4. Abschnitt."Vergnügungen hingebracht wird". D. h. der Pomp hat die Tragödie tödten helfen.
Die einzelnen Anläufe und Versuche dieser modernen Tragiker, worunter die Sofonisba des Trissino (1515) den größten Ruhm gewann, gehören in die Literaturgeschichte. und Comödie.Und auch von der vornehmern, dem Plautus und Terenz nachgebildeten Comödie läßt sich dasselbe sagen. Selbst ein Ariost konnte in dieser Gattung nichts Ausgezeichnetes leisten. Dagegen hätte die populäre Comödie in Prosa, wie sie Macchiavelli, Bibiena, Aretino behandelten, gar wohl eine Zukunft haben können, wenn sie nicht um ihres Inhaltes willen dem Untergang verfallen gewesen wäre. Dieser war nämlich einstweilen theils äußerst unsittlich, theils gegen einzelne Stände gerichtet, welche sich seit etwa 1540 nicht mehr eine so öffentliche Feindschaft bieten ließen. Wenn in der Sofonisba die Characteristik vor einer glanz- vollen Declamation hatte weichen müssen, so war sie hier, nebst ihrer Stiefschwester, der Caricatur, nur zu rücksichts- los gehandhabt gewesen.
Nun dauert das Dichten von Tragödien und Comö- dien unaufhörlich fort, und auch an zahlreichen wirklichen Aufführungen antiker und moderner Stücke fehlt es fort- während nicht, allein man nimmt davon nur Anlaß und Gelegenheit, um bei Festen die standesmäßige Pracht zu entwickeln, und der Genius der Nation hat sich davon als von einer lebendigen Gattung völlig abgewandt. Sobald Schäferspiel und Oper auftraten, konnte man jene Ver- suche vollends entbehren.
Masken- comödie.National war und blieb nun nur Eine Gattung: die ungeschriebene Commedia dell' Arte, welche nach einem vor- liegenden Scenarium improvisirt wurde. Sie kommt der höhern Characteristik deßhalb nicht sonderlich zu Gute, weil sie wenige und feststehende Masken hat, deren Character Jedermann auswendig weiß. Die Begabung der Nation aber neigte so sehr nach dieser Gattung hin, daß man auch
4. Abſchnitt.„Vergnügungen hingebracht wird“. D. h. der Pomp hat die Tragödie tödten helfen.
Die einzelnen Anläufe und Verſuche dieſer modernen Tragiker, worunter die Sofonisba des Triſſino (1515) den größten Ruhm gewann, gehören in die Literaturgeſchichte. und Comödie.Und auch von der vornehmern, dem Plautus und Terenz nachgebildeten Comödie läßt ſich daſſelbe ſagen. Selbſt ein Arioſt konnte in dieſer Gattung nichts Ausgezeichnetes leiſten. Dagegen hätte die populäre Comödie in Proſa, wie ſie Macchiavelli, Bibiena, Aretino behandelten, gar wohl eine Zukunft haben können, wenn ſie nicht um ihres Inhaltes willen dem Untergang verfallen geweſen wäre. Dieſer war nämlich einſtweilen theils äußerſt unſittlich, theils gegen einzelne Stände gerichtet, welche ſich ſeit etwa 1540 nicht mehr eine ſo öffentliche Feindſchaft bieten ließen. Wenn in der Sofonisba die Characteriſtik vor einer glanz- vollen Declamation hatte weichen müſſen, ſo war ſie hier, nebſt ihrer Stiefſchweſter, der Caricatur, nur zu rückſichts- los gehandhabt geweſen.
Nun dauert das Dichten von Tragödien und Comö- dien unaufhörlich fort, und auch an zahlreichen wirklichen Aufführungen antiker und moderner Stücke fehlt es fort- während nicht, allein man nimmt davon nur Anlaß und Gelegenheit, um bei Feſten die ſtandesmäßige Pracht zu entwickeln, und der Genius der Nation hat ſich davon als von einer lebendigen Gattung völlig abgewandt. Sobald Schäferſpiel und Oper auftraten, konnte man jene Ver- ſuche vollends entbehren.
Masken- comödie.National war und blieb nun nur Eine Gattung: die ungeſchriebene Commedia dell' Arte, welche nach einem vor- liegenden Scenarium improviſirt wurde. Sie kommt der höhern Characteriſtik deßhalb nicht ſonderlich zu Gute, weil ſie wenige und feſtſtehende Masken hat, deren Character Jedermann auswendig weiß. Die Begabung der Nation aber neigte ſo ſehr nach dieſer Gattung hin, daß man auch
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„Vergnügungen hingebracht wird“. D. h. der Pomp hat
die Tragödie tödten helfen.
4. Abſchnitt.
Die einzelnen Anläufe und Verſuche dieſer modernen
Tragiker, worunter die Sofonisba des Triſſino (1515) den
größten Ruhm gewann, gehören in die Literaturgeſchichte.
Und auch von der vornehmern, dem Plautus und Terenz
nachgebildeten Comödie läßt ſich daſſelbe ſagen. Selbſt ein
Arioſt konnte in dieſer Gattung nichts Ausgezeichnetes
leiſten. Dagegen hätte die populäre Comödie in Proſa,
wie ſie Macchiavelli, Bibiena, Aretino behandelten, gar
wohl eine Zukunft haben können, wenn ſie nicht um ihres
Inhaltes willen dem Untergang verfallen geweſen wäre.
Dieſer war nämlich einſtweilen theils äußerſt unſittlich,
theils gegen einzelne Stände gerichtet, welche ſich ſeit etwa
1540 nicht mehr eine ſo öffentliche Feindſchaft bieten ließen.
Wenn in der Sofonisba die Characteriſtik vor einer glanz-
vollen Declamation hatte weichen müſſen, ſo war ſie hier,
nebſt ihrer Stiefſchweſter, der Caricatur, nur zu rückſichts-
los gehandhabt geweſen.
und Comödie.
Nun dauert das Dichten von Tragödien und Comö-
dien unaufhörlich fort, und auch an zahlreichen wirklichen
Aufführungen antiker und moderner Stücke fehlt es fort-
während nicht, allein man nimmt davon nur Anlaß und
Gelegenheit, um bei Feſten die ſtandesmäßige Pracht zu
entwickeln, und der Genius der Nation hat ſich davon als
von einer lebendigen Gattung völlig abgewandt. Sobald
Schäferſpiel und Oper auftraten, konnte man jene Ver-
ſuche vollends entbehren.
National war und blieb nun nur Eine Gattung: die
ungeſchriebene Commedia dell' Arte, welche nach einem vor-
liegenden Scenarium improviſirt wurde. Sie kommt der
höhern Characteriſtik deßhalb nicht ſonderlich zu Gute, weil
ſie wenige und feſtſtehende Masken hat, deren Character
Jedermann auswendig weiß. Die Begabung der Nation
aber neigte ſo ſehr nach dieſer Gattung hin, daß man auch
Masken-
comödie.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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