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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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einseitig die Beschwerden der mit Hülfe seiner Wandelbar-4. Abschnitt.
keit um ihr Concil betrogenen deutschen Kirche zum Aus-
gangspunct nimmt 1).

Hier interessirt er uns als der erste, welcher die Herr-
lichkeit der italienischen Landschaft nicht bloß genossen son-
dern mit Begeisterung bis ins Einzelne geschildert hat.
Den Kirchenstaat und das südliche Toscana (seine Heimath)
kannte er besonders genau, und als er Papst wurde, wandte
er seine Muße in der guten Jahreszeit wesentlich auf Aus-
flüge und Landaufenthalte. Jetzt wenigstens hatte der längst
podagrische Mann die Mittel, sich auf dem Tragsessel über
Berg und Thal bringen zu lassen, und wenn man die Ge-
nüsse der folgenden Päpste damit vergleicht, so erscheint
Pius, dessen höchste Freude Natur, Alterthum und mäßige,
aber edelzierliche Bauten waren, wie ein halber Heiliger.
In dem schönen lebendigen Latein seiner Commentarien
legt er ganz unbefangen das Zeugniß seines Glückes nieder 2).

Sein Auge erscheint so vielseitig gebildet als dasjenigeSeine Fernsich-
ten,

irgend eines modernen Menschen. Er genießt mit Ent-
zücken die große panoramatische Pracht der Aussicht vom
höchsten Gipfel des Albanergebirges, dem Monte Cavo,
von wo er das Gestade der Kirche von Terracina und dem

1) Auch dürfte man wohl Platina, vitae Pontiff., p. 310 anhören:
Homo fuit (Pius II.) verus, integer, apertus; nil habuit ficti,
nil simulati,
ein Feind der Heuchelei und des Aberglaubens,
muthig, consequent.
2) Die bedeutendsten Stellen sind folgende. Pii II. P. M. Commen-
tarii. L. IV, p.
183: Der Frühling in der Heimath. L. V,
p.
251: Der Sommeraufenthalt in Tibur. L. VI, 306: Das
Mahl an der Quelle von Vicovaro. L. VIII, p. 378: Die Um-
gegend von Viterbo. p. 387: Das Bergkloster S. Martino. p. 388:
Der See von Bolsena. L. IX, p. 396: Die herrliche Schilderung
von Monte Amiata. L. X, p. 483: Die Lage von Monteoliveto.
p. 497: Die Aussicht von Todi. L. XI, p. 554: Ostia und
Porto. p. 562: Beschreibung des Albanergebirges. L. XII, p. 609:
Frascati und Grottaferrata.

einſeitig die Beſchwerden der mit Hülfe ſeiner Wandelbar-4. Abſchnitt.
keit um ihr Concil betrogenen deutſchen Kirche zum Aus-
gangspunct nimmt 1).

Hier intereſſirt er uns als der erſte, welcher die Herr-
lichkeit der italieniſchen Landſchaft nicht bloß genoſſen ſon-
dern mit Begeiſterung bis ins Einzelne geſchildert hat.
Den Kirchenſtaat und das ſüdliche Toscana (ſeine Heimath)
kannte er beſonders genau, und als er Papſt wurde, wandte
er ſeine Muße in der guten Jahreszeit weſentlich auf Aus-
flüge und Landaufenthalte. Jetzt wenigſtens hatte der längſt
podagriſche Mann die Mittel, ſich auf dem Tragſeſſel über
Berg und Thal bringen zu laſſen, und wenn man die Ge-
nüſſe der folgenden Päpſte damit vergleicht, ſo erſcheint
Pius, deſſen höchſte Freude Natur, Alterthum und mäßige,
aber edelzierliche Bauten waren, wie ein halber Heiliger.
In dem ſchönen lebendigen Latein ſeiner Commentarien
legt er ganz unbefangen das Zeugniß ſeines Glückes nieder 2).

