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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.sieht es mit diesen Dingen schon viel zweifelhafter aus, ohne
daß man doch einen bündigen Schluß ziehen könnte. Es ist
bekannt, unter welchem allgemeinen Aufsehen Pius II. das
aus Griechenland zunächst nach S. Maura geflüchtete Haupt
des Apostels Andreas erwarb und (1462) feierlich in S. Peter
niederlegte; allein aus seiner eigenen Relation geht hervor,
daß er dieß that aus einer Art von Scham, als schon viele
Fürsten sich um die Reliquie bewarben. Jetzt erst fiel es
ihm ein, Rom zu einem allgemeinen Zufluchtsort der aus
ihren Kirchen vertriebenen Reste der Heiligen zu machen 1).
Unter Sixtus IV. war die Stadtbevölkerung in diesen
Dingen eifriger als der Papst, so daß der Magistrat sich
(1483) bitter beklagte, als Sixtus dem sterbenden Lud-
wig XI. Einiges von den lateranensischen Reliquien ver-
abfolgte 2). In Bologna erhob sich um diese Zeit eine
muthige Stimme, welche verlangte, man solle dem König
von Spanien den Schädel des h. Dominicus verkaufen und
aus dem Erlös etwas zum öffentlichen Nutzen dienendes
stiften 3). Die wenigste Reliquienandacht zeigen die Floren-
tiner. Zwischen ihrem Beschluß, den Stadtheiligen S. Za-
nobi durch einen neuen Sarcophag zu ehren, und der de-
finitiven Bestellung bei Ghiberti vergehen 19 Jahre (1409--
1428) und auch dann erfolgt der Auftrag nur zufällig,
weil der Meister eine kleinere ähnliche Arbeit schön vollendet
hatte 4). Vielleicht war man der Reliquien etwas über-

1) Pii II. Comment. L. VIII, p. 352, s. Verebatur Pontifex, ne
in honore tanti apostoli diminute agere videretur etc.
2) Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 187. Ludwig konnte
das Geschenk noch anbeten, starb aber dennoch. -- Die Katakomben
waren damals in Vergessenheit gerathen, doch sagt auch Savonarola,
l. c. Col. 1150 von Rom: velut ager Aceldama Sanctorum
habita est.
3) Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 905. Es
war einer der 16 Patricier, Bartol. della Volta, st. 1485.
4) Vasari III, 111, s. et N. Vita di Ghiberti.

6. Abſchnitt.ſieht es mit dieſen Dingen ſchon viel zweifelhafter aus, ohne
daß man doch einen bündigen Schluß ziehen könnte. Es iſt
bekannt, unter welchem allgemeinen Aufſehen Pius II. das
aus Griechenland zunächſt nach S. Maura geflüchtete Haupt
des Apoſtels Andreas erwarb und (1462) feierlich in S. Peter
niederlegte; allein aus ſeiner eigenen Relation geht hervor,
daß er dieß that aus einer Art von Scham, als ſchon viele
Fürſten ſich um die Reliquie bewarben. Jetzt erſt fiel es
ihm ein, Rom zu einem allgemeinen Zufluchtsort der aus
ihren Kirchen vertriebenen Reſte der Heiligen zu machen 1).
Unter Sixtus IV. war die Stadtbevölkerung in dieſen
Dingen eifriger als der Papſt, ſo daß der Magiſtrat ſich
(1483) bitter beklagte, als Sixtus dem ſterbenden Lud-
wig XI. Einiges von den lateranenſiſchen Reliquien ver-
abfolgte 2). In Bologna erhob ſich um dieſe Zeit eine
muthige Stimme, welche verlangte, man ſolle dem König
von Spanien den Schädel des h. Dominicus verkaufen und
aus dem Erlös etwas zum öffentlichen Nutzen dienendes
ſtiften 3). Die wenigſte Reliquienandacht zeigen die Floren-
tiner. Zwiſchen ihrem Beſchluß, den Stadtheiligen S. Za-
nobi durch einen neuen Sarcophag zu ehren, und der de-
finitiven Beſtellung bei Ghiberti vergehen 19 Jahre (1409—
1428) und auch dann erfolgt der Auftrag nur zufällig,
weil der Meiſter eine kleinere ähnliche Arbeit ſchön vollendet
hatte 4). Vielleicht war man der Reliquien etwas über-

1) Pii II. Comment. L. VIII, p. 352, s. Verebatur Pontifex, ne
in honore tanti apostoli diminute agere videretur etc.
2) Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 187. Ludwig konnte
das Geſchenk noch anbeten, ſtarb aber dennoch. — Die Katakomben
waren damals in Vergeſſenheit gerathen, doch ſagt auch Savonarola,
l. c. Col. 1150 von Rom: velut ager Aceldama Sanctorum
habita est.
3) Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 905. Es
war einer der 16 Patricier, Bartol. della Volta, ſt. 1485.
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[486/0496] ſieht es mit dieſen Dingen ſchon viel zweifelhafter aus, ohne daß man doch einen bündigen Schluß ziehen könnte. Es iſt bekannt, unter welchem allgemeinen Aufſehen Pius II. das aus Griechenland zunächſt nach S. Maura geflüchtete Haupt des Apoſtels Andreas erwarb und (1462) feierlich in S. Peter niederlegte; allein aus ſeiner eigenen Relation geht hervor, daß er dieß that aus einer Art von Scham, als ſchon viele Fürſten ſich um die Reliquie bewarben. Jetzt erſt fiel es ihm ein, Rom zu einem allgemeinen Zufluchtsort der aus ihren Kirchen vertriebenen Reſte der Heiligen zu machen 1). Unter Sixtus IV. war die Stadtbevölkerung in dieſen Dingen eifriger als der Papſt, ſo daß der Magiſtrat ſich (1483) bitter beklagte, als Sixtus dem ſterbenden Lud- wig XI. Einiges von den lateranenſiſchen Reliquien ver- abfolgte 2). In Bologna erhob ſich um dieſe Zeit eine muthige Stimme, welche verlangte, man ſolle dem König von Spanien den Schädel des h. Dominicus verkaufen und aus dem Erlös etwas zum öffentlichen Nutzen dienendes ſtiften 3). Die wenigſte Reliquienandacht zeigen die Floren- tiner. Zwiſchen ihrem Beſchluß, den Stadtheiligen S. Za- nobi durch einen neuen Sarcophag zu ehren, und der de- finitiven Beſtellung bei Ghiberti vergehen 19 Jahre (1409— 1428) und auch dann erfolgt der Auftrag nur zufällig, weil der Meiſter eine kleinere ähnliche Arbeit ſchön vollendet hatte 4). Vielleicht war man der Reliquien etwas über- 6. Abſchnitt. 1) Pii II. Comment. L. VIII, p. 352, s. Verebatur Pontifex, ne in honore tanti apostoli diminute agere videretur etc. 2) Jac. Volaterran. bei Murat. XXIII, Col. 187. Ludwig konnte das Geſchenk noch anbeten, ſtarb aber dennoch. — Die Katakomben waren damals in Vergeſſenheit gerathen, doch ſagt auch Savonarola, l. c. Col. 1150 von Rom: velut ager Aceldama Sanctorum habita est. 3) Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 905. Es war einer der 16 Patricier, Bartol. della Volta, ſt. 1485. 4) Vasari III, 111, s. et N. Vita di Ghiberti.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/496>, abgerufen am 25.04.2024.