eine Novelle erzählt; endlich das Abendessen und heitere5. Abschnitt. Gespräche "von solcher Art, daß sie für uns Frauen noch "schicklich heißen können und bei euch Männern nicht vom "Weine eingegeben scheinen müssen". Bandello giebt in den Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen No- vellen zwar nicht solche Einweihungsreden, indem die ver- schiedenen Gesellschaften, vor welchen seine Geschichten er- zählt werden, bereits als gegebene Kreise existiren, allein er läßt auf andere Weise errathen, wie reich, vielartig und anmuthig die gesellschaftlichen Voraussetzungen waren. Manche Leser werden denken, an einer Gesellschaft, welche so unmoralische Erzählungen anzuhören im Stande war, sei nichts zu verlieren noch zu gewinnen. Richtiger möchte der Satz so lauten: auf welchen sichern Grundlagen mußte eine Geselligkeit ruhen, die trotz jener Historien nicht aus den äußern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die zwischen hinein wieder der ernsten Discussion und Berathung fähig war. Das Bedürfniß nach höhern Formen des Um- ganges war eben stärker als Alles. Man braucht dabei nicht die sehr idealisirte Gesellschaft als Maßstab zu nehmen, welche Castiglione am Hofe Guidobaldo's von Urbino, Pietro Bembo auf dem Schloß Asolo selbst über die höch- sten Gefühle und Lebenszwecke reflectiren lassen. Gerade die Gesellschaft eines Bandello mit sammt den Frivolitäten, die sie sich bieten läßt, giebt den besten Maßstab für den vornehm leichten Anstand, für das Großweltswohlwollen und den echten Freisinn, auch für den Geist und den zier- lichen poetischen und andern Dilettantismus, der diese Kreise belebte. Ein bedeutender Wink für den Werth einer solchen Geselligkeit liegt besonders darin, daß die Damen, welche deren Mittelpuncte bildeten, damit berühmt und hochgeachtet wurden ohne daß es ihrem Ruf im Geringsten schadete. Von den Gönnerinnen Bandello's z. B. ist wohl IsabellaDie großen Damen. Gonzaga, geborne Este (S. 44) durch ihren Hof von
eine Novelle erzählt; endlich das Abendeſſen und heitere5. Abſchnitt. Geſpräche „von ſolcher Art, daß ſie für uns Frauen noch „ſchicklich heißen können und bei euch Männern nicht vom „Weine eingegeben ſcheinen müſſen“. Bandello giebt in den Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen No- vellen zwar nicht ſolche Einweihungsreden, indem die ver- ſchiedenen Geſellſchaften, vor welchen ſeine Geſchichten er- zählt werden, bereits als gegebene Kreiſe exiſtiren, allein er läßt auf andere Weiſe errathen, wie reich, vielartig und anmuthig die geſellſchaftlichen Vorausſetzungen waren. Manche Leſer werden denken, an einer Geſellſchaft, welche ſo unmoraliſche Erzählungen anzuhören im Stande war, ſei nichts zu verlieren noch zu gewinnen. Richtiger möchte der Satz ſo lauten: auf welchen ſichern Grundlagen mußte eine Geſelligkeit ruhen, die trotz jener Hiſtorien nicht aus den äußern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die zwiſchen hinein wieder der ernſten Discuſſion und Berathung fähig war. Das Bedürfniß nach höhern Formen des Um- ganges war eben ſtärker als Alles. Man braucht dabei nicht die ſehr idealiſirte Geſellſchaft als Maßſtab zu nehmen, welche Caſtiglione am Hofe Guidobaldo's von Urbino, Pietro Bembo auf dem Schloß Aſolo ſelbſt über die höch- ſten Gefühle und Lebenszwecke reflectiren laſſen. Gerade die Geſellſchaft eines Bandello mit ſammt den Frivolitäten, die ſie ſich bieten läßt, giebt den beſten Maßſtab für den vornehm leichten Anſtand, für das Großweltswohlwollen und den echten Freiſinn, auch für den Geiſt und den zier- lichen poetiſchen und andern Dilettantismus, der dieſe Kreiſe belebte. Ein bedeutender Wink für den Werth einer ſolchen Geſelligkeit liegt beſonders darin, daß die Damen, welche deren Mittelpuncte bildeten, damit berühmt und hochgeachtet wurden ohne daß es ihrem Ruf im Geringſten ſchadete. Von den Gönnerinnen Bandello's z. B. iſt wohl IſabellaDie großen Damen. Gonzaga, geborne Eſte (S. 44) durch ihren Hof von
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0391"n="381"/>
eine Novelle erzählt; endlich das Abendeſſen und heitere<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">5. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
