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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.nicht bloß im internationalen Sinn, z. B. zwischen Eng-
ländern, Franzosen und Italienern, sondern auch im inter-
provincialen Sinne, d. h. der Lombarde, der Venezianer,
der Neapolitaner wurden mit ihrer italienischen Schreibart
-- auch wenn sie längst toscanisirt war und nur noch
schwache Spuren des Dialectes an sich trug -- von dem
Florentiner nicht anerkannt. Dieß wäre zu verschmerzen
gewesen bei örtlicher Zeitgeschichte, die ihrer Leser an Ort
und Stelle sicher war, aber nicht so leicht bei der Geschichte
der Vergangenheit, für welche ein weiterer Leserkreis gesucht
werden mußte. Hier durfte die locale Theilnahme des
Volkes der allgemeinen der Gelehrten aufgeopfert werden.
Wie weit wäre z. B. Blondus von Forli gelangt, wenn er
seine großen gelehrten Werke in einem halbromagnolischen
Italienisch verfaßt hätte? Dieselben wären einer sichern
Obscurität verfallen schon um der Florentiner willen, während
sie lateinisch die allergrößte Wirkung auf die Gelehrsamkeit
des ganzen Abendlandes ausübten. Und auch die Floren-
tiner selbst schrieben ja im XV. Jahrhundert lateinisch,
nicht bloß weil sie humanistisch dachten sondern zugleich um
der leichtern Verbreitung willen.

Monographie
und Biographie.
Endlich giebt es auch lateinische Darstellungen aus der
Zeitgeschichte, welche den vollen Werth der trefflichsten ita-
lienischen haben. Sobald die nach Livius gebildete fortlau-
fende Erzählung, das Procrustesbett so mancher Autoren,
aufhört, erscheinen dieselben wie umgewandelt. Jener näm-
liche Platina, jener Giovio, die man in ihren großen Ge-
schichtswerken nur verfolgt, so weit man muß, zeigen sich
auf einmal als ausgezeichnete biographische Schilderer.
Von Tristan Caracciolo, von dem biographischen Werke des
Facius, von der venezianischen Topographie des Sabellico etc.
ist schon beiläufig die Rede gewesen und auf andere werden
wir noch kommen.

Die lateinischen Darstellungen aus der Vergangenheit
betrafen natürlich vor Allem das classische Alterthum. Was

3. Abſchnitt.nicht bloß im internationalen Sinn, z. B. zwiſchen Eng-
ländern, Franzoſen und Italienern, ſondern auch im inter-
provincialen Sinne, d. h. der Lombarde, der Venezianer,
der Neapolitaner wurden mit ihrer italieniſchen Schreibart
— auch wenn ſie längſt toscaniſirt war und nur noch
ſchwache Spuren des Dialectes an ſich trug — von dem
Florentiner nicht anerkannt. Dieß wäre zu verſchmerzen
geweſen bei örtlicher Zeitgeſchichte, die ihrer Leſer an Ort
und Stelle ſicher war, aber nicht ſo leicht bei der Geſchichte
der Vergangenheit, für welche ein weiterer Leſerkreis geſucht
werden mußte. Hier durfte die locale Theilnahme des
Volkes der allgemeinen der Gelehrten aufgeopfert werden.
Wie weit wäre z. B. Blondus von Forli gelangt, wenn er
ſeine großen gelehrten Werke in einem halbromagnoliſchen
Italieniſch verfaßt hätte? Dieſelben wären einer ſichern
Obscurität verfallen ſchon um der Florentiner willen, während
ſie lateiniſch die allergrößte Wirkung auf die Gelehrſamkeit
des ganzen Abendlandes ausübten. Und auch die Floren-
tiner ſelbſt ſchrieben ja im XV. Jahrhundert lateiniſch,
nicht bloß weil ſie humaniſtiſch dachten ſondern zugleich um
der leichtern Verbreitung willen.

Monographie
und Biographie.
Endlich giebt es auch lateiniſche Darſtellungen aus der
Zeitgeſchichte, welche den vollen Werth der trefflichſten ita-
lieniſchen haben. Sobald die nach Livius gebildete fortlau-
fende Erzählung, das Procruſtesbett ſo mancher Autoren,
aufhört, erſcheinen dieſelben wie umgewandelt. Jener näm-
liche Platina, jener Giovio, die man in ihren großen Ge-
ſchichtswerken nur verfolgt, ſo weit man muß, zeigen ſich
auf einmal als ausgezeichnete biographiſche Schilderer.
Von Triſtan Caracciolo, von dem biographiſchen Werke des
Facius, von der venezianiſchen Topographie des Sabellico ꝛc.
iſt ſchon beiläufig die Rede geweſen und auf andere werden
wir noch kommen.

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[240/0250] nicht bloß im internationalen Sinn, z. B. zwiſchen Eng- ländern, Franzoſen und Italienern, ſondern auch im inter- provincialen Sinne, d. h. der Lombarde, der Venezianer, der Neapolitaner wurden mit ihrer italieniſchen Schreibart — auch wenn ſie längſt toscaniſirt war und nur noch ſchwache Spuren des Dialectes an ſich trug — von dem Florentiner nicht anerkannt. Dieß wäre zu verſchmerzen geweſen bei örtlicher Zeitgeſchichte, die ihrer Leſer an Ort und Stelle ſicher war, aber nicht ſo leicht bei der Geſchichte der Vergangenheit, für welche ein weiterer Leſerkreis geſucht werden mußte. Hier durfte die locale Theilnahme des Volkes der allgemeinen der Gelehrten aufgeopfert werden. Wie weit wäre z. B. Blondus von Forli gelangt, wenn er ſeine großen gelehrten Werke in einem halbromagnoliſchen Italieniſch verfaßt hätte? Dieſelben wären einer ſichern Obscurität verfallen ſchon um der Florentiner willen, während ſie lateiniſch die allergrößte Wirkung auf die Gelehrſamkeit des ganzen Abendlandes ausübten. Und auch die Floren- tiner ſelbſt ſchrieben ja im XV. Jahrhundert lateiniſch, nicht bloß weil ſie humaniſtiſch dachten ſondern zugleich um der leichtern Verbreitung willen. 3. Abſchnitt. Endlich giebt es auch lateiniſche Darſtellungen aus der Zeitgeſchichte, welche den vollen Werth der trefflichſten ita- lieniſchen haben. Sobald die nach Livius gebildete fortlau- fende Erzählung, das Procruſtesbett ſo mancher Autoren, aufhört, erſcheinen dieſelben wie umgewandelt. Jener näm- liche Platina, jener Giovio, die man in ihren großen Ge- ſchichtswerken nur verfolgt, ſo weit man muß, zeigen ſich auf einmal als ausgezeichnete biographiſche Schilderer. Von Triſtan Caracciolo, von dem biographiſchen Werke des Facius, von der venezianiſchen Topographie des Sabellico ꝛc. iſt ſchon beiläufig die Rede geweſen und auf andere werden wir noch kommen. Monographie und Biographie. Die lateiniſchen Darſtellungen aus der Vergangenheit betrafen natürlich vor Allem das claſſiſche Alterthum. Was

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/250>, abgerufen am 28.03.2024.