Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

4. Abschnitt.Person den erlauchten Gästen die 110 Costüme, welche zur
Aufführung von fünf plautinischen Comödien dienen sollten,
damit man sehe, daß keines zweimal diene 1). Aber was
wollte dieser Luxus von Taffet und Kamelot sagen im Ver-
gleich mit der Ausstattung der Ballette und Pantomimen,
welche als Zwischenacte der plautinischen Stücke aufgeführt
wurden. Daß Plautus daneben einer lebhaften jungen
Dame wie Isabella Gonzaga schmerzlich langweilig vorkam
und daß Jedermann sich während des Drama's nach den
Zwischenacten sehnte, ist begreiflich sobald man den bunten
Glanz derselben in Betracht zieht. Da gab es Kämpfe
römischer Krieger, welche ihre antiken Waffen kunstgerecht
zum Tacte der Musik bewegten, Fackeltänze von Mohren,
einen Tanz von wilden Männern mit Füllhörnern, aus
welchen flüssiges Feuer sprühte; sie bildeten das Ballet zu
einer Pantomime, welche die Rettung eines Mädchens von
einem Drachen darstellte. Dann tanzten Narren in Pull-
cinelltracht und schlugen einander mit Schweinsblasen, u.
Das Ballett.dgl. m. Es war eine zugestandene Sache am Hofe von
Ferrara, daß jede Comödie "ihr" Ballet (moresca) habe 2).
Wie man sich vollends die Aufführung des plautinischen
Amphitruo daselbst (1491, bei Alfonso's erster Vermählung
mit Anna Sforza) zu denken habe, ob vielleicht schon mehr
als Pantomime mit Musik, denn als Drama, bleibt zweifel-
haft3). Das Eingelegte überwog jedenfalls das Stück
selber; da sah man, von einem rauschenden Orchester be-

1) Isabella Gonzaga an ihren Gemahl, 3. Febr. 1502, Arch. stor.
Append. II, p. 306, s.
-- Bei den französischen Mysteres mar-
schirten die Schauspieler selbst vorher in Procession auf, was man
la montre hieß.
2) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 404. Andere Stellen
über das dortige Theaterwesen Col. 278. 279. 282 bis 285. 361.
380. 381. 393. 397.
3) Strozii poetae, p. 232, im IV. Buch der Aeolosticha des Tito
Strozza.

4. Abſchnitt.Perſon den erlauchten Gäſten die 110 Coſtüme, welche zur
Aufführung von fünf plautiniſchen Comödien dienen ſollten,
damit man ſehe, daß keines zweimal diene 1). Aber was
wollte dieſer Luxus von Taffet und Kamelot ſagen im Ver-
gleich mit der Ausſtattung der Ballette und Pantomimen,
welche als Zwiſchenacte der plautiniſchen Stücke aufgeführt
wurden. Daß Plautus daneben einer lebhaften jungen
Dame wie Iſabella Gonzaga ſchmerzlich langweilig vorkam
und daß Jedermann ſich während des Drama's nach den
Zwiſchenacten ſehnte, iſt begreiflich ſobald man den bunten
Glanz derſelben in Betracht zieht. Da gab es Kämpfe
römiſcher Krieger, welche ihre antiken Waffen kunſtgerecht
zum Tacte der Muſik bewegten, Fackeltänze von Mohren,
einen Tanz von wilden Männern mit Füllhörnern, aus
welchen flüſſiges Feuer ſprühte; ſie bildeten das Ballet zu
einer Pantomime, welche die Rettung eines Mädchens von
einem Drachen darſtellte. Dann tanzten Narren in Pull-
cinelltracht und ſchlugen einander mit Schweinsblaſen, u.
Das Ballett.dgl. m. Es war eine zugeſtandene Sache am Hofe von
Ferrara, daß jede Comödie „ihr“ Ballet (moresca) habe 2).
Wie man ſich vollends die Aufführung des plautiniſchen
Amphitruo daſelbſt (1491, bei Alfonſo's erſter Vermählung
mit Anna Sforza) zu denken habe, ob vielleicht ſchon mehr
als Pantomime mit Muſik, denn als Drama, bleibt zweifel-
haft3). Das Eingelegte überwog jedenfalls das Stück
ſelber; da ſah man, von einem rauſchenden Orcheſter be-

