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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.Völker und Religionen, in einer ähnlichen Abhängigkeit,
und da die Constellationen dieser großen Dinge wandelbar
sind, so sind es auch die Dinge selbst. Die Idee, daß jede
Religion ihren Welttag habe, kommt auf diesem astrologi-
schen Wege in die italienische Bildung hinein. Die Con-
junction des Jupiter, hieß es 1), mit Saturn habe den
hebräischen Glauben hervorgebracht, die mit Mars den
chaldäischen, die mit der Sonne den ägyptischen, die mit
Venus den mohammedanischen, die mit Mercur den christ-
lichen, und die mit dem Mond werde einst die Religion
des Antichrist hervorbringen. In frevelhaftester Weise hatte
schon Checco d'Ascoli die Nativität Christi berechnet und
seinen Kreuzestod daraus deducirt; er mußte deßhalb 1327
in Florenz auf dem Scheiterhaufen sterben 2). Lehren dieser
Art führten in ihren weitern Folgen eine förmliche Ver-
finsterung alles Uebersinnlichen mit sich.

Die Gegner der
Astrologie.
Um so anerkennenswerther ist aber der Kampf, welchen
der lichte italienische Geist gegen dieses ganze Wahngespinnst
geführt hat. Neben den größten monumentalen Verherr-
lichungen der Astrologie, wie die Fresken im Salone zu
Padua 3) und diejenigen in Borso's Sommerpalast (Schi-
fanoja) zu Ferrara, neben dem unverschämten Anpreisen,
das sich selbst ein Beroaldus der ältere 4) erlaubt, tönt

1) Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 12.
2) Giov. Villani, X, 39. 40. Es wirkten noch andere Dinge mit,
u. a. collegialischer Neid. -- Schon Bonatto hatte Aehnliches ge-
lehrt und z. B. das Wunder der göttlichen Liebe in S. Franz als
Wirkung des Planeten Mars dargestellt. Vgl. Jo. Picus adv.
Astrol. II,
5.
3) Es sind die von Miretto zu Anfang des XV. Jahrh. gemalten;
laut Scardeonius waren sie bestimmt ad indicandum nascentium
naturas per gradus et numeros,
ein populäreres Beginnen als
wir uns jetzt leicht vorstellen. Es war Astrologie a la portee de
tout le monde.
4) Er meint (Orationes, fol. 35, in nuptias) von der Sterndeutung:
haec efficit ut homines parum a Diis distare videantur! --

6. Abſchnitt.Völker und Religionen, in einer ähnlichen Abhängigkeit,
und da die Conſtellationen dieſer großen Dinge wandelbar
ſind, ſo ſind es auch die Dinge ſelbſt. Die Idee, daß jede
Religion ihren Welttag habe, kommt auf dieſem aſtrologi-
ſchen Wege in die italieniſche Bildung hinein. Die Con-
junction des Jupiter, hieß es 1), mit Saturn habe den
hebräiſchen Glauben hervorgebracht, die mit Mars den
chaldäiſchen, die mit der Sonne den ägyptiſchen, die mit
Venus den mohammedaniſchen, die mit Mercur den chriſt-
lichen, und die mit dem Mond werde einſt die Religion
des Antichriſt hervorbringen. In frevelhafteſter Weiſe hatte
ſchon Checco d'Ascoli die Nativität Chriſti berechnet und
ſeinen Kreuzestod daraus deducirt; er mußte deßhalb 1327
in Florenz auf dem Scheiterhaufen ſterben 2). Lehren dieſer
Art führten in ihren weitern Folgen eine förmliche Ver-
finſterung alles Ueberſinnlichen mit ſich.

