Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

ging 1), war er Regisseur. Daß man seit etwa 1520 da-3. Abschnitt.
von abkam, zählt Giovio, wie wir (S. 236) sahen mit unter
die Ursachen des Verfalls der Eloquenz.

Zum Schluß dürfen wir hier eine Parallele des Ci-
ceronianismus aus dem Gebiete der Kunst namhaft machen:
den Vitruvianismus der Architecten. Und zwar erwahrt
sich auch hier das durchgehende Gesetz der Renaissance, daß
die Bewegung in der Bildung durchgängig der analogen
Kunstbewegung vorangeht. Im vorliegenden Fall möchte
der Unterschied etwa zwei Jahrzehnde betragen, wenn man
von Cardinal Hadrian von Corneto (1505?) bis auf die
ersten absoluten Vitruvianer rechnet.

Der höchste Stolz des Humanisten endlich ist die neu-Lateinische
Dichtung.

lateinische Dichtung. So weit sie den Humanismus cha-
racterisiren hilft, muß auch sie hier behandelt werden.

Wie vollständig sie das Vorurtheil für sich hatte, wie
nahe ihr der entschiedene Sieg stand, wurde oben (S. 247)
dargethan. Man darf von vornherein überzeugt sein, daß
die geistvollste und meistentwickelte Nation der damaligen
Welt nicht aus bloßer Thorheit, nicht ohne etwas Bedeu-
tendes zu wollen, in der Poesie auf eine Sprache verzich-
tete wie die italienische ist. Eine übermächtige Thatsache
muß sie dazu bestimmt haben.

Dieß war die Bewunderung des Alterthums. Wie
jede echte, rückhaltlose Bewunderung erzeugte sie nothwendig
die Nachahmung. Auch in andern Zeiten und bei andern
Völkern finden sich eine Menge vereinzelter Versuche nach
diesem nämlichen Ziele hin, nur in Italien aber waren

1) In Ferrara spielte man Plautus wohl meist in italienischer Bearbei-
tung von Collenuccio, dem jüngern Guarino u. A., um des Inhaltes
willen, und Isabella Gonzaga erlaubte sich, diesen langweilig zu
finden. -- Ueber Pomp. Laetus vgl. Sabellici opera, Epist.
L. XI, fol. 56, s.

ging 1), war er Regiſſeur. Daß man ſeit etwa 1520 da-3. Abſchnitt.
von abkam, zählt Giovio, wie wir (S. 236) ſahen mit unter
die Urſachen des Verfalls der Eloquenz.

Zum Schluß dürfen wir hier eine Parallele des Ci-
ceronianismus aus dem Gebiete der Kunſt namhaft machen:
den Vitruvianismus der Architecten. Und zwar erwahrt
ſich auch hier das durchgehende Geſetz der Renaiſſance, daß
die Bewegung in der Bildung durchgängig der analogen
Kunſtbewegung vorangeht. Im vorliegenden Fall möchte
der Unterſchied etwa zwei Jahrzehnde betragen, wenn man
von Cardinal Hadrian von Corneto (1505?) bis auf die
erſten abſoluten Vitruvianer rechnet.

Der höchſte Stolz des Humaniſten endlich iſt die neu-Lateiniſche
Dichtung.

lateiniſche Dichtung. So weit ſie den Humanismus cha-
racteriſiren hilft, muß auch ſie hier behandelt werden.

Wie vollſtändig ſie das Vorurtheil für ſich hatte, wie
nahe ihr der entſchiedene Sieg ſtand, wurde oben (S. 247)
dargethan. Man darf von vornherein überzeugt ſein, daß
die geiſtvollſte und meiſtentwickelte Nation der damaligen
Welt nicht aus bloßer Thorheit, nicht ohne etwas Bedeu-
tendes zu wollen, in der Poeſie auf eine Sprache verzich-
tete wie die italieniſche iſt. Eine übermächtige Thatſache
muß ſie dazu beſtimmt haben.

Dieß war die Bewunderung des Alterthums. Wie
jede echte, rückhaltloſe Bewunderung erzeugte ſie nothwendig
die Nachahmung. Auch in andern Zeiten und bei andern
Völkern finden ſich eine Menge vereinzelter Verſuche nach
dieſem nämlichen Ziele hin, nur in Italien aber waren

