.04.2024.