Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurzem mit diesen Orden aufgeräumt haben würde, wenn6. Abschnitt.
nicht die deutsche Reformation und die Gegenreformation
darüber gekommen wäre. Ihre populären Prediger und
ihre Heiligen hätten sie schwerlich gerettet. Es wäre nur
darauf angekommen, daß man sich mit einem Papst, der
die Bettelorden verachtete, wie z. B. Leo X., zu rechter Zeit
verabredet hätte. Wenn der Zeitgeist sie doch nur noch
entweder komisch oder abscheulich fand, so waren sie für die
Kirche weiter nichts mehr als eine Verlegenheit. Und wer
weiß, was damals dem Papstthum selber bevorstand, wenn
die Reformation es nicht gerettet hätte.

Die Machtübung, welche sich fortwährend der PaterDie dominica-
nische Inquisi-
tion.

Inquisitor eines Dominicanerklosters über die betreffende
Stadt erlaubte, war im spätern XV. Jahrhundert gerade
noch groß genug um die Gebildeten zu geniren und zu
empören, aber eine dauernde Furcht und Devotion ließ sich
nicht mehr erzwingen 1). Bloße Gesinnungen zu strafen
wie vor Zeiten (S. 285, f.) war nicht mehr möglich, und vor
eigentlichen Irrlehren konnte sich auch Derjenige leicht hüten,
der sonst gegen den ganzen Clerus als solchen die loseste
Zunge führte. Wenn nicht eine mächtige Partei mithalf
(wie bei Savonarola) oder böser Zauber bestraft werden
sollte (wie öfter in den oberitalischen Städten), so kam es
am Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts
nur noch selten bis zum Scheiterhaufen. In mehrern Fällen
begnügten sich die Inquisitoren, wie es scheint, mit höchst
oberflächlichem Wiederruf, anderemale kam es sogar vor,
daß man ihnen den Verurtheilten auf dem Gange zum
Richtplatz aus den Händen nahm. In Bologna (1452)
war der Priester Nicolo da Verona als Necromant, Teufels-
banner und Sacramentsschänder bereits auf einer hölzernen

1) Die Geschichte in Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli,
zeigt, daß man bisweilen mit der Inquisition Scherz trieb. Aller-
dings kann der hier erwähnte Vicario sowohl der des Erzbischofs als
der des dominicanischen Inquisitors gewesen sein.

Kurzem mit dieſen Orden aufgeräumt haben würde, wenn6. Abſchnitt.
nicht die deutſche Reformation und die Gegenreformation
darüber gekommen wäre. Ihre populären Prediger und
ihre Heiligen hätten ſie ſchwerlich gerettet. Es wäre nur
darauf angekommen, daß man ſich mit einem Papſt, der
die Bettelorden verachtete, wie z. B. Leo X., zu rechter Zeit
verabredet hätte. Wenn der Zeitgeiſt ſie doch nur noch
entweder komiſch oder abſcheulich fand, ſo waren ſie für die
Kirche weiter nichts mehr als eine Verlegenheit. Und wer
weiß, was damals dem Papſtthum ſelber bevorſtand, wenn
die Reformation es nicht gerettet hätte.

Die Machtübung, welche ſich fortwährend der PaterDie dominica-
niſche Inquiſi-
tion.

Inquiſitor eines Dominicanerkloſters über die betreffende
Stadt erlaubte, war im ſpätern XV. Jahrhundert gerade
noch groß genug um die Gebildeten zu geniren und zu
empören, aber eine dauernde Furcht und Devotion ließ ſich
nicht mehr erzwingen 1). Bloße Geſinnungen zu ſtrafen
wie vor Zeiten (S. 285, f.) war nicht mehr möglich, und vor
eigentlichen Irrlehren konnte ſich auch Derjenige leicht hüten,
der ſonſt gegen den ganzen Clerus als ſolchen die loſeſte
Zunge führte. Wenn nicht eine mächtige Partei mithalf
(wie bei Savonarola) oder böſer Zauber beſtraft werden
ſollte (wie öfter in den oberitaliſchen Städten), ſo kam es
am Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts
nur noch ſelten bis zum Scheiterhaufen. In mehrern Fällen
begnügten ſich die Inquiſitoren, wie es ſcheint, mit höchſt
oberflächlichem Wiederruf, anderemale kam es ſogar vor,
daß man ihnen den Verurtheilten auf dem Gange zum
Richtplatz aus den Händen nahm. In Bologna (1452)
war der Prieſter Nicolò da Verona als Necromant, Teufels-
banner und Sacramentsſchänder bereits auf einer hölzernen