1) In Ferrara ſpielte man Plautus wohl meiſt in italieniſcher Bearbei-
tung von Collenuccio, dem jüngern Guarino u. A., um des Inhaltes
willen, und Iſabella Gonzaga erlaubte ſich, dieſen langweilig zu
finden. — Ueber Pomp. Laetus vgl. Sabellici opera, Epist.
L. XI, fol. 56, s.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="251"/>
ging <note place="foot" n="1)">In Ferrara &#x017F;pielte man Plautus wohl mei&#x017F;t in italieni&#x017F;cher Bearbei-<lb/>
tung von Collenuccio, dem jüngern Guarino u. A., um des Inhaltes<lb/>
willen, und I&#x017F;abella Gonzaga erlaubte &#x017F;ich, die&#x017F;en langweilig zu<lb/>
finden. &#x2014; Ueber Pomp. Laetus vgl. <hi rendition="#aq">Sabellici opera, Epist.<lb/>
L. XI, fol. 56, s.</hi></note>, war er Regi&#x017F;&#x017F;eur. Daß man &#x017F;eit etwa 1520 da-<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">3. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
von abkam, zählt Giovio, wie wir (S. 236) &#x017F;ahen mit unter<lb/>
die Ur&#x017F;achen des Verfalls der Eloquenz.</p><lb/>
        <p>Zum Schluß dürfen wir hier eine Parallele des Ci-<lb/>
ceronianismus aus dem Gebiete der Kun&#x017F;t namhaft machen:<lb/>
den Vitruvianismus der Architecten. Und zwar erwahrt<lb/>
&#x017F;ich auch hier das durchgehende Ge&#x017F;etz der Renai&#x017F;&#x017F;ance, daß<lb/>
die Bewegung in der Bildung durchgängig der analogen<lb/>
Kun&#x017F;tbewegung vorangeht. Im vorliegenden Fall möchte<lb/>
der Unter&#x017F;chied etwa zwei Jahrzehnde betragen, wenn man<lb/>
von Cardinal Hadrian von Corneto (1505?) bis auf die<lb/>
er&#x017F;ten ab&#x017F;oluten Vitruvianer rechnet.</p><lb/>
        <p>Der höch&#x017F;te Stolz des Humani&#x017F;ten endlich i&#x017F;t die neu-<note place="right">Lateini&#x017F;che<lb/>
Dichtung.</note><lb/>
lateini&#x017F;che Dichtung. So weit &#x017F;ie den Humanismus cha-<lb/>
racteri&#x017F;iren hilft, muß auch &#x017F;ie hier behandelt werden.</p><lb/>
        <p>Wie voll&#x017F;tändig &#x017F;ie das Vorurtheil für &#x017F;ich hatte, wie<lb/>
nahe ihr der ent&#x017F;chiedene Sieg &#x017F;tand, wurde oben (S. 247)<lb/>
dargethan. Man darf von vornherein überzeugt &#x017F;ein, daß<lb/>
die gei&#x017F;tvoll&#x017F;te und mei&#x017F;tentwickelte Nation der damaligen<lb/>
Welt nicht aus bloßer Thorheit, nicht ohne etwas Bedeu-<lb/>
tendes zu wollen, in der Poe&#x017F;ie auf eine Sprache verzich-<lb/>
tete wie die italieni&#x017F;che i&#x017F;t. Eine übermächtige That&#x017F;ache<lb/>
muß &#x017F;ie dazu be&#x017F;timmt haben.</p><lb/>
        <p>Dieß war die Bewunderung des Alterthums. Wie<lb/>
jede echte, rückhaltlo&#x017F;e Bewunderung erzeugte &#x017F;ie nothwendig<lb/>
die Nachahmung. Auch in andern Zeiten und bei andern<lb/>
Völkern finden &#x017F;ich eine Menge vereinzelter Ver&#x017F;uche nach<lb/>
die&#x017F;em nämlichen Ziele hin, nur in Italien aber waren<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0261] ging 1), war er Regiſſeur. Daß man ſeit etwa 1520 da- von abkam, zählt Giovio, wie wir (S. 236) ſahen mit unter die Urſachen des Verfalls der Eloquenz. 3. Abſchnitt. Zum Schluß dürfen wir hier eine Parallele des Ci- ceronianismus aus dem Gebiete der Kunſt namhaft machen: den Vitruvianismus der Architecten. Und zwar erwahrt ſich auch hier das durchgehende Geſetz der Renaiſſance, daß die Bewegung in der Bildung durchgängig der analogen Kunſtbewegung vorangeht. Im vorliegenden Fall möchte der Unterſchied etwa zwei Jahrzehnde betragen, wenn man von Cardinal Hadrian von Corneto (1505?) bis auf die erſten abſoluten Vitruvianer rechnet. Der höchſte Stolz des Humaniſten endlich iſt die neu- lateiniſche Dichtung. So weit ſie den Humanismus cha- racteriſiren hilft, muß auch ſie hier behandelt werden. Lateiniſche Dichtung. Wie vollſtändig ſie das Vorurtheil für ſich hatte, wie nahe ihr der entſchiedene Sieg ſtand, wurde oben (S. 247) dargethan. Man darf von vornherein überzeugt ſein, daß die geiſtvollſte und meiſtentwickelte Nation der damaligen Welt nicht aus bloßer Thorheit, nicht ohne etwas Bedeu- tendes zu wollen, in der Poeſie auf eine Sprache verzich- tete wie die italieniſche iſt. Eine übermächtige Thatſache muß ſie dazu beſtimmt haben. Dieß war die Bewunderung des Alterthums. Wie jede echte, rückhaltloſe Bewunderung erzeugte ſie nothwendig die Nachahmung. Auch in andern Zeiten und bei andern Völkern finden ſich eine Menge vereinzelter Verſuche nach dieſem nämlichen Ziele hin, nur in Italien aber waren 1) In Ferrara ſpielte man Plautus wohl meiſt in italieniſcher Bearbei- tung von Collenuccio, dem jüngern Guarino u. A., um des Inhaltes willen, und Iſabella Gonzaga erlaubte ſich, dieſen langweilig zu finden. — Ueber Pomp. Laetus vgl. Sabellici opera, Epist. L. XI, fol. 56, s.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/261
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/261>, abgerufen am 25.11.2024.