3. Abschnitt.Dem glänzenden Bilde des leonischen Rom, wie es Paolo Giovio entwirft, wird man sich nie entziehen können, so gut bezeugt auch die Schattenseiten sind: die Knechtschaft der Emporstrebenden und das heimliche Elend der Prälaten, welche trotz ihrer Schulden standesgemäß leben müssen 1), das Lotteriemäßige und Zufällige von Leo's literarischem Mäcenat, endlich seine völlig verderbliche Geldwirthschaft 2). Derselbe Ariost, der diese Dinge so gut kannte und ver- spottete, giebt doch wieder in der sechsten Satire ein ganz sehnsüchtiges Bild von dem Umgang mit den hochgebildeten Poeten, welche ihn durch die Ruinenstadt begleiten würden, von dem gelehrten Beirath, den er für seine eigene Dich- tung dort vorfände, endlich von den Schätzen der vatica- nischen Bibliothek. Dieß, und nicht die längst aufgegebene Hoffnung auf mediceische Protection, meint er, wären die wahren Lockspeisen für ihn, wenn man ihn wieder bewegen wollte, als ferraresischer Gesandter nach Rom zu gehen.
Ruinen- sentimentalität.Außer dem archäologischen Eifer und der feierlich pa- triotischen Stimmung weckten die Ruinen als solche, in und außer Rom, auch schon eine elegisch-sentimentale. Bereits bei Petrarca und Boccaccio finden sich Anklänge dieser Art (S. 177, 181); Poggio (a. a. O.) besucht oft den Tempel der Venus und Roma, in der Meinung es sei der des Castor und Pollux, wo einst so oft Senat gehalten worden, und vertieft sich hier in die Erinnerung an die großen Redner Crassus, Hortensius, Cicero. Vollkommen sentimental äußert sich dann Pius II. zumal bei der Beschreibung von Tibur 3), und bald darauf entsteht die erste ideale Ruinenansicht nebst
1) Von Ariosto's Satiren gehören hieher die I. (Perc' ho molto etc.,) und die IV. (Poiche, Annibale etc.).
2) Ranke, Päpste, I, 408 f. -- Lettere de' principi I, Brief des Negri 1. Sept. 1522: ... tutti questi cortigiani esausti da Papa Leone e falliti ...
3)Pii II. Commentarii p. 251, im V. Buch. -- Vgl. auch Sanna- zaro's Elegie in ruinas Cumarum, im 2. Buche.
3. Abſchnitt.Dem glänzenden Bilde des leoniſchen Rom, wie es Paolo Giovio entwirft, wird man ſich nie entziehen können, ſo gut bezeugt auch die Schattenſeiten ſind: die Knechtſchaft der Emporſtrebenden und das heimliche Elend der Prälaten, welche trotz ihrer Schulden ſtandesgemäß leben müſſen 1), das Lotteriemäßige und Zufällige von Leo's literariſchem Mäcenat, endlich ſeine völlig verderbliche Geldwirthſchaft 2). Derſelbe Arioſt, der dieſe Dinge ſo gut kannte und ver- ſpottete, giebt doch wieder in der ſechsten Satire ein ganz ſehnſüchtiges Bild von dem Umgang mit den hochgebildeten Poeten, welche ihn durch die Ruinenſtadt begleiten würden, von dem gelehrten Beirath, den er für ſeine eigene Dich- tung dort vorfände, endlich von den Schätzen der vatica- niſchen Bibliothek. Dieß, und nicht die längſt aufgegebene Hoffnung auf mediceiſche Protection, meint er, wären die wahren Lockſpeiſen für ihn, wenn man ihn wieder bewegen wollte, als ferrareſiſcher Geſandter nach Rom zu gehen.
Ruinen- ſentimentalität.Außer dem archäologiſchen Eifer und der feierlich pa- triotiſchen Stimmung weckten die Ruinen als ſolche, in und außer Rom, auch ſchon eine elegiſch-ſentimentale. Bereits bei Petrarca und Boccaccio finden ſich Anklänge dieſer Art (S. 177, 181); Poggio (a. a. O.) beſucht oft den Tempel der Venus und Roma, in der Meinung es ſei der des Caſtor und Pollux, wo einſt ſo oft Senat gehalten worden, und vertieft ſich hier in die Erinnerung an die großen Redner Craſſus, Hortenſius, Cicero. Vollkommen ſentimental äußert ſich dann Pius II. zumal bei der Beſchreibung von Tibur 3), und bald darauf entſteht die erſte ideale Ruinenanſicht nebſt
1) Von Arioſto's Satiren gehören hieher die I. (Perc' ho molto etc.,) und die IV. (Poiche, Annibale etc.).
2) Ranke, Päpſte, I, 408 f. — Lettere de' principi I, Brief des Negri 1. Sept. 1522: … tutti questi cortigiani esausti da Papa Leone e falliti …
3)Pii II. Commentarii p. 251, im V. Buch. — Vgl. auch Sanna- zaro's Elegie in ruinas Cumarum, im 2. Buche.
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Dem glänzenden Bilde des leoniſchen Rom, wie es Paolo
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der Emporſtrebenden und das heimliche Elend der Prälaten,
welche trotz ihrer Schulden ſtandesgemäß leben müſſen 1),
das Lotteriemäßige und Zufällige von Leo's literariſchem
Mäcenat, endlich ſeine völlig verderbliche Geldwirthſchaft 2).
Derſelbe Arioſt, der dieſe Dinge ſo gut kannte und ver-
ſpottete, giebt doch wieder in der ſechsten Satire ein ganz
ſehnſüchtiges Bild von dem Umgang mit den hochgebildeten
Poeten, welche ihn durch die Ruinenſtadt begleiten würden,
von dem gelehrten Beirath, den er für ſeine eigene Dich-
tung dort vorfände, endlich von den Schätzen der vatica-
niſchen Bibliothek. Dieß, und nicht die längſt aufgegebene
Hoffnung auf mediceiſche Protection, meint er, wären die
wahren Lockſpeiſen für ihn, wenn man ihn wieder bewegen
wollte, als ferrareſiſcher Geſandter nach Rom zu gehen.
3. Abſchnitt.
Außer dem archäologiſchen Eifer und der feierlich pa-
triotiſchen Stimmung weckten die Ruinen als ſolche, in und
außer Rom, auch ſchon eine elegiſch-ſentimentale. Bereits
bei Petrarca und Boccaccio finden ſich Anklänge dieſer Art
(S. 177, 181); Poggio (a. a. O.) beſucht oft den Tempel der
Venus und Roma, in der Meinung es ſei der des Caſtor
und Pollux, wo einſt ſo oft Senat gehalten worden, und
vertieft ſich hier in die Erinnerung an die großen Redner
Craſſus, Hortenſius, Cicero. Vollkommen ſentimental äußert
ſich dann Pius II. zumal bei der Beſchreibung von Tibur 3),
und bald darauf entſteht die erſte ideale Ruinenanſicht nebſt
Ruinen-
ſentimentalität.
1) Von Arioſto's Satiren gehören hieher die I. (Perc' ho molto etc.,)
und die IV. (Poiche, Annibale etc.).
2) Ranke, Päpſte, I, 408 f. — Lettere de' principi I, Brief des Negri
1. Sept. 1522: … tutti questi cortigiani esausti da Papa
Leone e falliti …
3) Pii II. Commentarii p. 251, im V. Buch. — Vgl. auch Sanna-
zaro's Elegie in ruinas Cumarum, im 2. Buche.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/196>, abgerufen am 23.11.2024.
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