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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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2. Abschnitt.Brandopfer des römischen Hohnes aber war der gute Ha-
Hohn auf Ha-
drian VI.
drian VI.; es bildete sich ein Uebereinkommen, ihn durch-
aus nur von der burlesken Seite zu nehmen. Mit der
furchtbaren Feder eines Francesco Berni verdarb er es gleich
von Anfang an, indem er drohte -- nicht die Statue des
Pasquino, wie man 1) sagte -- sondern die Pasquillanten
selber in die Tiber werfen zu lassen. Die Rache dafür
war das berühmte Capitolo "gegen Papst Adriano", dictirt
nicht eigentlich vom Haß, sondern von der Verachtung gegen
den lächerlichen holländischen Barbaren; die wilde Drohung
wird aufgespart für die Cardinäle, die ihn gewählt haben.
Berni und Andere 2) malen auch die Umgebung des Papstes
mit derselben pikanten Lügenhaftigkeit aus, mit welcher das
heutige Pariser Feuilleton das So zum Anders und das
Nichts zum Etwas verkünstelt. Die Biographie, welche
Paolo Giovio im Auftrag des Cardinals von Tortosa
verfaßte, und welche eigentlich eine Lobschrift vorstellen
sollte, ist für Jeden, der zwischen den Zeilen lesen kann,
ein wahrer Ausbund von Hohn. Es liest sich (zumal für
das damalige Italien) sehr komisch, wie Hadrian sich beim
Domcapitel von Saragossa um die Kinnlade des S. Lam-
bert bewirbt, wie ihn dann die andächtigen Spanier mit
Schmuck und Zeug ausstatten "bis er einem wohlheraus-
geputzten Papst recht ähnlich sieht", wie er seinen stürmi-
schen und geschmacklosen Zug von Ostia gen Rom hält,
sich über die Versenkung oder Verbrennung des Pasquino
beräth, die wichtigsten Verhandlungen wegen Meldung des

1) Die ganze angebliche Berathung über das Versenken des Pasquino
bei Paul. Jov., vita Hadriani, ist von Sixtus IV. auf Hadrian über-
getragen. -- Vgl. Lettere di principi I, Brief des Negro vom
7. Apr. 1523. Pasquino hatte am St. Marcustag ein besonderes
Fest, welches der Papst verbot.
2) Z. B.: Firenzuola, opere, vol. I, p. 116, im Discorso degli
animali.

2. Abſchnitt.Brandopfer des römiſchen Hohnes aber war der gute Ha-
Hohn auf Ha-
drian VI.
drian VI.; es bildete ſich ein Uebereinkommen, ihn durch-
aus nur von der burlesken Seite zu nehmen. Mit der
furchtbaren Feder eines Francesco Berni verdarb er es gleich
von Anfang an, indem er drohte — nicht die Statue des
Pasquino, wie man 1) ſagte — ſondern die Pasquillanten
ſelber in die Tiber werfen zu laſſen. Die Rache dafür
war das berühmte Capitolo „gegen Papſt Adriano“, dictirt
nicht eigentlich vom Haß, ſondern von der Verachtung gegen
den lächerlichen holländiſchen Barbaren; die wilde Drohung
wird aufgeſpart für die Cardinäle, die ihn gewählt haben.
Berni und Andere 2) malen auch die Umgebung des Papſtes
mit derſelben pikanten Lügenhaftigkeit aus, mit welcher das
heutige Pariſer Feuilleton das So zum Anders und das
Nichts zum Etwas verkünſtelt. Die Biographie, welche
Paolo Giovio im Auftrag des Cardinals von Tortoſa
verfaßte, und welche eigentlich eine Lobſchrift vorſtellen
ſollte, iſt für Jeden, der zwiſchen den Zeilen leſen kann,
ein wahrer Ausbund von Hohn. Es liest ſich (zumal für
das damalige Italien) ſehr komiſch, wie Hadrian ſich beim
Domcapitel von Saragoſſa um die Kinnlade des S. Lam-
bert bewirbt, wie ihn dann die andächtigen Spanier mit
Schmuck und Zeug ausſtatten „bis er einem wohlheraus-
geputzten Papſt recht ähnlich ſieht“, wie er ſeinen ſtürmi-
ſchen und geſchmackloſen Zug von Oſtia gen Rom hält,
ſich über die Verſenkung oder Verbrennung des Pasquino
beräth, die wichtigſten Verhandlungen wegen Meldung des

1) Die ganze angebliche Berathung über das Verſenken des Pasquino
bei Paul. Jov., vita Hadriani, iſt von Sixtus IV. auf Hadrian über-
getragen. — Vgl. Lettere di principi I, Brief des Negro vom
7. Apr. 1523. Pasquino hatte am St. Marcustag ein beſonderes
Feſt, welches der Papſt verbot.
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[164/0174] Brandopfer des römiſchen Hohnes aber war der gute Ha- drian VI.; es bildete ſich ein Uebereinkommen, ihn durch- aus nur von der burlesken Seite zu nehmen. Mit der furchtbaren Feder eines Francesco Berni verdarb er es gleich von Anfang an, indem er drohte — nicht die Statue des Pasquino, wie man 1) ſagte — ſondern die Pasquillanten ſelber in die Tiber werfen zu laſſen. Die Rache dafür war das berühmte Capitolo „gegen Papſt Adriano“, dictirt nicht eigentlich vom Haß, ſondern von der Verachtung gegen den lächerlichen holländiſchen Barbaren; die wilde Drohung wird aufgeſpart für die Cardinäle, die ihn gewählt haben. Berni und Andere 2) malen auch die Umgebung des Papſtes mit derſelben pikanten Lügenhaftigkeit aus, mit welcher das heutige Pariſer Feuilleton das So zum Anders und das Nichts zum Etwas verkünſtelt. Die Biographie, welche Paolo Giovio im Auftrag des Cardinals von Tortoſa verfaßte, und welche eigentlich eine Lobſchrift vorſtellen ſollte, iſt für Jeden, der zwiſchen den Zeilen leſen kann, ein wahrer Ausbund von Hohn. Es liest ſich (zumal für das damalige Italien) ſehr komiſch, wie Hadrian ſich beim Domcapitel von Saragoſſa um die Kinnlade des S. Lam- bert bewirbt, wie ihn dann die andächtigen Spanier mit Schmuck und Zeug ausſtatten „bis er einem wohlheraus- geputzten Papſt recht ähnlich ſieht“, wie er ſeinen ſtürmi- ſchen und geſchmackloſen Zug von Oſtia gen Rom hält, ſich über die Verſenkung oder Verbrennung des Pasquino beräth, die wichtigſten Verhandlungen wegen Meldung des 2. Abſchnitt. Hohn auf Ha- drian VI. 1) Die ganze angebliche Berathung über das Verſenken des Pasquino bei Paul. Jov., vita Hadriani, iſt von Sixtus IV. auf Hadrian über- getragen. — Vgl. Lettere di principi I, Brief des Negro vom 7. Apr. 1523. Pasquino hatte am St. Marcustag ein beſonderes Feſt, welches der Papſt verbot. 2) Z. B.: Firenzuola, opere, vol. I, p. 116, im Discorso degli animali.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/174>, abgerufen am 24.11.2024.