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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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kaum einen Pelegati. Etwas Anderes, obwohl auch nichts6. Abschnitt.
Rühmliches, ist es, wenn verlorene Menschen sich in die
Kutte stecken dürfen um der Justiz zu entgehen, wie z. B.
jener Corsar, den Massuccio in einem Kloster zu Neapel
kannte 1). Wie es sich mit Papst Johann XXIII. in
dieser Beziehung verhielt, ist nicht näher bekannt 2).

Die Zeit der individuell berühmten Räuberhauptleute
beginnt übrigens erst später, im XVII. Jahrhundert, als
die politischen Gegensätze, Guelfen und Ghibellinen, Spa-
nier und Franzosen, das Land nicht mehr in Bewegung
setzten; der Räuber löst den Parteigänger ab.

In gewissen Gegenden von Italien, wo die CulturVerwilderte
Bauern.

nicht hindrang, waren die Landleute permanent mörderisch
gegen Jeden von draußen, der ihnen in die Hände fiel.
So namentlich in den entlegenern Theilen des Königreiches
Neapel, wo eine uralte Verwilderung vielleicht seit der rö-
mischen Latifundienwirthschaft sich erhalten hatte, und wo
man den Fremden und den Feind, hospes und hostis,
noch in aller Unschuld für gleichbedeutend halten mochte.
Diese Leute waren gar nicht irreligiös; es kam vor, daß
ein Hirt voll Angst im Beichtstuhl erschien, um zu bekennen,
daß ihm während der Fasten beim Käsemachen ein paar
Tropfen Milch in den Mund gekommen. Freilich fragte
der sittenkundige Beichtvater bei diesem Anlaß auch noch
aus ihm heraus, daß er oft mit seinen Gefährten Reisende
beraubt und ermordet hatte, nur daß dieß als etwas Land-

1) Massuccio, Nov. 29. Es versteht sich, daß der Betreffende auch in
der Liebschaft am meisten Glück hat.
2) Wenn er in seiner Jugend als Corsar in dem Krieg der beiden Li-
nien von Anjou um Neapel auftrat, so kann er dieß als politischer
Parteigänger gethan haben, was nach damaligen Begriffen keine
Schande brachte. Der Erzbischof Paolo Fregoso von Genua hat
sich vielleicht in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts viel mehr
erlaubt.
Cultur der Renaissance. 29

kaum einen Pelegati. Etwas Anderes, obwohl auch nichts6. Abſchnitt.
Rühmliches, iſt es, wenn verlorene Menſchen ſich in die
Kutte ſtecken dürfen um der Juſtiz zu entgehen, wie z. B.
jener Corſar, den Maſſuccio in einem Kloſter zu Neapel
kannte 1). Wie es ſich mit Papſt Johann XXIII. in
dieſer Beziehung verhielt, iſt nicht näher bekannt 2).

Die Zeit der individuell berühmten Räuberhauptleute
beginnt übrigens erſt ſpäter, im XVII. Jahrhundert, als
die politiſchen Gegenſätze, Guelfen und Ghibellinen, Spa-
nier und Franzoſen, das Land nicht mehr in Bewegung
ſetzten; der Räuber löst den Parteigänger ab.

In gewiſſen Gegenden von Italien, wo die CulturVerwilderte
Bauern.

nicht hindrang, waren die Landleute permanent mörderiſch
gegen Jeden von draußen, der ihnen in die Hände fiel.
So namentlich in den entlegenern Theilen des Königreiches
Neapel, wo eine uralte Verwilderung vielleicht ſeit der rö-
miſchen Latifundienwirthſchaft ſich erhalten hatte, und wo
man den Fremden und den Feind, hospes und hostis,
noch in aller Unſchuld für gleichbedeutend halten mochte.
Dieſe Leute waren gar nicht irreligiös; es kam vor, daß
ein Hirt voll Angſt im Beichtſtuhl erſchien, um zu bekennen,
daß ihm während der Faſten beim Käſemachen ein paar
Tropfen Milch in den Mund gekommen. Freilich fragte
der ſittenkundige Beichtvater bei dieſem Anlaß auch noch
aus ihm heraus, daß er oft mit ſeinen Gefährten Reiſende
beraubt und ermordet hatte, nur daß dieß als etwas Land-

1) Massuccio, Nov. 29. Es verſteht ſich, daß der Betreffende auch in
der Liebſchaft am meiſten Glück hat.
2) Wenn er in ſeiner Jugend als Corſar in dem Krieg der beiden Li-
nien von Anjou um Neapel auftrat, ſo kann er dieß als politiſcher
Parteigänger gethan haben, was nach damaligen Begriffen keine
Schande brachte. Der Erzbiſchof Paolo Fregoſo von Genua hat
ſich vielleicht in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts viel mehr
erlaubt.
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[449/0459] kaum einen Pelegati. Etwas Anderes, obwohl auch nichts Rühmliches, iſt es, wenn verlorene Menſchen ſich in die Kutte ſtecken dürfen um der Juſtiz zu entgehen, wie z. B. jener Corſar, den Maſſuccio in einem Kloſter zu Neapel kannte 1). Wie es ſich mit Papſt Johann XXIII. in dieſer Beziehung verhielt, iſt nicht näher bekannt 2). 6. Abſchnitt. Die Zeit der individuell berühmten Räuberhauptleute beginnt übrigens erſt ſpäter, im XVII. Jahrhundert, als die politiſchen Gegenſätze, Guelfen und Ghibellinen, Spa- nier und Franzoſen, das Land nicht mehr in Bewegung ſetzten; der Räuber löst den Parteigänger ab. In gewiſſen Gegenden von Italien, wo die Cultur nicht hindrang, waren die Landleute permanent mörderiſch gegen Jeden von draußen, der ihnen in die Hände fiel. So namentlich in den entlegenern Theilen des Königreiches Neapel, wo eine uralte Verwilderung vielleicht ſeit der rö- miſchen Latifundienwirthſchaft ſich erhalten hatte, und wo man den Fremden und den Feind, hospes und hostis, noch in aller Unſchuld für gleichbedeutend halten mochte. Dieſe Leute waren gar nicht irreligiös; es kam vor, daß ein Hirt voll Angſt im Beichtſtuhl erſchien, um zu bekennen, daß ihm während der Faſten beim Käſemachen ein paar Tropfen Milch in den Mund gekommen. Freilich fragte der ſittenkundige Beichtvater bei dieſem Anlaß auch noch aus ihm heraus, daß er oft mit ſeinen Gefährten Reiſende beraubt und ermordet hatte, nur daß dieß als etwas Land- Verwilderte Bauern. 1) Massuccio, Nov. 29. Es verſteht ſich, daß der Betreffende auch in der Liebſchaft am meiſten Glück hat. 2) Wenn er in ſeiner Jugend als Corſar in dem Krieg der beiden Li- nien von Anjou um Neapel auftrat, ſo kann er dieß als politiſcher Parteigänger gethan haben, was nach damaligen Begriffen keine Schande brachte. Der Erzbiſchof Paolo Fregoſo von Genua hat ſich vielleicht in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts viel mehr erlaubt. Cultur der Renaiſſance. 29

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/459>, abgerufen am 28.11.2024.