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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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4. Abschnitt.ein sanftes, dem Bräunlichen zugeneigtes Gelb versteht.
Firenzuola's
Ideal.
Ferner verlangt er das Haar dicht, lockig und lang, die
Stirn heiter und doppelt so breit als hoch, die Haut hell
leuchtend (candido), aber nicht von todter Weiße (bian-
chezza)
, die Braunen dunkel, seidenweich, in der Mitte
am stärksten und gegen Nase und Ohr abnehmend, das
Weiße im Auge leise bläulich, die Iris nicht gerade schwarz,
obwohl alle Dichter nach occhi neri als einer Gabe der
Venus schreien, während doch das Himmelblau selbst Göt-
tinnen eigen gewesen und das sanfte, fröhlich blickende
Dunkelbraun allbeliebt sei. Das Auge selbst soll groß ge-
bildet sein und vortreten; die Lider sind weiß mit kaum
sichtbaren rothen Aederchen am schönsten; die Wimpern
weder zu dicht noch zu lang, noch zu dunkel. Die Augen-
höhle muß die Farbe der Wangen haben 1). Das Ohr,
von mittlerer Größe, fest und wohl angesetzt, muß in den

1) Bei diesem Anlaß Etwas über das Auge der Lucrezia Borgia, aus
den Distichen eines ferraresischen Hofpoeten, Ercole Strozza. (Strozii
poetae, p. 85. 86)
. Die Macht ihres Blickes wird auf eine Weise
bezeichnet, die nur in einer künstlerischen Zeit erklärlich ist, und die
man sich jetzt verbitten würde. Bald heißt dieß Auge entflammend,
bald versteinernd. Wer die Sonne lange ansieht, wird blind; wer
Medusa betrachtete, wurde Stein; wer aber Lucrezien's Angesicht
schaut:
Fit primo intuitu caecus et inde lapis.
Ja der marmorne schlafende Cupido in ihren Sälen soll von ihrem
Blick versteinert sein:
Lumine Borgiados saxificatus Amor.
Man kann nun darüber streiten, ob der sogenannte praxitelische oder
derjenige von Michelangelo gemeint sei, da sie beide besaß.
Und derselbe Blick erschien einem andern Dichter, dem Marcello
Filosseno, nur mild und stolz, mansueto e altero. (Roscoe,
Leone X, ed. Bossi, VII, p. 306)
.
Vergleichungen mit antiken Idealgestalten kommen damals nicht
selten ver (S. 31, 183). Von einem zehnjährigen Knaben heißt es im
Orlandino (II, Str. 47): er hat einen antiken Kopf, ed ha capo
romano
.

4. Abſchnitt.ein ſanftes, dem Bräunlichen zugeneigtes Gelb verſteht.
Firenzuola's
Ideal.
Ferner verlangt er das Haar dicht, lockig und lang, die
Stirn heiter und doppelt ſo breit als hoch, die Haut hell
leuchtend (candido), aber nicht von todter Weiße (bian-
chezza)
, die Braunen dunkel, ſeidenweich, in der Mitte
am ſtärkſten und gegen Naſe und Ohr abnehmend, das
Weiße im Auge leiſe bläulich, die Iris nicht gerade ſchwarz,
obwohl alle Dichter nach occhi neri als einer Gabe der
Venus ſchreien, während doch das Himmelblau ſelbſt Göt-
tinnen eigen geweſen und das ſanfte, fröhlich blickende
Dunkelbraun allbeliebt ſei. Das Auge ſelbſt ſoll groß ge-
bildet ſein und vortreten; die Lider ſind weiß mit kaum
ſichtbaren rothen Aederchen am ſchönſten; die Wimpern
weder zu dicht noch zu lang, noch zu dunkel. Die Augen-
höhle muß die Farbe der Wangen haben 1). Das Ohr,
von mittlerer Größe, feſt und wohl angeſetzt, muß in den

