1. Abschnitt.niedrigsten Sinne, namentlich um den Erwerb großer Geld- massen 1) zu thun sein konnte. Die Art jedoch, wie Vater und Sohn dieß Geschäft trieben, hätte auf die Länge zu einer höchst gefährlichen Katastrophe, zur Auflösung des Staates, führen müssen.
Verkauf der Be- gnadigungen.Hatte Sixtus das Geld beschafft durch den Verkauf aller geistlichen Gnaden und Würden, so errichten Innocenz und sein Sohn eine Bank der weltlichen Gnaden, wo gegen Erlegung von hohen Taxen Pardon für Mord und Todt- schlag zu haben ist; von jeder Buße kommen 150 Ducaten an die päpstliche Kammer, und was darüber geht, an Franceschetto. Rom wimmelt namentlich in den letzten Zeiten dieses Pontificates von protegirten und nicht prote- girten Mördern; die Factionen, mit deren Unterwerfung Sixtus den Anfang gemacht, stehen wieder in voller Blüthe da; dem Papst in seinem wohlverwahrtem Vatican genügt es, da und dort Fallen aufzustellen, in welchen sich zahlungs- fähige Verbrecher fangen sollen. Für Franceschetto aber gab es nur noch eine Hauptfrage: auf welche Art er sich, wenn der Papst stürbe, mit möglichst großen Kassen aus dem Staube machen könne? Er verrieth sich einmal bei Anlaß einer falschen Todesnachricht (1490); alles überhaupt vorhandene Geld -- den Schatz der Kirche -- wollte er fortschaffen, und als die Umgebung ihn daran hinderte, sollte wenigstens der Türkenprinz Dschem mitgehen, ein lebendiges Capital, das man um hohen Preis etwa an Ferrante von Neapel verhandeln konnte 2). Es ist schwer, politische Möglichkeiten in längst vergangenen Zeiten zu berechnen; unabweisbar aber drängt sich die Frage auf, ob Rom noch zwei oder drei Pontificate dieser Art ausgehalten
1) Um etwa noch neapolitanischer Lehen, weßhalb denn auch Innocenz die Anjou von Neuem gegen den in solchem Betracht harthörigen König Ferrante aufrief.
2) Vgl. bes. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, passim.
1. Abſchnitt.niedrigſten Sinne, namentlich um den Erwerb großer Geld- maſſen 1) zu thun ſein konnte. Die Art jedoch, wie Vater und Sohn dieß Geſchäft trieben, hätte auf die Länge zu einer höchſt gefährlichen Kataſtrophe, zur Auflöſung des Staates, führen müſſen.
Verkauf der Be- gnadigungen.Hatte Sixtus das Geld beſchafft durch den Verkauf aller geiſtlichen Gnaden und Würden, ſo errichten Innocenz und ſein Sohn eine Bank der weltlichen Gnaden, wo gegen Erlegung von hohen Taxen Pardon für Mord und Todt- ſchlag zu haben iſt; von jeder Buße kommen 150 Ducaten an die päpſtliche Kammer, und was darüber geht, an Franceſchetto. Rom wimmelt namentlich in den letzten Zeiten dieſes Pontificates von protegirten und nicht prote- girten Mördern; die Factionen, mit deren Unterwerfung Sixtus den Anfang gemacht, ſtehen wieder in voller Blüthe da; dem Papſt in ſeinem wohlverwahrtem Vatican genügt es, da und dort Fallen aufzuſtellen, in welchen ſich zahlungs- fähige Verbrecher fangen ſollen. Für Franceſchetto aber gab es nur noch eine Hauptfrage: auf welche Art er ſich, wenn der Papſt ſtürbe, mit möglichſt großen Kaſſen aus dem Staube machen könne? Er verrieth ſich einmal bei Anlaß einer falſchen Todesnachricht (1490); alles überhaupt vorhandene Geld — den Schatz der Kirche — wollte er fortſchaffen, und als die Umgebung ihn daran hinderte, ſollte wenigſtens der Türkenprinz Dſchem mitgehen, ein lebendiges Capital, das man um hohen Preis etwa an Ferrante von Neapel verhandeln konnte 2). Es iſt ſchwer, politiſche Möglichkeiten in längſt vergangenen Zeiten zu berechnen; unabweisbar aber drängt ſich die Frage auf, ob Rom noch zwei oder drei Pontificate dieſer Art ausgehalten
1) Um etwa noch neapolitaniſcher Lehen, weßhalb denn auch Innocenz die Anjou von Neuem gegen den in ſolchem Betracht harthörigen König Ferrante aufrief.
2) Vgl. beſ. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, passim.
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niedrigſten Sinne, namentlich um den Erwerb großer Geld-
maſſen 1) zu thun ſein konnte. Die Art jedoch, wie Vater
und Sohn dieß Geſchäft trieben, hätte auf die Länge zu
einer höchſt gefährlichen Kataſtrophe, zur Auflöſung des
Staates, führen müſſen.
1. Abſchnitt.
Hatte Sixtus das Geld beſchafft durch den Verkauf
aller geiſtlichen Gnaden und Würden, ſo errichten Innocenz
und ſein Sohn eine Bank der weltlichen Gnaden, wo gegen
Erlegung von hohen Taxen Pardon für Mord und Todt-
ſchlag zu haben iſt; von jeder Buße kommen 150 Ducaten
an die päpſtliche Kammer, und was darüber geht, an
Franceſchetto. Rom wimmelt namentlich in den letzten
Zeiten dieſes Pontificates von protegirten und nicht prote-
girten Mördern; die Factionen, mit deren Unterwerfung
Sixtus den Anfang gemacht, ſtehen wieder in voller Blüthe
da; dem Papſt in ſeinem wohlverwahrtem Vatican genügt
es, da und dort Fallen aufzuſtellen, in welchen ſich zahlungs-
fähige Verbrecher fangen ſollen. Für Franceſchetto aber
gab es nur noch eine Hauptfrage: auf welche Art er ſich,
wenn der Papſt ſtürbe, mit möglichſt großen Kaſſen aus
dem Staube machen könne? Er verrieth ſich einmal bei
Anlaß einer falſchen Todesnachricht (1490); alles überhaupt
vorhandene Geld — den Schatz der Kirche — wollte er
fortſchaffen, und als die Umgebung ihn daran hinderte,
ſollte wenigſtens der Türkenprinz Dſchem mitgehen, ein
lebendiges Capital, das man um hohen Preis etwa an
Ferrante von Neapel verhandeln konnte 2). Es iſt ſchwer,
politiſche Möglichkeiten in längſt vergangenen Zeiten zu
berechnen; unabweisbar aber drängt ſich die Frage auf, ob
Rom noch zwei oder drei Pontificate dieſer Art ausgehalten
Verkauf der Be-
gnadigungen.
1) Um etwa noch neapolitaniſcher Lehen, weßhalb denn auch Innocenz
die Anjou von Neuem gegen den in ſolchem Betracht harthörigen
König Ferrante aufrief.
2) Vgl. beſ. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, passim.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/120>, abgerufen am 26.11.2024.
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