Sein Auge erſcheint ſo vielſeitig gebildet als dasjenigeSeine Fernſich-
ten,

irgend eines modernen Menſchen. Er genießt mit Ent-
zücken die große panoramatiſche Pracht der Ausſicht vom
höchſten Gipfel des Albanergebirges, dem Monte Cavo,
von wo er das Geſtade der Kirche von Terracina und dem

1) Auch dürfte man wohl Platina, vitæ Pontiff., p. 310 anhören:
Homo fuit (Pius II.) verus, integer, apertus; nil habuit ficti,
nil simulati,
ein Feind der Heuchelei und des Aberglaubens,
muthig, conſequent.
2) Die bedeutendſten Stellen ſind folgende. Pii II. P. M. Commen-
tarii. L. IV, p.
183: Der Frühling in der Heimath. L. V,
p.
251: Der Sommeraufenthalt in Tibur. L. VI, 306: Das
Mahl an der Quelle von Vicovaro. L. VIII, p. 378: Die Um-
gegend von Viterbo. p. 387: Das Bergkloſter S. Martino. p. 388:
Der See von Bolſena. L. IX, p. 396: Die herrliche Schilderung
von Monte Amiata. L. X, p. 483: Die Lage von Monteoliveto.
p. 497: Die Ausſicht von Todi. L. XI, p. 554: Oſtia und
Porto. p. 562: Beſchreibung des Albanergebirges. L. XII, p. 609:
Frascati und Grottaferrata.
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[299/0309] einſeitig die Beſchwerden der mit Hülfe ſeiner Wandelbar- keit um ihr Concil betrogenen deutſchen Kirche zum Aus- gangspunct nimmt 1). 4. Abſchnitt. Hier intereſſirt er uns als der erſte, welcher die Herr- lichkeit der italieniſchen Landſchaft nicht bloß genoſſen ſon- dern mit Begeiſterung bis ins Einzelne geſchildert hat. Den Kirchenſtaat und das ſüdliche Toscana (ſeine Heimath) kannte er beſonders genau, und als er Papſt wurde, wandte er ſeine Muße in der guten Jahreszeit weſentlich auf Aus- flüge und Landaufenthalte. Jetzt wenigſtens hatte der längſt podagriſche Mann die Mittel, ſich auf dem Tragſeſſel über Berg und Thal bringen zu laſſen, und wenn man die Ge- nüſſe der folgenden Päpſte damit vergleicht, ſo erſcheint Pius, deſſen höchſte Freude Natur, Alterthum und mäßige, aber edelzierliche Bauten waren, wie ein halber Heiliger. In dem ſchönen lebendigen Latein ſeiner Commentarien legt er ganz unbefangen das Zeugniß ſeines Glückes nieder 2). Sein Auge erſcheint ſo vielſeitig gebildet als dasjenige irgend eines modernen Menſchen. Er genießt mit Ent- zücken die große panoramatiſche Pracht der Ausſicht vom höchſten Gipfel des Albanergebirges, dem Monte Cavo, von wo er das Geſtade der Kirche von Terracina und dem Seine Fernſich- ten, 1) Auch dürfte man wohl Platina, vitæ Pontiff., p. 310 anhören: Homo fuit (Pius II.) verus, integer, apertus; nil habuit ficti, nil simulati, ein Feind der Heuchelei und des Aberglaubens, muthig, conſequent. 2) Die bedeutendſten Stellen ſind folgende. Pii II. P. M. Commen- tarii. L. IV, p. 183: Der Frühling in der Heimath. L. V, p. 251: Der Sommeraufenthalt in Tibur. L. VI, 306: Das Mahl an der Quelle von Vicovaro. L. VIII, p. 378: Die Um- gegend von Viterbo. p. 387: Das Bergkloſter S. Martino. p. 388: Der See von Bolſena. L. IX, p. 396: Die herrliche Schilderung von Monte Amiata. L. X, p. 483: Die Lage von Monteoliveto. p. 497: Die Ausſicht von Todi. L. XI, p. 554: Oſtia und Porto. p. 562: Beſchreibung des Albanergebirges. L. XII, p. 609: Frascati und Grottaferrata.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/309>, abgerufen am 19.04.2024.