hätten ursprünglich florentinischen Handarbeitern gehört;3. Abschnitt. damals sei die Entstehung einer populären Encycloplädie wie der "Tesoro" des Brunetto Latini möglich gewesen; und dieß Alles habe zur Grundlage gehabt eine allgemeine Tüchtigkeit des Characters, wie sie durch die Theilnahme an den Staatsgeschäften, durch Handel und Reisen, vor- züglich durch systematischen Ausschluß alles Müssigganges in Florenz zur Blüthe gebracht worden war. Damals seien denn auch die Florentiner in der ganzen Welt angesehen und brauchbar gewesen und nicht umsonst habe Papst Bo- nifaz VIII. sie in eben jenem Jahre das fünfte Element genannt. Mit dem stärkern Andringen des Humanismus seit 1400 sei dieser einheimische Trieb verkümmert, man habe fortan die Lösung jedes Problems nur vom Alterthum erwartet und darob die Literatur in ein bloßes Citiren aufgehen lassen; ja der Untergang der Freiheit hänge hie- mit zusammen, indem diese Erudition auf einer Knechtschaft unter der Autorität beruhte, das municipale Recht dem römischen aufopferte und schon deßhalb die Gunst der Ge- waltherrscher suchte und fand.
Diese Anklagen werden uns noch hie und da beschäfti-Ihre Unver- meidlichkeit. gen, wo dann ihr wahres Maaß und der Ersatz für die Einbuße zur Sprache kommen wird. Hier ist nur vor Allem festzustellen, daß die Cultur des kräftigen XIV. Jahrhunderts selbst nothwendig auf den völligen Sieg des Humanismus hindrängte und daß gerade die Größten im Reiche des speciell italienischen Geistes dem schrankenlosen Alterthumsbetrieb des XV. Jahrhunderts Thür und Thor geöffnet haben.
Vor allen Dante. Wenn eine Reihenfolge von GenienDante. seines Ranges die italische Cultur hätte weiter führen können, so würde sie selbst bei der stärksten Anfüllung mit antiken Elementen beständig einen hocheigenthümlichen nationalen Eindruck machen. Allein Italien und das ganze Abend- land haben keinen zweiten Dante hervorgebracht, und so
hätten urſprünglich florentiniſchen Handarbeitern gehört;3. Abſchnitt. damals ſei die Entſtehung einer populären Encycloplädie wie der „Teſoro“ des Brunetto Latini möglich geweſen; und dieß Alles habe zur Grundlage gehabt eine allgemeine Tüchtigkeit des Characters, wie ſie durch die Theilnahme an den Staatsgeſchäften, durch Handel und Reiſen, vor- züglich durch ſyſtematiſchen Ausſchluß alles Müſſigganges in Florenz zur Blüthe gebracht worden war. Damals ſeien denn auch die Florentiner in der ganzen Welt angeſehen und brauchbar geweſen und nicht umſonſt habe Papſt Bo- nifaz VIII. ſie in eben jenem Jahre das fünfte Element genannt. Mit dem ſtärkern Andringen des Humanismus ſeit 1400 ſei dieſer einheimiſche Trieb verkümmert, man habe fortan die Löſung jedes Problems nur vom Alterthum erwartet und darob die Literatur in ein bloßes Citiren aufgehen laſſen; ja der Untergang der Freiheit hänge hie- mit zuſammen, indem dieſe Erudition auf einer Knechtſchaft unter der Autorität beruhte, das municipale Recht dem römiſchen aufopferte und ſchon deßhalb die Gunſt der Ge- waltherrſcher ſuchte und fand.
Dieſe Anklagen werden uns noch hie und da beſchäfti-Ihre Unver- meidlichkeit. gen, wo dann ihr wahres Maaß und der Erſatz für die Einbuße zur Sprache kommen wird. Hier iſt nur vor Allem feſtzuſtellen, daß die Cultur des kräftigen XIV. Jahrhunderts ſelbſt nothwendig auf den völligen Sieg des Humanismus hindrängte und daß gerade die Größten im Reiche des ſpeciell italieniſchen Geiſtes dem ſchrankenloſen Alterthumsbetrieb des XV. Jahrhunderts Thür und Thor geöffnet haben.
Vor allen Dante. Wenn eine Reihenfolge von GenienDante. ſeines Ranges die italiſche Cultur hätte weiter führen können, ſo würde ſie ſelbſt bei der ſtärkſten Anfüllung mit antiken Elementen beſtändig einen hocheigenthümlichen nationalen Eindruck machen. Allein Italien und das ganze Abend- land haben keinen zweiten Dante hervorgebracht, und ſo
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[199/0209]
hätten urſprünglich florentiniſchen Handarbeitern gehört;
damals ſei die Entſtehung einer populären Encycloplädie
wie der „Teſoro“ des Brunetto Latini möglich geweſen;
und dieß Alles habe zur Grundlage gehabt eine allgemeine
Tüchtigkeit des Characters, wie ſie durch die Theilnahme
an den Staatsgeſchäften, durch Handel und Reiſen, vor-
züglich durch ſyſtematiſchen Ausſchluß alles Müſſigganges
in Florenz zur Blüthe gebracht worden war. Damals ſeien
denn auch die Florentiner in der ganzen Welt angeſehen
und brauchbar geweſen und nicht umſonſt habe Papſt Bo-
nifaz VIII. ſie in eben jenem Jahre das fünfte Element
genannt. Mit dem ſtärkern Andringen des Humanismus
ſeit 1400 ſei dieſer einheimiſche Trieb verkümmert, man
habe fortan die Löſung jedes Problems nur vom Alterthum
erwartet und darob die Literatur in ein bloßes Citiren
aufgehen laſſen; ja der Untergang der Freiheit hänge hie-
mit zuſammen, indem dieſe Erudition auf einer Knechtſchaft
unter der Autorität beruhte, das municipale Recht dem
römiſchen aufopferte und ſchon deßhalb die Gunſt der Ge-
waltherrſcher ſuchte und fand.
3. Abſchnitt.
Dieſe Anklagen werden uns noch hie und da beſchäfti-
gen, wo dann ihr wahres Maaß und der Erſatz für die
Einbuße zur Sprache kommen wird. Hier iſt nur vor
Allem feſtzuſtellen, daß die Cultur des kräftigen XIV.
Jahrhunderts ſelbſt nothwendig auf den völligen Sieg des
Humanismus hindrängte und daß gerade die Größten im
Reiche des ſpeciell italieniſchen Geiſtes dem ſchrankenloſen
Alterthumsbetrieb des XV. Jahrhunderts Thür und Thor
geöffnet haben.
Ihre Unver-
meidlichkeit.
Vor allen Dante. Wenn eine Reihenfolge von Genien
ſeines Ranges die italiſche Cultur hätte weiter führen können,
ſo würde ſie ſelbſt bei der ſtärkſten Anfüllung mit antiken
Elementen beſtändig einen hocheigenthümlichen nationalen
Eindruck machen. Allein Italien und das ganze Abend-
land haben keinen zweiten Dante hervorgebracht, und ſo
Dante.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/209>, abgerufen am 23.11.2024.
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