1. Abschnitt.tin's mit einem Wunsch um baldige Säcularisation des Kirchenstaates 1).
Unter Pius II.Auch die catilinarische Rotte, mit welcher Pius II. (1459) kämpfen mußte 2), verhehlte es nicht, daß ihr Ziel der Sturz der Priester-Herrschaft im Allgemeinen sei, und der Hauptanführer Tiburzio gab Wahrsagern die Schuld, welche ihm die Erfüllung dieses Wunsches eben auf dieses Jahr verheißen hätten. Mehrere Römische Große, der Fürst von Tarent und der Condottiere Jacopo Piccinino waren die Mitwisser und Beförderer. Und wenn man be- denkt, welche Beute in den Palästen reicher Prälaten bereit lag (Jene hatten besonders den Cardinal von Aquileja im Auge), so fällt es eher auf, daß in der fast ganz un- bewachten Stadt solche Versuche nicht häufiger und erfolg- reicher waren. Nicht umsonst residirte Pius lieber überall als in Rom, und noch Paul II. hat (1468) einen heftigen Schrecken wegen eines wirklichen oder vorgegebenen Com- plottes ähnlicher Art ausgestanden 3). Das Papstthum mußte entweder einmal einem solchen Anfall unterliegen oder gewaltsam die Factionen der Großen bändigen, unter deren Schutz jene Räuberschaaren heranwuchsen.
Sixtus IV.Diese Aufgabe setzte sich der schreckliche Sixtus IV. Er zuerst hatte Rom und die Umgegend fast völlig in der Gewalt, zumal seit der Verfolgung der Colonnesen, und deßhalb konnte er auch in Sachen des Pontificates sowohl als der italienischen Politik mit so kühnem Trotz verfahren und die Klagen und Concils-Drohungen des ganzen Abend- landes verachten. Die nöthigen Geldmittel lieferte eine plötzlich ins Schrankenlose wachsende Simonie, welche von
1)Ut Papa tantum vicarius Christi sit et non etiam Caesaris ... Tunc Papa et dicetur et erit pater sanctus, pater omnium, pater ecclesiae etc.
2)Pii II. Commentarii IV. p. 208, seqq.
3)Platina, Vitae Papar. p. 318.
1. Abſchnitt.tin's mit einem Wunſch um baldige Säculariſation des Kirchenſtaates 1).
Unter Pius II.Auch die catilinariſche Rotte, mit welcher Pius II. (1459) kämpfen mußte 2), verhehlte es nicht, daß ihr Ziel der Sturz der Prieſter-Herrſchaft im Allgemeinen ſei, und der Hauptanführer Tiburzio gab Wahrſagern die Schuld, welche ihm die Erfüllung dieſes Wunſches eben auf dieſes Jahr verheißen hätten. Mehrere Römiſche Große, der Fürſt von Tarent und der Condottiere Jacopo Piccinino waren die Mitwiſſer und Beförderer. Und wenn man be- denkt, welche Beute in den Paläſten reicher Prälaten bereit lag (Jene hatten beſonders den Cardinal von Aquileja im Auge), ſo fällt es eher auf, daß in der faſt ganz un- bewachten Stadt ſolche Verſuche nicht häufiger und erfolg- reicher waren. Nicht umſonſt reſidirte Pius lieber überall als in Rom, und noch Paul II. hat (1468) einen heftigen Schrecken wegen eines wirklichen oder vorgegebenen Com- plottes ähnlicher Art ausgeſtanden 3). Das Papſtthum mußte entweder einmal einem ſolchen Anfall unterliegen oder gewaltſam die Factionen der Großen bändigen, unter deren Schutz jene Räuberſchaaren heranwuchſen.
Sixtus IV.Dieſe Aufgabe ſetzte ſich der ſchreckliche Sixtus IV. Er zuerſt hatte Rom und die Umgegend faſt völlig in der Gewalt, zumal ſeit der Verfolgung der Colonneſen, und deßhalb konnte er auch in Sachen des Pontificates ſowohl als der italieniſchen Politik mit ſo kühnem Trotz verfahren und die Klagen und Concils-Drohungen des ganzen Abend- landes verachten. Die nöthigen Geldmittel lieferte eine plötzlich ins Schrankenloſe wachſende Simonie, welche von
1)Ut Papa tantum vicarius Christi sit et non etiam Cæsaris … Tunc Papa et dicetur et erit pater sanctus, pater omnium, pater ecclesiæ etc.
2)Pii II. Commentarii IV. p. 208, seqq.
3)Platina, Vitæ Papar. p. 318.
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Kirchenſtaates 1).
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(1459) kämpfen mußte 2), verhehlte es nicht, daß ihr Ziel
der Sturz der Prieſter-Herrſchaft im Allgemeinen ſei, und
der Hauptanführer Tiburzio gab Wahrſagern die Schuld,
welche ihm die Erfüllung dieſes Wunſches eben auf dieſes
Jahr verheißen hätten. Mehrere Römiſche Große, der
Fürſt von Tarent und der Condottiere Jacopo Piccinino
waren die Mitwiſſer und Beförderer. Und wenn man be-
denkt, welche Beute in den Paläſten reicher Prälaten bereit
lag (Jene hatten beſonders den Cardinal von Aquileja
im Auge), ſo fällt es eher auf, daß in der faſt ganz un-
bewachten Stadt ſolche Verſuche nicht häufiger und erfolg-
reicher waren. Nicht umſonſt reſidirte Pius lieber überall
als in Rom, und noch Paul II. hat (1468) einen heftigen
Schrecken wegen eines wirklichen oder vorgegebenen Com-
plottes ähnlicher Art ausgeſtanden 3). Das Papſtthum
mußte entweder einmal einem ſolchen Anfall unterliegen
oder gewaltſam die Factionen der Großen bändigen, unter
deren Schutz jene Räuberſchaaren heranwuchſen.
Unter Pius II.
Dieſe Aufgabe ſetzte ſich der ſchreckliche Sixtus IV.
Er zuerſt hatte Rom und die Umgegend faſt völlig in der
Gewalt, zumal ſeit der Verfolgung der Colonneſen, und
deßhalb konnte er auch in Sachen des Pontificates ſowohl
als der italieniſchen Politik mit ſo kühnem Trotz verfahren
und die Klagen und Concils-Drohungen des ganzen Abend-
landes verachten. Die nöthigen Geldmittel lieferte eine
plötzlich ins Schrankenloſe wachſende Simonie, welche von
Sixtus IV.
1) Ut Papa tantum vicarius Christi sit et non etiam Cæsaris …
Tunc Papa et dicetur et erit pater sanctus, pater omnium,
pater ecclesiæ etc.
2) Pii II. Commentarii IV. p. 208, seqq.
3) Platina, Vitæ Papar. p. 318.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/116>, abgerufen am 25.11.2024.
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