Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Männer, wie z. B. das schöne Gedicht von Leo's X. Jagd3. Abschnitt.
bei Palo 1), oder die "Reise Julius II." von Hadrian
von Corneto (S. 121). Glänzende Jagdschilderungen jener
Art giebt es auch von Ercole Strozza, von dem eben ge-
nannten Hadrian u. A. m., und es ist Schade wenn sich
der moderne Leser durch die zu Grunde liegende Schmeichelei
abschrecken oder erzürnen läßt. Die Meisterschaft der Be-
handlung und der bisweilen nicht unbedeutende geschichtliche
Werth sichern diesen anmuthigen Dichtungen ein längeres
Fortleben als manche jetzt namhafte Poesien unserer Zeit
haben dürften.

Im Ganzen sind diese Sachen immer um so viel besser,
je mäßiger die Einmischung des Pathetischen und Allge-
meinen ist. Es giebt einzelne kleinere epische Dichtungen
von berühmten Meistern, die durch barockes mythologischesMythologisi-
rung.

Dreinfahren unbewußt einen unbeschreiblich komischen Ein-
druck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole
Strozza2) auf Cesare Borgia (S. 115). Man hört die
klagende Rede der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die
spanischen Päpste Calixt III. und Alexander VI. gesetzt
hatte und dann Cesare für den Verheißenen hielt, dessen
Geschichte durchgegangen wird bis zur Katastrophe des
Jahres 1503. Dann frägt der Dichter die Muse, welches
in jenem Augenblick3) die Rathschlüsse der Götter gewesen,
und Erato erzählt: auf dem Olymp nahmen Pallas für
die Spanier, Venus für die Italiener Partei; beide um-
faßten Jupiters Knie, worauf er sie küßte, begütigte und
sich ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen

1) Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184; sowie noch ein Gedicht
ähnlichen Styles XII, 130. -- Wie nahe steht schon Angilberts
Gedicht vom Hofe Carls des Großen dieser Renaissance. Vgl.
Pertz, monum. II.
2) Strozii poetae, p. 31. s. Caesaris Borgiae ducis epicedium.
3) Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis
Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc.
Cultur der Renaissance. 17

Männer, wie z. B. das ſchöne Gedicht von Leo's X. Jagd3. Abſchnitt.
bei Palo 1), oder die „Reiſe Julius II.“ von Hadrian
von Corneto (S. 121). Glänzende Jagdſchilderungen jener
Art giebt es auch von Ercole Strozza, von dem eben ge-
nannten Hadrian u. A. m., und es iſt Schade wenn ſich
der moderne Leſer durch die zu Grunde liegende Schmeichelei
abſchrecken oder erzürnen läßt. Die Meiſterſchaft der Be-
handlung und der bisweilen nicht unbedeutende geſchichtliche
Werth ſichern dieſen anmuthigen Dichtungen ein längeres
Fortleben als manche jetzt namhafte Poeſien unſerer Zeit
haben dürften.

Im Ganzen ſind dieſe Sachen immer um ſo viel beſſer,
je mäßiger die Einmiſchung des Pathetiſchen und Allge-
meinen iſt. Es giebt einzelne kleinere epiſche Dichtungen
von berühmten Meiſtern, die durch barockes mythologiſchesMythologiſi-
rung.

Dreinfahren unbewußt einen unbeſchreiblich komiſchen Ein-
druck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole
Strozza2) auf Ceſare Borgia (S. 115). Man hört die
klagende Rede der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die
ſpaniſchen Päpſte Calixt III. und Alexander VI. geſetzt
hatte und dann Ceſare für den Verheißenen hielt, deſſen
Geſchichte durchgegangen wird bis zur Kataſtrophe des
Jahres 1503. Dann frägt der Dichter die Muſe, welches
in jenem Augenblick3) die Rathſchlüſſe der Götter geweſen,
und Erato erzählt: auf dem Olymp nahmen Pallas für
die Spanier, Venus für die Italiener Partei; beide um-
faßten Jupiters Knie, worauf er ſie küßte, begütigte und
ſich ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen

1) Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184; ſowie noch ein Gedicht
ähnlichen Styles XII, 130. — Wie nahe ſteht ſchon Angilberts
Gedicht vom Hofe Carls des Großen dieſer Renaiſſance. Vgl.
Pertz, monum. II.
2) Strozii poetæ, p. 31. s. Cæsaris Borgiæ ducis epicedium.
3) Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis
Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc.
Cultur der Renaiſſance. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0267" n="257"/>
Männer, wie z. B. das &#x017F;chöne Gedicht von Leo's <hi rendition="#aq">X.</hi> Jagd<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">3. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
bei Palo <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184;</hi> &#x017F;owie noch ein Gedicht<lb/>
ähnlichen Styles <hi rendition="#aq">XII,</hi> 130. &#x2014; Wie nahe &#x017F;teht &#x017F;chon Angilberts<lb/>
Gedicht vom Hofe Carls des Großen die&#x017F;er Renai&#x017F;&#x017F;ance. Vgl.<lb/><hi rendition="#aq">Pertz, monum. II.</hi></note>, oder die &#x201E;Rei&#x017F;e Julius <hi rendition="#aq">II.</hi>&#x201C; von Hadrian<lb/>
von Corneto (S. 121). Glänzende Jagd&#x017F;childerungen jener<lb/>
Art giebt es auch von Ercole Strozza, von dem eben ge-<lb/>
nannten Hadrian u. A. m., und es i&#x017F;t Schade wenn &#x017F;ich<lb/>
der moderne Le&#x017F;er durch die zu Grunde liegende Schmeichelei<lb/>
ab&#x017F;chrecken oder erzürnen läßt. Die Mei&#x017F;ter&#x017F;chaft der Be-<lb/>
handlung und der bisweilen nicht unbedeutende ge&#x017F;chichtliche<lb/>
Werth &#x017F;ichern die&#x017F;en anmuthigen Dichtungen ein längeres<lb/>
Fortleben als manche jetzt namhafte Poe&#x017F;ien un&#x017F;erer Zeit<lb/>
haben dürften.</p><lb/>
        <p>Im Ganzen &#x017F;ind die&#x017F;e Sachen immer um &#x017F;o viel be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
je mäßiger die Einmi&#x017F;chung des Patheti&#x017F;chen und Allge-<lb/>
meinen i&#x017F;t. Es giebt einzelne kleinere epi&#x017F;che Dichtungen<lb/>
von berühmten Mei&#x017F;tern, die durch barockes mythologi&#x017F;ches<note place="right">Mythologi&#x017F;i-<lb/>
rung.</note><lb/>
Dreinfahren unbewußt einen unbe&#x017F;chreiblich komi&#x017F;chen Ein-<lb/>
druck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole<lb/>
Strozza<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Strozii poetæ, p. 31. s. Cæsaris Borgiæ ducis epicedium.</hi></note> auf Ce&#x017F;are Borgia (S. 115). Man hört die<lb/>
klagende Rede der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;chen Päp&#x017F;te Calixt <hi rendition="#aq">III.</hi> und Alexander <hi rendition="#aq">VI.</hi> ge&#x017F;etzt<lb/>
hatte und dann Ce&#x017F;are für den Verheißenen hielt, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ge&#x017F;chichte durchgegangen wird bis zur Kata&#x017F;trophe des<lb/>
Jahres 1503. Dann frägt der Dichter die Mu&#x017F;e, welches<lb/>
in jenem Augenblick<note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis<lb/>
Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc.</hi></note> die Rath&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e der Götter gewe&#x017F;en,<lb/>
und Erato erzählt: auf dem Olymp nahmen Pallas für<lb/>
die Spanier, Venus für die Italiener Partei; beide um-<lb/>
faßten Jupiters Knie, worauf er &#x017F;ie küßte, begütigte und<lb/>
&#x017F;ich ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Cultur der Renai&#x017F;&#x017F;ance. 17</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0267] Männer, wie z. B. das ſchöne Gedicht von Leo's X. Jagd bei Palo 1), oder die „Reiſe Julius II.“ von Hadrian von Corneto (S. 121). Glänzende Jagdſchilderungen jener Art giebt es auch von Ercole Strozza, von dem eben ge- nannten Hadrian u. A. m., und es iſt Schade wenn ſich der moderne Leſer durch die zu Grunde liegende Schmeichelei abſchrecken oder erzürnen läßt. Die Meiſterſchaft der Be- handlung und der bisweilen nicht unbedeutende geſchichtliche Werth ſichern dieſen anmuthigen Dichtungen ein längeres Fortleben als manche jetzt namhafte Poeſien unſerer Zeit haben dürften. 3. Abſchnitt. Im Ganzen ſind dieſe Sachen immer um ſo viel beſſer, je mäßiger die Einmiſchung des Pathetiſchen und Allge- meinen iſt. Es giebt einzelne kleinere epiſche Dichtungen von berühmten Meiſtern, die durch barockes mythologiſches Dreinfahren unbewußt einen unbeſchreiblich komiſchen Ein- druck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole Strozza 2) auf Ceſare Borgia (S. 115). Man hört die klagende Rede der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die ſpaniſchen Päpſte Calixt III. und Alexander VI. geſetzt hatte und dann Ceſare für den Verheißenen hielt, deſſen Geſchichte durchgegangen wird bis zur Kataſtrophe des Jahres 1503. Dann frägt der Dichter die Muſe, welches in jenem Augenblick 3) die Rathſchlüſſe der Götter geweſen, und Erato erzählt: auf dem Olymp nahmen Pallas für die Spanier, Venus für die Italiener Partei; beide um- faßten Jupiters Knie, worauf er ſie küßte, begütigte und ſich ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen Mythologiſi- rung. 1) Roscoe, Leone X, ed. Bossi VIII, 184; ſowie noch ein Gedicht ähnlichen Styles XII, 130. — Wie nahe ſteht ſchon Angilberts Gedicht vom Hofe Carls des Großen dieſer Renaiſſance. Vgl. Pertz, monum. II. 2) Strozii poetæ, p. 31. s. Cæsaris Borgiæ ducis epicedium. 3) Pontificem addiderat, flammis lustralibus omneis Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc. Cultur der Renaiſſance. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/267
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/267>, abgerufen am 23.11.2024.