sollen. "Mitten in Dürftigkeit und Mühen war er glück-3. Abschnitt. "lich weil er es sein wollte, weil er nicht verwöhnt, nicht "phantastisch, nicht unbeständig und ungenügsam war, "sondern sich immer mit wenig oder nichts zufrieden gab." -- Wenn wir Contarini selber hörten, so wäre vielleicht auch noch ein religiöses Motiv dem Bilde beigemischt; doch ist schon der practische Philosoph in Sandalen sprechend und bedeutsam genug. Einen verwandten Character in andern Umgebungen verräth auch jener Fabio Calvi von Ravenna 1),Fabio Calvi. der Erklärer des Hippocrates. Er lebte hochbejahrt in Rom bloß von Kräutern "wie einst die Pythagoräer" und bewohnte ein Gemäuer, das vor der Tonne des Diogenes keinen großen Vorzug hatte; von der Pension, die ihm Papst Leo bezahlte, nahm er nur das Allernöthigste und gab den Rest an Andere. Er blieb nicht gesund wie Fra Ur- bano, auch war sein Ende so, daß er wohl schwerlich im Tode gelächelt haben wird wie dieser, denn bei der Ver- wüstung von Rom schleppten ihn, den fast neunzigjährigen Greis, die Spanier fort in der Absicht, ihn zu ranzioniren, und er starb an den Folgen des Hungers in einem Spital. Aber sein Name ist in das Reich der Unvergänglichkeit ge- rettet, weil Rafael den Alten wie einen Vater geliebt und wie einen Meister geehrt, weil er ihn in allen Dingen zu Rathe gezogen hatte. Vielleicht bezog sich die Berathung vorzugsweise auf jene antiquarische Restauration des alten Rom (S. 185) vielleicht aber auch auf viel höhere Dinge. Wer kann sagen, wie großen Antheil Fabio am Gedanken der Schule von Athen und anderer hochwichtiger Com- positionen Rafaels gehabt hat?
Gerne möchten wir hier mit einem anmuthigen undPomponius Laetus. versöhnlichen Lebensbilde schließen, etwa mit dem des Pom- ponius Laetus, wenn uns nur über diesen noch etwas mehr
1)Coelii Calcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. 101, im VII. Buch der Episteln. -- Vgl. Pierio Val. de inf. lit.
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ſollen. „Mitten in Dürftigkeit und Mühen war er glück-3. Abſchnitt. „lich weil er es ſein wollte, weil er nicht verwöhnt, nicht „phantaſtiſch, nicht unbeſtändig und ungenügſam war, „ſondern ſich immer mit wenig oder nichts zufrieden gab.“ — Wenn wir Contarini ſelber hörten, ſo wäre vielleicht auch noch ein religiöſes Motiv dem Bilde beigemiſcht; doch iſt ſchon der practiſche Philoſoph in Sandalen ſprechend und bedeutſam genug. Einen verwandten Character in andern Umgebungen verräth auch jener Fabio Calvi von Ravenna 1),Fabio Calvi. der Erklärer des Hippocrates. Er lebte hochbejahrt in Rom bloß von Kräutern „wie einſt die Pythagoräer“ und bewohnte ein Gemäuer, das vor der Tonne des Diogenes keinen großen Vorzug hatte; von der Penſion, die ihm Papſt Leo bezahlte, nahm er nur das Allernöthigſte und gab den Reſt an Andere. Er blieb nicht geſund wie Fra Ur- bano, auch war ſein Ende ſo, daß er wohl ſchwerlich im Tode gelächelt haben wird wie dieſer, denn bei der Ver- wüſtung von Rom ſchleppten ihn, den faſt neunzigjährigen Greis, die Spanier fort in der Abſicht, ihn zu ranzioniren, und er ſtarb an den Folgen des Hungers in einem Spital. Aber ſein Name iſt in das Reich der Unvergänglichkeit ge- rettet, weil Rafael den Alten wie einen Vater geliebt und wie einen Meiſter geehrt, weil er ihn in allen Dingen zu Rathe gezogen hatte. Vielleicht bezog ſich die Berathung vorzugsweiſe auf jene antiquariſche Reſtauration des alten Rom (S. 185) vielleicht aber auch auf viel höhere Dinge. Wer kann ſagen, wie großen Antheil Fabio am Gedanken der Schule von Athen und anderer hochwichtiger Com- poſitionen Rafaels gehabt hat?
Gerne möchten wir hier mit einem anmuthigen undPomponius Laetus. verſöhnlichen Lebensbilde ſchließen, etwa mit dem des Pom- ponius Laetus, wenn uns nur über dieſen noch etwas mehr
1)Cœlii Calcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. 101, im VII. Buch der Epiſteln. — Vgl. Pierio Val. de inf. lit.
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ſollen. „Mitten in Dürftigkeit und Mühen war er glück-
„lich weil er es ſein wollte, weil er nicht verwöhnt, nicht
„phantaſtiſch, nicht unbeſtändig und ungenügſam war,
„ſondern ſich immer mit wenig oder nichts zufrieden gab.“ —
Wenn wir Contarini ſelber hörten, ſo wäre vielleicht auch
noch ein religiöſes Motiv dem Bilde beigemiſcht; doch iſt
ſchon der practiſche Philoſoph in Sandalen ſprechend und
bedeutſam genug. Einen verwandten Character in andern
Umgebungen verräth auch jener Fabio Calvi von Ravenna 1),
der Erklärer des Hippocrates. Er lebte hochbejahrt in
Rom bloß von Kräutern „wie einſt die Pythagoräer“ und
bewohnte ein Gemäuer, das vor der Tonne des Diogenes
keinen großen Vorzug hatte; von der Penſion, die ihm
Papſt Leo bezahlte, nahm er nur das Allernöthigſte und
gab den Reſt an Andere. Er blieb nicht geſund wie Fra Ur-
bano, auch war ſein Ende ſo, daß er wohl ſchwerlich im
Tode gelächelt haben wird wie dieſer, denn bei der Ver-
wüſtung von Rom ſchleppten ihn, den faſt neunzigjährigen
Greis, die Spanier fort in der Abſicht, ihn zu ranzioniren,
und er ſtarb an den Folgen des Hungers in einem Spital.
Aber ſein Name iſt in das Reich der Unvergänglichkeit ge-
rettet, weil Rafael den Alten wie einen Vater geliebt und
wie einen Meiſter geehrt, weil er ihn in allen Dingen zu
Rathe gezogen hatte. Vielleicht bezog ſich die Berathung
vorzugsweiſe auf jene antiquariſche Reſtauration des alten
Rom (S. 185) vielleicht aber auch auf viel höhere Dinge.
Wer kann ſagen, wie großen Antheil Fabio am Gedanken
der Schule von Athen und anderer hochwichtiger Com-
poſitionen Rafaels gehabt hat?
3. Abſchnitt.
Fabio Calvi.
Gerne möchten wir hier mit einem anmuthigen und
verſöhnlichen Lebensbilde ſchließen, etwa mit dem des Pom-
ponius Laetus, wenn uns nur über dieſen noch etwas mehr
Pomponius
Laetus.
1) Cœlii Calcagnini opera, ed. Basil. 1544, p. 101, im VII. Buch
der Epiſteln. — Vgl. Pierio Val. de inf. lit.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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