Die Gegner der
Aſtrologie.
Um ſo anerkennenswerther iſt aber der Kampf, welchen
der lichte italieniſche Geiſt gegen dieſes ganze Wahngeſpinnſt
geführt hat. Neben den größten monumentalen Verherr-
lichungen der Aſtrologie, wie die Fresken im Salone zu
Padua 3) und diejenigen in Borſo's Sommerpalaſt (Schi-
fanoja) zu Ferrara, neben dem unverſchämten Anpreiſen,
das ſich ſelbſt ein Beroaldus der ältere 4) erlaubt, tönt

1) Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 12.
2) Giov. Villani, X, 39. 40. Es wirkten noch andere Dinge mit,
u. a. collegialiſcher Neid. — Schon Bonatto hatte Aehnliches ge-
lehrt und z. B. das Wunder der göttlichen Liebe in S. Franz als
Wirkung des Planeten Mars dargeſtellt. Vgl. Jo. Picus adv.
Astrol. II,
5.
3) Es ſind die von Miretto zu Anfang des XV. Jahrh. gemalten;
laut Scardeonius waren ſie beſtimmt ad indicandum nascentium
naturas per gradus et numeros,
ein populäreres Beginnen als
wir uns jetzt leicht vorſtellen. Es war Aſtrologie à la portée de
tout le monde.
4) Er meint (Orationes, fol. 35, in nuptias) von der Sterndeutung:
hæc efficit ut homines parum a Diis distare videantur!
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[520/0530] Völker und Religionen, in einer ähnlichen Abhängigkeit, und da die Conſtellationen dieſer großen Dinge wandelbar ſind, ſo ſind es auch die Dinge ſelbſt. Die Idee, daß jede Religion ihren Welttag habe, kommt auf dieſem aſtrologi- ſchen Wege in die italieniſche Bildung hinein. Die Con- junction des Jupiter, hieß es 1), mit Saturn habe den hebräiſchen Glauben hervorgebracht, die mit Mars den chaldäiſchen, die mit der Sonne den ägyptiſchen, die mit Venus den mohammedaniſchen, die mit Mercur den chriſt- lichen, und die mit dem Mond werde einſt die Religion des Antichriſt hervorbringen. In frevelhafteſter Weiſe hatte ſchon Checco d'Ascoli die Nativität Chriſti berechnet und ſeinen Kreuzestod daraus deducirt; er mußte deßhalb 1327 in Florenz auf dem Scheiterhaufen ſterben 2). Lehren dieſer Art führten in ihren weitern Folgen eine förmliche Ver- finſterung alles Ueberſinnlichen mit ſich. 6. Abſchnitt. Um ſo anerkennenswerther iſt aber der Kampf, welchen der lichte italieniſche Geiſt gegen dieſes ganze Wahngeſpinnſt geführt hat. Neben den größten monumentalen Verherr- lichungen der Aſtrologie, wie die Fresken im Salone zu Padua 3) und diejenigen in Borſo's Sommerpalaſt (Schi- fanoja) zu Ferrara, neben dem unverſchämten Anpreiſen, das ſich ſelbſt ein Beroaldus der ältere 4) erlaubt, tönt Die Gegner der Aſtrologie. 1) Bapt. Mantuan. de patientia, L. III, cap. 12. 2) Giov. Villani, X, 39. 40. Es wirkten noch andere Dinge mit, u. a. collegialiſcher Neid. — Schon Bonatto hatte Aehnliches ge- lehrt und z. B. das Wunder der göttlichen Liebe in S. Franz als Wirkung des Planeten Mars dargeſtellt. Vgl. Jo. Picus adv. Astrol. II, 5. 3) Es ſind die von Miretto zu Anfang des XV. Jahrh. gemalten; laut Scardeonius waren ſie beſtimmt ad indicandum nascentium naturas per gradus et numeros, ein populäreres Beginnen als wir uns jetzt leicht vorſtellen. Es war Aſtrologie à la portée de tout le monde. 4) Er meint (Orationes, fol. 35, in nuptias) von der Sterndeutung: hæc efficit ut homines parum a Diis distare videantur! —

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/530>, abgerufen am 24.11.2024.