1) Bei dieſem Anlaß Etwas über das Auge der Lucrezia Borgia, aus
den Diſtichen eines ferrareſiſchen Hofpoeten, Ercole Strozza. (Strozii
poetæ, p. 85. 86)
. Die Macht ihres Blickes wird auf eine Weiſe
bezeichnet, die nur in einer künſtleriſchen Zeit erklärlich iſt, und die
man ſich jetzt verbitten würde. Bald heißt dieß Auge entflammend,
bald verſteinernd. Wer die Sonne lange anſieht, wird blind; wer
Meduſa betrachtete, wurde Stein; wer aber Lucrezien's Angeſicht
ſchaut:
Fit primo intuitu cæcus et inde lapis.
Ja der marmorne ſchlafende Cupido in ihren Sälen ſoll von ihrem
Blick verſteinert ſein:
Lumine Borgiados saxificatus Amor.
Man kann nun darüber ſtreiten, ob der ſogenannte praxiteliſche oder
derjenige von Michelangelo gemeint ſei, da ſie beide beſaß.
Und derſelbe Blick erſchien einem andern Dichter, dem Marcello
Filoſſeno, nur mild und ſtolz, mansueto e altero. (Roscoe,
Leone X, ed. Bossi, VII, p. 306)
.
Vergleichungen mit antiken Idealgeſtalten kommen damals nicht
ſelten ver (S. 31, 183). Von einem zehnjährigen Knaben heißt es im
Orlandino (II, Str. 47): er hat einen antiken Kopf, ed ha capo
romano
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[344/0354] ein ſanftes, dem Bräunlichen zugeneigtes Gelb verſteht. Ferner verlangt er das Haar dicht, lockig und lang, die Stirn heiter und doppelt ſo breit als hoch, die Haut hell leuchtend (candido), aber nicht von todter Weiße (bian- chezza), die Braunen dunkel, ſeidenweich, in der Mitte am ſtärkſten und gegen Naſe und Ohr abnehmend, das Weiße im Auge leiſe bläulich, die Iris nicht gerade ſchwarz, obwohl alle Dichter nach occhi neri als einer Gabe der Venus ſchreien, während doch das Himmelblau ſelbſt Göt- tinnen eigen geweſen und das ſanfte, fröhlich blickende Dunkelbraun allbeliebt ſei. Das Auge ſelbſt ſoll groß ge- bildet ſein und vortreten; die Lider ſind weiß mit kaum ſichtbaren rothen Aederchen am ſchönſten; die Wimpern weder zu dicht noch zu lang, noch zu dunkel. Die Augen- höhle muß die Farbe der Wangen haben 1). Das Ohr, von mittlerer Größe, feſt und wohl angeſetzt, muß in den 4. Abſchnitt. Firenzuola's Ideal. 1) Bei dieſem Anlaß Etwas über das Auge der Lucrezia Borgia, aus den Diſtichen eines ferrareſiſchen Hofpoeten, Ercole Strozza. (Strozii poetæ, p. 85. 86). Die Macht ihres Blickes wird auf eine Weiſe bezeichnet, die nur in einer künſtleriſchen Zeit erklärlich iſt, und die man ſich jetzt verbitten würde. Bald heißt dieß Auge entflammend, bald verſteinernd. Wer die Sonne lange anſieht, wird blind; wer Meduſa betrachtete, wurde Stein; wer aber Lucrezien's Angeſicht ſchaut: Fit primo intuitu cæcus et inde lapis. Ja der marmorne ſchlafende Cupido in ihren Sälen ſoll von ihrem Blick verſteinert ſein: Lumine Borgiados saxificatus Amor. Man kann nun darüber ſtreiten, ob der ſogenannte praxiteliſche oder derjenige von Michelangelo gemeint ſei, da ſie beide beſaß. Und derſelbe Blick erſchien einem andern Dichter, dem Marcello Filoſſeno, nur mild und ſtolz, mansueto e altero. (Roscoe, Leone X, ed. Bossi, VII, p. 306). Vergleichungen mit antiken Idealgeſtalten kommen damals nicht ſelten ver (S. 31, 183). Von einem zehnjährigen Knaben heißt es im Orlandino (II, Str. 47): er hat einen antiken Kopf, ed ha capo romano.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/354>, abgerufen am 23.11.2024.