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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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gekrönt. Weiter erfahren wir hier, daß der Brauch bis-3. Abschnitt.
her ungewöhnlich war und als von den Griechen auf die
alten Römer vererbt galt. Die nächste Reminiscenz stammte
wohl in der That von dem nach griechischem Vorbild ge-
stifteten capitolinischen Wettkampf der Ritharspieler, Dichter
und anderer Künstler, welcher seit Domitian alle fünf Jahre
gefeiert worden war und möglicher Weise den Untergang des
römischen Reiches um einige Zeit überlebt hatte. Wenn
nun doch nicht leicht wieder Einer wagte sich selber zu
krönen, wie es Dante gewollt, so entstand die Frage, welches
die krönende Behörde sei? Albertino Mussato (S. 144)
wurde um 1310 zu Padua vom Bischof und vom Rector
der Universität gekrönt; um Petrarca's Krönung (1341)
stritten sich die Universität Paris, welche gerade einen Flo-
rentiner zum Rector hatte, und die Stadtbehörde von Rom;
ja sein selbstgewählter Examinator, König Robert von Anjou,
hätte gerne die Ceremonie nach Neapel verlegt, Petrarca
jedoch zog die Krönung durch den Senator von Rom auf
dem Capitol jeder andern vor. Einige Zeit blieb diese in
der That das Ziel des Ehrgeizes; als solches lockte sie
z. B. den Jacobus Pizinga, einen vornehmen sicilischen
Beamten 1). Da erschien aber Carl IV. in Italien, derAnspruch der
Kaiser darauf.

sich ein wahres Vergnügen daraus machte, eiteln Menschen
und der gedankenlosen Masse durch Ceremonien zu impo-
niren. Ausgehend von der Fiction, daß die Poetenkrönung
einst Sache der alten römischen Kaiser gewesen und also
jetzt die seinige sei, bekränzte er in Pisa den florentinischen
Gelehrten Zanobi della Strada 2), zum großen Verdruß

1) Boccaccio's Brief an denselben, in den Opere volgari, vol. XVI:
si praestet Deus, concedente senatu Romuleo ...
2) Matt. Villani, V, 26. Es gab einen feierlichen Umritt durch die
Stadt, wobei das Gefolge des Kaisers, seine Baroni, den Poeten
begleiteten. -- Auch Fazio degli Uberti wurde gekrönt, man weiß
aber nicht wo und durch wen.

gekrönt. Weiter erfahren wir hier, daß der Brauch bis-3. Abſchnitt.
her ungewöhnlich war und als von den Griechen auf die
alten Römer vererbt galt. Die nächſte Reminiscenz ſtammte
wohl in der That von dem nach griechiſchem Vorbild ge-
ſtifteten capitoliniſchen Wettkampf der Ritharſpieler, Dichter
und anderer Künſtler, welcher ſeit Domitian alle fünf Jahre
gefeiert worden war und möglicher Weiſe den Untergang des
römiſchen Reiches um einige Zeit überlebt hatte. Wenn
nun doch nicht leicht wieder Einer wagte ſich ſelber zu
krönen, wie es Dante gewollt, ſo entſtand die Frage, welches
die krönende Behörde ſei? Albertino Muſſato (S. 144)
wurde um 1310 zu Padua vom Biſchof und vom Rector
der Univerſität gekrönt; um Petrarca's Krönung (1341)
ſtritten ſich die Univerſität Paris, welche gerade einen Flo-
rentiner zum Rector hatte, und die Stadtbehörde von Rom;
ja ſein ſelbſtgewählter Examinator, König Robert von Anjou,
hätte gerne die Ceremonie nach Neapel verlegt, Petrarca
jedoch zog die Krönung durch den Senator von Rom auf
dem Capitol jeder andern vor. Einige Zeit blieb dieſe in
der That das Ziel des Ehrgeizes; als ſolches lockte ſie
z. B. den Jacobus Pizinga, einen vornehmen ſiciliſchen
Beamten 1). Da erſchien aber Carl IV. in Italien, derAnſpruch der
Kaiſer darauf.

ſich ein wahres Vergnügen daraus machte, eiteln Menſchen
und der gedankenloſen Maſſe durch Ceremonien zu impo-
niren. Ausgehend von der Fiction, daß die Poetenkrönung
einſt Sache der alten römiſchen Kaiſer geweſen und alſo
jetzt die ſeinige ſei, bekränzte er in Piſa den florentiniſchen
Gelehrten Zanobi della Strada 2), zum großen Verdruß

1) Boccaccio's Brief an denſelben, in den Opere volgari, vol. XVI:
si præstet Deus, concedente senatu Romuleo …
2) Matt. Villani, V, 26. Es gab einen feierlichen Umritt durch die
Stadt, wobei das Gefolge des Kaiſers, ſeine Baroni, den Poeten
begleiteten. — Auch Fazio degli Uberti wurde gekrönt, man weiß
aber nicht wo und durch wen.
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[203/0213] gekrönt. Weiter erfahren wir hier, daß der Brauch bis- her ungewöhnlich war und als von den Griechen auf die alten Römer vererbt galt. Die nächſte Reminiscenz ſtammte wohl in der That von dem nach griechiſchem Vorbild ge- ſtifteten capitoliniſchen Wettkampf der Ritharſpieler, Dichter und anderer Künſtler, welcher ſeit Domitian alle fünf Jahre gefeiert worden war und möglicher Weiſe den Untergang des römiſchen Reiches um einige Zeit überlebt hatte. Wenn nun doch nicht leicht wieder Einer wagte ſich ſelber zu krönen, wie es Dante gewollt, ſo entſtand die Frage, welches die krönende Behörde ſei? Albertino Muſſato (S. 144) wurde um 1310 zu Padua vom Biſchof und vom Rector der Univerſität gekrönt; um Petrarca's Krönung (1341) ſtritten ſich die Univerſität Paris, welche gerade einen Flo- rentiner zum Rector hatte, und die Stadtbehörde von Rom; ja ſein ſelbſtgewählter Examinator, König Robert von Anjou, hätte gerne die Ceremonie nach Neapel verlegt, Petrarca jedoch zog die Krönung durch den Senator von Rom auf dem Capitol jeder andern vor. Einige Zeit blieb dieſe in der That das Ziel des Ehrgeizes; als ſolches lockte ſie z. B. den Jacobus Pizinga, einen vornehmen ſiciliſchen Beamten 1). Da erſchien aber Carl IV. in Italien, der ſich ein wahres Vergnügen daraus machte, eiteln Menſchen und der gedankenloſen Maſſe durch Ceremonien zu impo- niren. Ausgehend von der Fiction, daß die Poetenkrönung einſt Sache der alten römiſchen Kaiſer geweſen und alſo jetzt die ſeinige ſei, bekränzte er in Piſa den florentiniſchen Gelehrten Zanobi della Strada 2), zum großen Verdruß 3. Abſchnitt. Anſpruch der Kaiſer darauf. 1) Boccaccio's Brief an denſelben, in den Opere volgari, vol. XVI: si præstet Deus, concedente senatu Romuleo … 2) Matt. Villani, V, 26. Es gab einen feierlichen Umritt durch die Stadt, wobei das Gefolge des Kaiſers, ſeine Baroni, den Poeten begleiteten. — Auch Fazio degli Uberti wurde gekrönt, man weiß aber nicht wo und durch wen.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/213>, abgerufen am 20.04.2024.