z. B. wird der Neid mit "rauhen eisernen Zähnen", die5. Abschnitt. Gefräßigkeit als sich auf die Lippen beißend, mit wirrem struppigem Haar etc. geschildert, letzteres wahrscheinlich um sie als gleichgültig gegen alles was nicht Essen ist, zu be- zeichnen. Wie übel sich vollends die bildende Kunst bei solchen Mißverständnissen befand, können wir hier nicht erörtern. Sie durfte sich wie die Poesie glücklich schätzen, wenn die Allegorie durch eine mythologische Gestalt, d. h. durch eine vom Alterthum her vor der Absurdität gesicherte Kunstform ausgedrückt werden konnte, wenn statt des Krieges Mars, statt der Jagdlust Diana 1) etc. zu gebrauchen war.
Nun gab es in Kunst und Dichtung auch besser ge-Die Allegorie bei den Festen. lungene Allegorien, und von denjenigen Figuren dieser Art, welche bei italienischen Festzügen auftraten, wird man we- nigstens annehmen dürfen, daß das Publicum sie deutlich und sprechend characterisirt verlangte, weil es durch seine sonstige Bildung angeleitet war, dergleichen zu verstehen. Auswärts, zumal am burgundischen Hofe, ließ man sich damals noch sehr undeutsame Figuren, auch bloße Sym- bole gefallen, weil es noch eine Sache der Vornehmheit war, eingeweiht zu sein oder zu scheinen. Bei dem be- rühmten Fasanengelübde von 1453 2) ist die schöne junge Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige erfreuliche Allegorie; die colossalen Tischaufsätze mit Auto- maten und lebendigen Personen sind entweder bloße Spie- lereien oder mit einer platten moralischen Zwangsauslegung behaftet. In einer nackten weiblichen Statue am Buffet, die ein lebendiger Löwe hütete, sollte man Constantinopel und seinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund ahnen. Der Rest, mit Ausnahme einer Pantomime (Jason in Kolchis) erscheint entweder sehr tiefsinnig oder ganz sinn-
1) Letzeres z. B. in der venatio des Card. Adriano da Corneto. Es soll darin Ascanio Sforza durch das Jagdvergnügen über den Sturz seines Hauses getröstet werden. -- Vgl. S. 257.
2) Eigentlich 1454. Vgl. Olivier de la Marche, memoires, chap. 29.
z. B. wird der Neid mit „rauhen eiſernen Zähnen“, die5. Abſchnitt. Gefräßigkeit als ſich auf die Lippen beißend, mit wirrem ſtruppigem Haar ꝛc. geſchildert, letzteres wahrſcheinlich um ſie als gleichgültig gegen alles was nicht Eſſen iſt, zu be- zeichnen. Wie übel ſich vollends die bildende Kunſt bei ſolchen Mißverſtändniſſen befand, können wir hier nicht erörtern. Sie durfte ſich wie die Poeſie glücklich ſchätzen, wenn die Allegorie durch eine mythologiſche Geſtalt, d. h. durch eine vom Alterthum her vor der Abſurdität geſicherte Kunſtform ausgedrückt werden konnte, wenn ſtatt des Krieges Mars, ſtatt der Jagdluſt Diana 1) ꝛc. zu gebrauchen war.
Nun gab es in Kunſt und Dichtung auch beſſer ge-Die Allegorie bei den Feſten. lungene Allegorien, und von denjenigen Figuren dieſer Art, welche bei italieniſchen Feſtzügen auftraten, wird man we- nigſtens annehmen dürfen, daß das Publicum ſie deutlich und ſprechend characteriſirt verlangte, weil es durch ſeine ſonſtige Bildung angeleitet war, dergleichen zu verſtehen. Auswärts, zumal am burgundiſchen Hofe, ließ man ſich damals noch ſehr undeutſame Figuren, auch bloße Sym- bole gefallen, weil es noch eine Sache der Vornehmheit war, eingeweiht zu ſein oder zu ſcheinen. Bei dem be- rühmten Faſanengelübde von 1453 2) iſt die ſchöne junge Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige erfreuliche Allegorie; die coloſſalen Tiſchaufſätze mit Auto- maten und lebendigen Perſonen ſind entweder bloße Spie- lereien oder mit einer platten moraliſchen Zwangsauslegung behaftet. In einer nackten weiblichen Statue am Buffet, die ein lebendiger Löwe hütete, ſollte man Conſtantinopel und ſeinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund ahnen. Der Reſt, mit Ausnahme einer Pantomime (Jaſon in Kolchis) erſcheint entweder ſehr tiefſinnig oder ganz ſinn-
1) Letzeres z. B. in der venatio des Card. Adriano da Corneto. Es ſoll darin Ascanio Sforza durch das Jagdvergnügen über den Sturz ſeines Hauſes getröſtet werden. — Vgl. S. 257.
2) Eigentlich 1454. Vgl. Olivier de la Marche, mémoires, chap. 29.
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z. B. wird der Neid mit „rauhen eiſernen Zähnen“, die
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ſtruppigem Haar ꝛc. geſchildert, letzteres wahrſcheinlich um
ſie als gleichgültig gegen alles was nicht Eſſen iſt, zu be-
zeichnen. Wie übel ſich vollends die bildende Kunſt bei
ſolchen Mißverſtändniſſen befand, können wir hier nicht
erörtern. Sie durfte ſich wie die Poeſie glücklich ſchätzen,
wenn die Allegorie durch eine mythologiſche Geſtalt, d. h.
durch eine vom Alterthum her vor der Abſurdität geſicherte
Kunſtform ausgedrückt werden konnte, wenn ſtatt des Krieges
Mars, ſtatt der Jagdluſt Diana 1) ꝛc. zu gebrauchen war.
5. Abſchnitt.
Nun gab es in Kunſt und Dichtung auch beſſer ge-
lungene Allegorien, und von denjenigen Figuren dieſer Art,
welche bei italieniſchen Feſtzügen auftraten, wird man we-
nigſtens annehmen dürfen, daß das Publicum ſie deutlich
und ſprechend characteriſirt verlangte, weil es durch ſeine
ſonſtige Bildung angeleitet war, dergleichen zu verſtehen.
Auswärts, zumal am burgundiſchen Hofe, ließ man ſich
damals noch ſehr undeutſame Figuren, auch bloße Sym-
bole gefallen, weil es noch eine Sache der Vornehmheit
war, eingeweiht zu ſein oder zu ſcheinen. Bei dem be-
rühmten Faſanengelübde von 1453 2) iſt die ſchöne junge
Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige
erfreuliche Allegorie; die coloſſalen Tiſchaufſätze mit Auto-
maten und lebendigen Perſonen ſind entweder bloße Spie-
lereien oder mit einer platten moraliſchen Zwangsauslegung
behaftet. In einer nackten weiblichen Statue am Buffet,
die ein lebendiger Löwe hütete, ſollte man Conſtantinopel
und ſeinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund
ahnen. Der Reſt, mit Ausnahme einer Pantomime (Jaſon
in Kolchis) erſcheint entweder ſehr tiefſinnig oder ganz ſinn-
Die Allegorie
bei den Feſten.
1) Letzeres z. B. in der venatio des Card. Adriano da Corneto. Es
ſoll darin Ascanio Sforza durch das Jagdvergnügen über den Sturz
ſeines Hauſes getröſtet werden. — Vgl. S. 257.
2) Eigentlich 1454. Vgl. Olivier de la Marche, mémoires, chap. 29.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/415>, abgerufen am 23.11.2024.
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