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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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6. Abschnitt.Bühne vor San Domenico degradirt worden und sollte nun
auf die Piazza zum Scheiterhaufen geführt werden, als ihn
unterwegs eine Schaar von Leuten befreite, welche der Jo-
hanniter Achille Malvezzi, ein bekannter Ketzerfreund und
Nonnenschänder, gesandt hatte. Der Legat (Cardinal Bes-
sarion) konnte hernach von den Thätern nur Einen habhaft
werden, der gehenkt wurde; Malvezzi lebte ungestört weiter 1).

Die höhern
Orden.
Es ist bemerkenswerth, daß die höhern Orden, also
die Benedictiner mit ihren Abzweigungen, trotz ihres großen
Reichthums und Wohllebens weit weniger perhorrescirt
waren als die Bettelorden; auf zehn Novellen, die von
frati handeln, kommt höchstens eine, welche einen monaco
zum Gegenstand und Opfer hat. Nicht wenig kam diesen
Orden zu Gute, daß sie älter und ohne polizeiliche Absicht
gegründet waren und sich nicht in das Privatleben ein-
mischten. Es gab darunter fromme, gelehrte und geistreiche
Leute, aber den Durchschnitt schildert einer von ihnen, Fi-
renzuola 2), wie folgt: "Diese Wohlgenährten in ihren weiten
Kutten bringen ihr Leben nicht hin mit barfüßigem Herum-
ziehen und Predigen, sondern in zierlichen Corduanpantoffeln
sitzen sie in ihren schönen Cellen mit Cypressengetäfel, und
falten die Hände über dem Bauch. Und wenn sie je ein-
mal sich von der Stelle bemühen müssen, so reiten sie ge-
mächlich auf Maulthieren und fetten Pferdchen wie zur
Erholung herum. Den Geist ermüden sie nicht zu sehr
durch Studium vieler Bücher, damit das Wissen ihnen
nicht statt ihrer mönchischen Einfalt einen Lucifershochmuth
beibringe".

Wer die Literatur jener Zeiten kennt wird zugeben,
daß hier nur das zum Verständniß des Gegenstandes

1) Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 886. cf. 896.
2) Vgl. S. 343, f. Er war Abt der Vallombrosaner. Die Stelle, hier
frei übersetzt, findet sich Opere, vol. II, p. 208 in seiner zehnten
Novelle. -- Eine einladende Schilderung des Wohllebens der Car-
thäuser in dem S. 340 citirten Commentario d'Italia, fol. 32, s.

6. Abſchnitt.Bühne vor San Domenico degradirt worden und ſollte nun
auf die Piazza zum Scheiterhaufen geführt werden, als ihn
unterwegs eine Schaar von Leuten befreite, welche der Jo-
hanniter Achille Malvezzi, ein bekannter Ketzerfreund und
Nonnenſchänder, geſandt hatte. Der Legat (Cardinal Beſ-
ſarion) konnte hernach von den Thätern nur Einen habhaft
werden, der gehenkt wurde; Malvezzi lebte ungeſtört weiter 1).

Die höhern
Orden.
Es iſt bemerkenswerth, daß die höhern Orden, alſo
die Benedictiner mit ihren Abzweigungen, trotz ihres großen
Reichthums und Wohllebens weit weniger perhorrescirt
waren als die Bettelorden; auf zehn Novellen, die von
frati handeln, kommt höchſtens eine, welche einen monaco
zum Gegenſtand und Opfer hat. Nicht wenig kam dieſen
Orden zu Gute, daß ſie älter und ohne polizeiliche Abſicht
gegründet waren und ſich nicht in das Privatleben ein-
miſchten. Es gab darunter fromme, gelehrte und geiſtreiche
Leute, aber den Durchſchnitt ſchildert einer von ihnen, Fi-
renzuola 2), wie folgt: „Dieſe Wohlgenährten in ihren weiten
Kutten bringen ihr Leben nicht hin mit barfüßigem Herum-
ziehen und Predigen, ſondern in zierlichen Corduanpantoffeln
ſitzen ſie in ihren ſchönen Cellen mit Cypreſſengetäfel, und
falten die Hände über dem Bauch. Und wenn ſie je ein-
mal ſich von der Stelle bemühen müſſen, ſo reiten ſie ge-
mächlich auf Maulthieren und fetten Pferdchen wie zur
Erholung herum. Den Geiſt ermüden ſie nicht zu ſehr
durch Studium vieler Bücher, damit das Wiſſen ihnen
nicht ſtatt ihrer mönchiſchen Einfalt einen Lucifershochmuth
beibringe“.

Wer die Literatur jener Zeiten kennt wird zugeben,
daß hier nur das zum Verſtändniß des Gegenſtandes

1) Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 886. cf. 896.
2) Vgl. S. 343, f. Er war Abt der Vallombroſaner. Die Stelle, hier
frei überſetzt, findet ſich Opere, vol. II, p. 208 in ſeiner zehnten
Novelle. — Eine einladende Schilderung des Wohllebens der Car-
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[464/0474] Bühne vor San Domenico degradirt worden und ſollte nun auf die Piazza zum Scheiterhaufen geführt werden, als ihn unterwegs eine Schaar von Leuten befreite, welche der Jo- hanniter Achille Malvezzi, ein bekannter Ketzerfreund und Nonnenſchänder, geſandt hatte. Der Legat (Cardinal Beſ- ſarion) konnte hernach von den Thätern nur Einen habhaft werden, der gehenkt wurde; Malvezzi lebte ungeſtört weiter 1). 6. Abſchnitt. Es iſt bemerkenswerth, daß die höhern Orden, alſo die Benedictiner mit ihren Abzweigungen, trotz ihres großen Reichthums und Wohllebens weit weniger perhorrescirt waren als die Bettelorden; auf zehn Novellen, die von frati handeln, kommt höchſtens eine, welche einen monaco zum Gegenſtand und Opfer hat. Nicht wenig kam dieſen Orden zu Gute, daß ſie älter und ohne polizeiliche Abſicht gegründet waren und ſich nicht in das Privatleben ein- miſchten. Es gab darunter fromme, gelehrte und geiſtreiche Leute, aber den Durchſchnitt ſchildert einer von ihnen, Fi- renzuola 2), wie folgt: „Dieſe Wohlgenährten in ihren weiten Kutten bringen ihr Leben nicht hin mit barfüßigem Herum- ziehen und Predigen, ſondern in zierlichen Corduanpantoffeln ſitzen ſie in ihren ſchönen Cellen mit Cypreſſengetäfel, und falten die Hände über dem Bauch. Und wenn ſie je ein- mal ſich von der Stelle bemühen müſſen, ſo reiten ſie ge- mächlich auf Maulthieren und fetten Pferdchen wie zur Erholung herum. Den Geiſt ermüden ſie nicht zu ſehr durch Studium vieler Bücher, damit das Wiſſen ihnen nicht ſtatt ihrer mönchiſchen Einfalt einen Lucifershochmuth beibringe“. Die höhern Orden. Wer die Literatur jener Zeiten kennt wird zugeben, daß hier nur das zum Verſtändniß des Gegenſtandes 1) Bursellis, ann. Bonon. ap. Murat. XXIII, Col. 886. cf. 896. 2) Vgl. S. 343, f. Er war Abt der Vallombroſaner. Die Stelle, hier frei überſetzt, findet ſich Opere, vol. II, p. 208 in ſeiner zehnten Novelle. — Eine einladende Schilderung des Wohllebens der Car- thäuſer in dem S. 340 citirten Commentario d'Italia, fol. 32, s.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/474>, abgerufen am 26.04.2024.