Geſpräche „von ſolcher Art, daß ſie für uns Frauen noch<lb/>„ſchicklich heißen können und bei euch Männern nicht vom<lb/>„Weine eingegeben ſcheinen müſſen“. Bandello giebt in<lb/>
den Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen No-<lb/>
vellen zwar nicht ſolche Einweihungsreden, indem die ver-<lb/>ſchiedenen Geſellſchaften, vor welchen ſeine Geſchichten er-<lb/>
zählt werden, bereits als gegebene Kreiſe exiſtiren, allein<lb/>
er läßt auf andere Weiſe errathen, wie reich, vielartig und<lb/>
anmuthig die geſellſchaftlichen Vorausſetzungen waren.<lb/>
Manche Leſer werden denken, an einer Geſellſchaft, welche<lb/>ſo unmoraliſche Erzählungen anzuhören im Stande war,<lb/>ſei nichts zu verlieren noch zu gewinnen. Richtiger möchte<lb/>
der Satz ſo lauten: auf welchen ſichern Grundlagen mußte<lb/>
eine Geſelligkeit ruhen, die trotz jener Hiſtorien nicht aus<lb/>
den äußern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die<lb/>
zwiſchen hinein wieder der ernſten Discuſſion und Berathung<lb/>
fähig war. Das Bedürfniß nach höhern Formen des Um-<lb/>
ganges war eben ſtärker als Alles. Man braucht dabei<lb/>
nicht die ſehr idealiſirte Geſellſchaft als Maßſtab zu nehmen,<lb/>
welche Caſtiglione am Hofe Guidobaldo's von Urbino,<lb/>
Pietro Bembo auf dem Schloß Aſolo ſelbſt über die höch-<lb/>ſten Gefühle und Lebenszwecke reflectiren laſſen. Gerade<lb/>
die Geſellſchaft eines Bandello mit ſammt den Frivolitäten,<lb/>
die ſie ſich bieten läßt, giebt den beſten Maßſtab für den<lb/>
vornehm leichten Anſtand, für das Großweltswohlwollen<lb/>
und den echten Freiſinn, auch für den Geiſt und den zier-<lb/>
lichen poetiſchen und andern Dilettantismus, der dieſe Kreiſe<lb/>
belebte. Ein bedeutender Wink für den Werth einer ſolchen<lb/>
Geſelligkeit liegt beſonders darin, daß die Damen, welche<lb/>
deren Mittelpuncte bildeten, damit berühmt und hochgeachtet<lb/>
wurden ohne daß es ihrem Ruf im Geringſten ſchadete.<lb/>
Von den Gönnerinnen Bandello's z. B. iſt wohl Iſabella<noteplace="right">Die großen<lb/>
Damen.</note><lb/>
Gonzaga, geborne Eſte (S. 44) durch ihren Hof von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[381/0391]
eine Novelle erzählt; endlich das Abendeſſen und heitere
Geſpräche „von ſolcher Art, daß ſie für uns Frauen noch
„ſchicklich heißen können und bei euch Männern nicht vom
„Weine eingegeben ſcheinen müſſen“. Bandello giebt in
den Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen No-
vellen zwar nicht ſolche Einweihungsreden, indem die ver-
ſchiedenen Geſellſchaften, vor welchen ſeine Geſchichten er-
zählt werden, bereits als gegebene Kreiſe exiſtiren, allein
er läßt auf andere Weiſe errathen, wie reich, vielartig und
anmuthig die geſellſchaftlichen Vorausſetzungen waren.
Manche Leſer werden denken, an einer Geſellſchaft, welche
ſo unmoraliſche Erzählungen anzuhören im Stande war,
ſei nichts zu verlieren noch zu gewinnen. Richtiger möchte
der Satz ſo lauten: auf welchen ſichern Grundlagen mußte
eine Geſelligkeit ruhen, die trotz jener Hiſtorien nicht aus
den äußern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die
zwiſchen hinein wieder der ernſten Discuſſion und Berathung
fähig war. Das Bedürfniß nach höhern Formen des Um-
ganges war eben ſtärker als Alles. Man braucht dabei
nicht die ſehr idealiſirte Geſellſchaft als Maßſtab zu nehmen,
welche Caſtiglione am Hofe Guidobaldo's von Urbino,
Pietro Bembo auf dem Schloß Aſolo ſelbſt über die höch-
ſten Gefühle und Lebenszwecke reflectiren laſſen. Gerade
die Geſellſchaft eines Bandello mit ſammt den Frivolitäten,
die ſie ſich bieten läßt, giebt den beſten Maßſtab für den
vornehm leichten Anſtand, für das Großweltswohlwollen
und den echten Freiſinn, auch für den Geiſt und den zier-
lichen poetiſchen und andern Dilettantismus, der dieſe Kreiſe
belebte. Ein bedeutender Wink für den Werth einer ſolchen
Geſelligkeit liegt beſonders darin, daß die Damen, welche
deren Mittelpuncte bildeten, damit berühmt und hochgeachtet
wurden ohne daß es ihrem Ruf im Geringſten ſchadete.
Von den Gönnerinnen Bandello's z. B. iſt wohl Iſabella
Gonzaga, geborne Eſte (S. 44) durch ihren Hof von
5. Abſchnitt.
Die großen
Damen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/391>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.