1) Iſabella Gonzaga an ihren Gemahl, 3. Febr. 1502, Arch. stor.
Append. II, p. 306, s.
— Bei den franzöſiſchen Myſtères mar-
ſchirten die Schauſpieler ſelbſt vorher in Proceſſion auf, was man
la montre hieß.
2) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 404. Andere Stellen
über das dortige Theaterweſen Col. 278. 279. 282 bis 285. 361.
380. 381. 393. 397.
3) Strozii poetæ, p. 232, im IV. Buch der Aeoloſticha des Tito
Strozza.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0326" n="316"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">4. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>Per&#x017F;on den erlauchten Gä&#x017F;ten die 110 Co&#x017F;tüme, welche zur<lb/>
Aufführung von fünf plautini&#x017F;chen Comödien dienen &#x017F;ollten,<lb/>
damit man &#x017F;ehe, daß keines zweimal diene <note place="foot" n="1)">I&#x017F;abella Gonzaga an ihren Gemahl, 3. Febr. 1502, <hi rendition="#aq">Arch. stor.<lb/>
Append. II, p. 306, s.</hi> &#x2014; Bei den franzö&#x017F;i&#x017F;chen My&#x017F;t<hi rendition="#aq">è</hi>res mar-<lb/>
&#x017F;chirten die Schau&#x017F;pieler &#x017F;elb&#x017F;t vorher in Proce&#x017F;&#x017F;ion auf, was man<lb/><hi rendition="#aq">la montre</hi> hieß.</note>. Aber was<lb/>
wollte die&#x017F;er Luxus von Taffet und Kamelot &#x017F;agen im Ver-<lb/>
gleich mit der Aus&#x017F;tattung der Ballette und Pantomimen,<lb/>
welche als Zwi&#x017F;chenacte der plautini&#x017F;chen Stücke aufgeführt<lb/>
wurden. Daß Plautus daneben einer lebhaften jungen<lb/>
Dame wie I&#x017F;abella Gonzaga &#x017F;chmerzlich langweilig vorkam<lb/>
und daß Jedermann &#x017F;ich während des Drama's nach den<lb/>
Zwi&#x017F;chenacten &#x017F;ehnte, i&#x017F;t begreiflich &#x017F;obald man den bunten<lb/>
Glanz der&#x017F;elben in Betracht zieht. Da gab es Kämpfe<lb/>
römi&#x017F;cher Krieger, welche ihre antiken Waffen kun&#x017F;tgerecht<lb/>
zum Tacte der Mu&#x017F;ik bewegten, Fackeltänze von Mohren,<lb/>
einen Tanz von wilden Männern mit Füllhörnern, aus<lb/>
welchen flü&#x017F;&#x017F;iges Feuer &#x017F;prühte; &#x017F;ie bildeten das Ballet zu<lb/>
einer Pantomime, welche die Rettung eines Mädchens von<lb/>
einem Drachen dar&#x017F;tellte. Dann tanzten Narren in Pull-<lb/>
cinelltracht und &#x017F;chlugen einander mit Schweinsbla&#x017F;en, u.<lb/><note place="left">Das Ballett.</note>dgl. m. Es war eine zuge&#x017F;tandene Sache am Hofe von<lb/>
Ferrara, daß jede Comödie &#x201E;ihr&#x201C; Ballet (<hi rendition="#aq">moresca</hi>) habe <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Diario Ferrarese,</hi> bei <hi rendition="#aq">Murat. XXIV, Col. 404.</hi> Andere Stellen<lb/>
über das dortige Theaterwe&#x017F;en <hi rendition="#aq">Col.</hi> 278. 279. 282 bis 285. 361.<lb/>
380. 381. 393. 397.</note>.<lb/>
Wie man &#x017F;ich vollends die Aufführung des plautini&#x017F;chen<lb/>
Amphitruo da&#x017F;elb&#x017F;t (1491, bei Alfon&#x017F;o's er&#x017F;ter Vermählung<lb/>
mit Anna Sforza) zu denken habe, ob vielleicht &#x017F;chon mehr<lb/>
als Pantomime mit Mu&#x017F;ik, denn als Drama, bleibt zweifel-<lb/>
haft<note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Strozii poetæ, p. 232,</hi> im <hi rendition="#aq">IV.</hi> Buch der Aeolo&#x017F;ticha des Tito<lb/>
Strozza.</note>. Das Eingelegte überwog jedenfalls das Stück<lb/>
&#x017F;elber; da &#x017F;ah man, von einem rau&#x017F;chenden Orche&#x017F;ter be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0326] Perſon den erlauchten Gäſten die 110 Coſtüme, welche zur Aufführung von fünf plautiniſchen Comödien dienen ſollten, damit man ſehe, daß keines zweimal diene 1). Aber was wollte dieſer Luxus von Taffet und Kamelot ſagen im Ver- gleich mit der Ausſtattung der Ballette und Pantomimen, welche als Zwiſchenacte der plautiniſchen Stücke aufgeführt wurden. Daß Plautus daneben einer lebhaften jungen Dame wie Iſabella Gonzaga ſchmerzlich langweilig vorkam und daß Jedermann ſich während des Drama's nach den Zwiſchenacten ſehnte, iſt begreiflich ſobald man den bunten Glanz derſelben in Betracht zieht. Da gab es Kämpfe römiſcher Krieger, welche ihre antiken Waffen kunſtgerecht zum Tacte der Muſik bewegten, Fackeltänze von Mohren, einen Tanz von wilden Männern mit Füllhörnern, aus welchen flüſſiges Feuer ſprühte; ſie bildeten das Ballet zu einer Pantomime, welche die Rettung eines Mädchens von einem Drachen darſtellte. Dann tanzten Narren in Pull- cinelltracht und ſchlugen einander mit Schweinsblaſen, u. dgl. m. Es war eine zugeſtandene Sache am Hofe von Ferrara, daß jede Comödie „ihr“ Ballet (moresca) habe 2). Wie man ſich vollends die Aufführung des plautiniſchen Amphitruo daſelbſt (1491, bei Alfonſo's erſter Vermählung mit Anna Sforza) zu denken habe, ob vielleicht ſchon mehr als Pantomime mit Muſik, denn als Drama, bleibt zweifel- haft 3). Das Eingelegte überwog jedenfalls das Stück ſelber; da ſah man, von einem rauſchenden Orcheſter be- 4. Abſchnitt. Das Ballett. 1) Iſabella Gonzaga an ihren Gemahl, 3. Febr. 1502, Arch. stor. Append. II, p. 306, s. — Bei den franzöſiſchen Myſtères mar- ſchirten die Schauſpieler ſelbſt vorher in Proceſſion auf, was man la montre hieß. 2) Diario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 404. Andere Stellen über das dortige Theaterweſen Col. 278. 279. 282 bis 285. 361. 380. 381. 393. 397. 3) Strozii poetæ, p. 232, im IV. Buch der Aeoloſticha des Tito Strozza.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/326
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/326>, abgerufen am 25.11.2024.