1) Die Geſchichte in Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli,
zeigt, daß man bisweilen mit der Inquiſition Scherz trieb. Aller-
dings kann der hier erwähnte Vicario ſowohl der des Erzbiſchofs als
der des dominicaniſchen Inquiſitors geweſen ſein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0473" n="463"/>
Kurzem mit die&#x017F;en Orden aufgeräumt haben würde, wenn<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">6. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
nicht die deut&#x017F;che Reformation und die Gegenreformation<lb/>
darüber gekommen wäre. Ihre populären Prediger und<lb/>
ihre Heiligen hätten &#x017F;ie &#x017F;chwerlich gerettet. Es wäre nur<lb/>
darauf angekommen, daß man &#x017F;ich mit einem Pap&#x017F;t, der<lb/>
die Bettelorden verachtete, wie z. B. Leo <hi rendition="#aq">X.</hi>, zu rechter Zeit<lb/>
verabredet hätte. Wenn der Zeitgei&#x017F;t &#x017F;ie doch nur noch<lb/>
entweder komi&#x017F;ch oder ab&#x017F;cheulich fand, &#x017F;o waren &#x017F;ie für die<lb/>
Kirche weiter nichts mehr als eine Verlegenheit. Und wer<lb/>
weiß, was damals dem Pap&#x017F;tthum &#x017F;elber bevor&#x017F;tand, wenn<lb/>
die Reformation es nicht gerettet hätte.</p><lb/>
        <p>Die Machtübung, welche &#x017F;ich fortwährend der Pater<note place="right">Die dominica-<lb/>
ni&#x017F;che Inqui&#x017F;i-<lb/>
tion.</note><lb/>
Inqui&#x017F;itor eines Dominicanerklo&#x017F;ters über die betreffende<lb/>
Stadt erlaubte, war im &#x017F;pätern <hi rendition="#aq">XV.</hi> Jahrhundert gerade<lb/>
noch groß genug um die Gebildeten zu geniren und zu<lb/>
empören, aber eine dauernde Furcht und Devotion ließ &#x017F;ich<lb/>
nicht mehr erzwingen <note place="foot" n="1)">Die Ge&#x017F;chichte in <hi rendition="#aq">Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli,</hi><lb/>
zeigt, daß man bisweilen mit der Inqui&#x017F;ition Scherz trieb. Aller-<lb/>
dings kann der hier erwähnte Vicario &#x017F;owohl der des Erzbi&#x017F;chofs als<lb/>
der des dominicani&#x017F;chen Inqui&#x017F;itors gewe&#x017F;en &#x017F;ein.</note>. Bloße Ge&#x017F;innungen zu &#x017F;trafen<lb/>
wie vor Zeiten (S. 285, f.) war nicht mehr möglich, und vor<lb/>
eigentlichen Irrlehren konnte &#x017F;ich auch Derjenige leicht hüten,<lb/>
der &#x017F;on&#x017F;t gegen den ganzen Clerus als &#x017F;olchen die lo&#x017F;e&#x017F;te<lb/>
Zunge führte. Wenn nicht eine mächtige Partei mithalf<lb/>
(wie bei Savonarola) oder bö&#x017F;er Zauber be&#x017F;traft werden<lb/>
&#x017F;ollte (wie öfter in den oberitali&#x017F;chen Städten), &#x017F;o kam es<lb/>
am Ende des <hi rendition="#aq">XV.</hi> und Anfang des <hi rendition="#aq">XVI.</hi> Jahrhunderts<lb/>
nur noch &#x017F;elten bis zum Scheiterhaufen. In mehrern Fällen<lb/>
begnügten &#x017F;ich die Inqui&#x017F;itoren, wie es &#x017F;cheint, mit höch&#x017F;t<lb/>
oberflächlichem Wiederruf, anderemale kam es &#x017F;ogar vor,<lb/>
daß man ihnen den Verurtheilten auf dem Gange zum<lb/>
Richtplatz aus den Händen nahm. In Bologna (1452)<lb/>
war der Prie&#x017F;ter Nicol<hi rendition="#aq">ò</hi> da Verona als Necromant, Teufels-<lb/>
banner und Sacraments&#x017F;chänder bereits auf einer hölzernen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0473] Kurzem mit dieſen Orden aufgeräumt haben würde, wenn nicht die deutſche Reformation und die Gegenreformation darüber gekommen wäre. Ihre populären Prediger und ihre Heiligen hätten ſie ſchwerlich gerettet. Es wäre nur darauf angekommen, daß man ſich mit einem Papſt, der die Bettelorden verachtete, wie z. B. Leo X., zu rechter Zeit verabredet hätte. Wenn der Zeitgeiſt ſie doch nur noch entweder komiſch oder abſcheulich fand, ſo waren ſie für die Kirche weiter nichts mehr als eine Verlegenheit. Und wer weiß, was damals dem Papſtthum ſelber bevorſtand, wenn die Reformation es nicht gerettet hätte. 6. Abſchnitt. Die Machtübung, welche ſich fortwährend der Pater Inquiſitor eines Dominicanerkloſters über die betreffende Stadt erlaubte, war im ſpätern XV. Jahrhundert gerade noch groß genug um die Gebildeten zu geniren und zu empören, aber eine dauernde Furcht und Devotion ließ ſich nicht mehr erzwingen 1). Bloße Geſinnungen zu ſtrafen wie vor Zeiten (S. 285, f.) war nicht mehr möglich, und vor eigentlichen Irrlehren konnte ſich auch Derjenige leicht hüten, der ſonſt gegen den ganzen Clerus als ſolchen die loſeſte Zunge führte. Wenn nicht eine mächtige Partei mithalf (wie bei Savonarola) oder böſer Zauber beſtraft werden ſollte (wie öfter in den oberitaliſchen Städten), ſo kam es am Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts nur noch ſelten bis zum Scheiterhaufen. In mehrern Fällen begnügten ſich die Inquiſitoren, wie es ſcheint, mit höchſt oberflächlichem Wiederruf, anderemale kam es ſogar vor, daß man ihnen den Verurtheilten auf dem Gange zum Richtplatz aus den Händen nahm. In Bologna (1452) war der Prieſter Nicolò da Verona als Necromant, Teufels- banner und Sacramentsſchänder bereits auf einer hölzernen Die dominica- niſche Inquiſi- tion. 1) Die Geſchichte in Vasari V, p. 120, vita di Sandro Botticelli, zeigt, daß man bisweilen mit der Inquiſition Scherz trieb. Aller- dings kann der hier erwähnte Vicario ſowohl der des Erzbiſchofs als der des dominicaniſchen Inquiſitors geweſen ſein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/473
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/473>, abgerufen am 28.03.2024.