Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.6. Abschnitt.Nun gab es ohnehin eine zwitterhafte Menschenclasse 1), 1) Ihr Ruf schwankte schon damals zwischen Extremen. Man muß sie von den Eremitanermönchen unterscheiden. -- Ueberhaupt waren die Grenzen in dieser Beziehung nicht fest gezogen. Die als Wunder- thäter herumziehenden Spoletiner beriefen sich immer auf San An- tonio und, ihrer Schlangen wegen, auf den Apostel Paulus. Sie brandschatzten schon seit dem XIII. Jahrh. die Bauern mit halb- geistlicher Magie und ihre Pferde waren dressirt niederzuknien wenn man San Antonio nannte. Dem Vorgeben nach sammelten sie für Hospitäler. Massuccio, Nov. 18. Bandello III, Nov. 17. Fi- renzuola in seinem asino d'oro läßt sie die Stelle der Bettel- pfaffen des Apulejus vertreten. 2) Prato, arch. stor. III, p. 357. Burigozzo, ibid. p. 431. 3) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s.
6. Abſchnitt.Nun gab es ohnehin eine zwitterhafte Menſchenclaſſe 1), 1) Ihr Ruf ſchwankte ſchon damals zwiſchen Extremen. Man muß ſie von den Eremitanermönchen unterſcheiden. — Ueberhaupt waren die Grenzen in dieſer Beziehung nicht feſt gezogen. Die als Wunder- thäter herumziehenden Spoletiner beriefen ſich immer auf San An- tonio und, ihrer Schlangen wegen, auf den Apoſtel Paulus. Sie brandſchatzten ſchon ſeit dem XIII. Jahrh. die Bauern mit halb- geiſtlicher Magie und ihre Pferde waren dreſſirt niederzuknien wenn man San Antonio nannte. Dem Vorgeben nach ſammelten ſie für Hoſpitäler. Massuccio, Nov. 18. Bandello III, Nov. 17. Fi- renzuola in ſeinem asino d'oro läßt ſie die Stelle der Bettel- pfaffen des Apulejus vertreten. 2) Prato, arch. stor. III, p. 357. Burigozzo, ibid. p. 431. 3) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s.
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Nun gab es ohnehin eine zwitterhafte Menſchenclaſſe 1),
welche weder Mönche noch Geiſtliche waren und doch der
Welt entſagt hatten, nämlich die in Italien ſehr zahlreichen
Einſiedler, und ſolche erſchienen bisweilen ohne allen Auf-
trag und riſſen die Bevölkerungen hin. Ein Fall dieſer
Art ereignete ſich zu Mailand nach der zweiten franzöſiſchen
Eroberung (1516), freilich in einer Zeit großer öffentlicher
Unordnung; ein toscaniſcher Einſiedler, vielleicht von der
Partei Savonarola's, behauptete mehrere Monate lang die
Kanzel des Domes, polemiſirte auf das Heftigſte gegen die
Hierarchie, ſtiftete einen neuen Leuchter und einen Altar im
Dom, that Wunder, und räumte nur nach heftigen Kämpfen
das Feld 2). In jenen für das Schickſal Italiens ent-
ſcheidenden Decennien erwacht überall die Weiſſagung und
dieſe läßt ſich, wo ſie vorkömmt, nirgends auf einen be-
ſtimmten Stand einſchränken. Man weiß z. B., wie vor
der Verwüſtung Roms die Einſiedler mit einem wahren
Trotze der Prophetie auftraten (S. 124). In Ermanglung
eigener Beredſamkeit ſchicken ſolche Leute auch wohl Boten
mit Symbolen wie z. B. jener Ascet bei Siena, der (1496)
ein „Eremitlein“, d. h. einen Schüler in die geängſtigte
Stadt ſandte mit einem Todtenkopf auf einem Stecken,
woran ein Zettel mit einem drohenden Bibelſpruch hing 3).
6. Abſchnitt.
Predigende
Eremiten.
1) Ihr Ruf ſchwankte ſchon damals zwiſchen Extremen. Man muß ſie
von den Eremitanermönchen unterſcheiden. — Ueberhaupt waren die
Grenzen in dieſer Beziehung nicht feſt gezogen. Die als Wunder-
thäter herumziehenden Spoletiner beriefen ſich immer auf San An-
tonio und, ihrer Schlangen wegen, auf den Apoſtel Paulus. Sie
brandſchatzten ſchon ſeit dem XIII. Jahrh. die Bauern mit halb-
geiſtlicher Magie und ihre Pferde waren dreſſirt niederzuknien wenn
man San Antonio nannte. Dem Vorgeben nach ſammelten ſie für
Hoſpitäler. Massuccio, Nov. 18. Bandello III, Nov. 17. Fi-
renzuola in ſeinem asino d'oro läßt ſie die Stelle der Bettel-
pfaffen des Apulejus vertreten.
2) Prato, arch. stor. III, p. 357. Burigozzo, ibid. p. 431.
3) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 855, s.
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