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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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1. Abschnitt.Julius hatte durch eine donnernde Constitution 1) seines
lateranensischen Concils die Simonie bei der Papstwahl
Leo X.verboten. Nach seinem Tode (1513) wollten die geldlustigen
Cardinäle dieß Verbot dadurch umgehen, daß eine allge-
meine Abrede proponirt wurde, wonach die bisherigen
Pfründen und Aemter des zu Wählenden gleichmäßig unter
sie vertheilt werden sollten; sie würden dann den pfründen-
reichsten Cardinal (den ganz untüchtigen Rafael Riario)
gewählt haben 2). Allein ein Aufschwung hauptsächlich der
jüngern Mitglieder des heil. Collegiums, welche vor Allem
einen liberalen Papst wollten, durchkreuzte jene jämmerliche
Combination; man wählte Giovanni Medici, den berühm-
ten Leo X.

Wir werden ihm noch öfter begegnen, wo irgend von der
Sonnenhöhe der Renaissance die Rede sein wird; hier
ist nur darauf hinzuweisen, daß unter ihm das Papstthum
wieder große innere und äußere Gefahren erlitt. Darunter
ist nicht zu rechnen die Verschwörung der Cardinäle Pe-
trucci, Sauli, Riario und Corneto, weil diese höchstens
einen Personenwechsel zur Folge haben konnte; auch fand
Leo das wahre Gegenmittel in Gestalt jener unerhörten
Creation von 31 neuen Cardinälen, welche noch dazu einen
guten Effect machte, weil sie zum Theil das wahre Ver-
dienst belohnte.

Pläne auf ganz
Italien.
Höchst gefährlich aber waren gewisse Wege, auf wel-
chen Leo in den zwei ersten Jahren seines Amtes sich be-
treten ließ. Durch ganz ernstliche Unterhandlungen suchte
er seinem Bruder Giuliano das Königreich Neapel und
seinem Neffen Lorenzo ein großes oberitalisches Reich zu
verschaffen, welches Mailand, Toscana, Urbino und Ferrara

in liberta .. a publica ribellione, wie Guicciardini im zehnten
Buch meldet.
1) Septimo decretal. L. I, Tit. 3, Cap. 1 bis 3.
2) Franc. Vettori, im Arch. stor. VI, 297.

1. Abſchnitt.Julius hatte durch eine donnernde Conſtitution 1) ſeines
lateranenſiſchen Concils die Simonie bei der Papſtwahl
Leo X.verboten. Nach ſeinem Tode (1513) wollten die geldluſtigen
Cardinäle dieß Verbot dadurch umgehen, daß eine allge-
meine Abrede proponirt wurde, wonach die bisherigen
Pfründen und Aemter des zu Wählenden gleichmäßig unter
ſie vertheilt werden ſollten; ſie würden dann den pfründen-
reichſten Cardinal (den ganz untüchtigen Rafael Riario)
gewählt haben 2). Allein ein Aufſchwung hauptſächlich der
jüngern Mitglieder des heil. Collegiums, welche vor Allem
einen liberalen Papſt wollten, durchkreuzte jene jämmerliche
Combination; man wählte Giovanni Medici, den berühm-
ten Leo X.

Wir werden ihm noch öfter begegnen, wo irgend von der
Sonnenhöhe der Renaiſſance die Rede ſein wird; hier
iſt nur darauf hinzuweiſen, daß unter ihm das Papſtthum
wieder große innere und äußere Gefahren erlitt. Darunter
iſt nicht zu rechnen die Verſchwörung der Cardinäle Pe-
trucci, Sauli, Riario und Corneto, weil dieſe höchſtens
einen Perſonenwechſel zur Folge haben konnte; auch fand
Leo das wahre Gegenmittel in Geſtalt jener unerhörten
Creation von 31 neuen Cardinälen, welche noch dazu einen
guten Effect machte, weil ſie zum Theil das wahre Ver-
dienſt belohnte.

Pläne auf ganz
Italien.
Höchſt gefährlich aber waren gewiſſe Wege, auf wel-
chen Leo in den zwei erſten Jahren ſeines Amtes ſich be-
treten ließ. Durch ganz ernſtliche Unterhandlungen ſuchte
er ſeinem Bruder Giuliano das Königreich Neapel und
ſeinem Neffen Lorenzo ein großes oberitaliſches Reich zu
verſchaffen, welches Mailand, Toscana, Urbino und Ferrara

in libertà .. a publica ribellione, wie Guicciardini im zehnten
Buch meldet.
1) Septimo decretal. L. I, Tit. 3, Cap. 1 bis 3.
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[122/0132] Julius hatte durch eine donnernde Conſtitution 1) ſeines lateranenſiſchen Concils die Simonie bei der Papſtwahl verboten. Nach ſeinem Tode (1513) wollten die geldluſtigen Cardinäle dieß Verbot dadurch umgehen, daß eine allge- meine Abrede proponirt wurde, wonach die bisherigen Pfründen und Aemter des zu Wählenden gleichmäßig unter ſie vertheilt werden ſollten; ſie würden dann den pfründen- reichſten Cardinal (den ganz untüchtigen Rafael Riario) gewählt haben 2). Allein ein Aufſchwung hauptſächlich der jüngern Mitglieder des heil. Collegiums, welche vor Allem einen liberalen Papſt wollten, durchkreuzte jene jämmerliche Combination; man wählte Giovanni Medici, den berühm- ten Leo X. 1. Abſchnitt. Leo X. Wir werden ihm noch öfter begegnen, wo irgend von der Sonnenhöhe der Renaiſſance die Rede ſein wird; hier iſt nur darauf hinzuweiſen, daß unter ihm das Papſtthum wieder große innere und äußere Gefahren erlitt. Darunter iſt nicht zu rechnen die Verſchwörung der Cardinäle Pe- trucci, Sauli, Riario und Corneto, weil dieſe höchſtens einen Perſonenwechſel zur Folge haben konnte; auch fand Leo das wahre Gegenmittel in Geſtalt jener unerhörten Creation von 31 neuen Cardinälen, welche noch dazu einen guten Effect machte, weil ſie zum Theil das wahre Ver- dienſt belohnte. Höchſt gefährlich aber waren gewiſſe Wege, auf wel- chen Leo in den zwei erſten Jahren ſeines Amtes ſich be- treten ließ. Durch ganz ernſtliche Unterhandlungen ſuchte er ſeinem Bruder Giuliano das Königreich Neapel und ſeinem Neffen Lorenzo ein großes oberitaliſches Reich zu verſchaffen, welches Mailand, Toscana, Urbino und Ferrara 2) Pläne auf ganz Italien. 1) Septimo decretal. L. I, Tit. 3, Cap. 1 bis 3. 2) Franc. Vettori, im Arch. stor. VI, 297. 2) in libertà .. a publica ribellione, wie Guicciardini im zehnten Buch meldet.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/132>, abgerufen am 28.03.2024.