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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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rungen 1) aufgereizt -- eines Tages Otranto wegnahm,1. Abschnitt.
hetzten hernach den Sultan Bajazeth II. gegen Venedig 2).
Ebendasselbe ließ sich Lodovico Moro zu Schulden kommen;
"Das Blut der Gefallenen und der Jammer der bei den
"Türken Gefangenen schreit gegen ihn zu Gott um Rache",
sagt der Annalist des Staates. In Venedig, wo man
Alles wußte, war es auch bekannt, daß Giovanni Sforza,
Fürst von Pesaro, der Vetter des Moro, die nach Mailand
reisenden türkischen Gesandten beherbergt hatte 3). Von den
Päpsten des XV. Jahrhunderts sind die beiden ehren-Die Päpste;
werthesten, Nicolaus V. und Pius II. in tiefstem Kummer
wegen der Türken gestorben, letzterer sogar unter den An-
stalten einer Kreuzfahrt, die er selber leiten wollte; ihre
Nachfolger dagegen veruntreuen die aus der ganzen Chri-
stenheit gesammelten Türkengelder, und entweihen den dar-
auf gegründeten Ablaß zu einer Geldspeculation für sich 4).
Innocenz VIII. giebt sich zum Kerkermeister des geflüchte-
ten Prinzen Dschem her, gegen ein von dessen Bruder
Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Alexander VI.
unterstützt in Constantinopel die Schritte des Lodovico Moro
zur Förderung eines türkischen Angriffes auf Venedig (1498),
worauf ihm dieses mit einem Concil droht 5). Man sieht,
daß das berüchtigte Bündniß Franz I. mit Soliman II.
nichts in seiner Art Neues und Unerhörtes war.

Uebrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchenDie Bevölke-
rungen.

1) Porzio, congiura de' baroni, l. I, p. 4. Daß Lorenzo magnifico
die Hand im Spiel gehabt habe, ist schwer glaublich.
2) Chron. Venetum, bei Murat. XXIV, Col. 14 und 76.
3) Malipiero, a. a. O., p. 565. 568.
4) Trithem. Annales Hirsaug. ad a. 1490, Tom. II, p. 535, s.
5) Malipiero, a. a. O. p. 161. Vgl. p. 152. -- Die Auslieferung
des Dschem an Carl VIII. s. p. 145, wo es klar wird, daß eine
Correspondenz der schimpflichsten Art zwischen Alexander und Baja-
zeth existirte, wenn auch die Actenstücke bei Burcardus unterg eschoben
sein sollten.

rungen 1) aufgereizt — eines Tages Otranto wegnahm,1. Abſchnitt.
hetzten hernach den Sultan Bajazeth II. gegen Venedig 2).
Ebendaſſelbe ließ ſich Lodovico Moro zu Schulden kommen;
„Das Blut der Gefallenen und der Jammer der bei den
„Türken Gefangenen ſchreit gegen ihn zu Gott um Rache“,
ſagt der Annaliſt des Staates. In Venedig, wo man
Alles wußte, war es auch bekannt, daß Giovanni Sforza,
Fürſt von Peſaro, der Vetter des Moro, die nach Mailand
reiſenden türkiſchen Geſandten beherbergt hatte 3). Von den
Päpſten des XV. Jahrhunderts ſind die beiden ehren-Die Päpſte;
wertheſten, Nicolaus V. und Pius II. in tiefſtem Kummer
wegen der Türken geſtorben, letzterer ſogar unter den An-
ſtalten einer Kreuzfahrt, die er ſelber leiten wollte; ihre
Nachfolger dagegen veruntreuen die aus der ganzen Chri-
ſtenheit geſammelten Türkengelder, und entweihen den dar-
auf gegründeten Ablaß zu einer Geldſpeculation für ſich 4).
Innocenz VIII. giebt ſich zum Kerkermeiſter des geflüchte-
ten Prinzen Dſchem her, gegen ein von deſſen Bruder
Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Alexander VI.
unterſtützt in Conſtantinopel die Schritte des Lodovico Moro
zur Förderung eines türkiſchen Angriffes auf Venedig (1498),
worauf ihm dieſes mit einem Concil droht 5). Man ſieht,
daß das berüchtigte Bündniß Franz I. mit Soliman II.
nichts in ſeiner Art Neues und Unerhörtes war.

Uebrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchenDie Bevölke-
rungen.

1) Porzio, congiura de' baroni, l. I, p. 4. Daß Lorenzo magnifico
die Hand im Spiel gehabt habe, iſt ſchwer glaublich.
2) Chron. Venetum, bei Murat. XXIV, Col. 14 und 76.
3) Malipiero, a. a. O., p. 565. 568.
4) Trithem. Annales Hirsaug. ad a. 1490, Tom. II, p. 535, s.
5) Malipiero, a. a. O. p. 161. Vgl. p. 152. — Die Auslieferung
des Dſchem an Carl VIII. ſ. p. 145, wo es klar wird, daß eine
Correſpondenz der ſchimpflichſten Art zwiſchen Alexander und Baja-
zeth exiſtirte, wenn auch die Actenſtücke bei Burcardus unterg eſchoben
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[95/0105] rungen 1) aufgereizt — eines Tages Otranto wegnahm, hetzten hernach den Sultan Bajazeth II. gegen Venedig 2). Ebendaſſelbe ließ ſich Lodovico Moro zu Schulden kommen; „Das Blut der Gefallenen und der Jammer der bei den „Türken Gefangenen ſchreit gegen ihn zu Gott um Rache“, ſagt der Annaliſt des Staates. In Venedig, wo man Alles wußte, war es auch bekannt, daß Giovanni Sforza, Fürſt von Peſaro, der Vetter des Moro, die nach Mailand reiſenden türkiſchen Geſandten beherbergt hatte 3). Von den Päpſten des XV. Jahrhunderts ſind die beiden ehren- wertheſten, Nicolaus V. und Pius II. in tiefſtem Kummer wegen der Türken geſtorben, letzterer ſogar unter den An- ſtalten einer Kreuzfahrt, die er ſelber leiten wollte; ihre Nachfolger dagegen veruntreuen die aus der ganzen Chri- ſtenheit geſammelten Türkengelder, und entweihen den dar- auf gegründeten Ablaß zu einer Geldſpeculation für ſich 4). Innocenz VIII. giebt ſich zum Kerkermeiſter des geflüchte- ten Prinzen Dſchem her, gegen ein von deſſen Bruder Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Alexander VI. unterſtützt in Conſtantinopel die Schritte des Lodovico Moro zur Förderung eines türkiſchen Angriffes auf Venedig (1498), worauf ihm dieſes mit einem Concil droht 5). Man ſieht, daß das berüchtigte Bündniß Franz I. mit Soliman II. nichts in ſeiner Art Neues und Unerhörtes war. 1. Abſchnitt. Die Päpſte; Uebrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchen Die Bevölke- rungen. 1) Porzio, congiura de' baroni, l. I, p. 4. Daß Lorenzo magnifico die Hand im Spiel gehabt habe, iſt ſchwer glaublich. 2) Chron. Venetum, bei Murat. XXIV, Col. 14 und 76. 3) Malipiero, a. a. O., p. 565. 568. 4) Trithem. Annales Hirsaug. ad a. 1490, Tom. II, p. 535, s. 5) Malipiero, a. a. O. p. 161. Vgl. p. 152. — Die Auslieferung des Dſchem an Carl VIII. ſ. p. 145, wo es klar wird, daß eine Correſpondenz der ſchimpflichſten Art zwiſchen Alexander und Baja- zeth exiſtirte, wenn auch die Actenſtücke bei Burcardus unterg eſchoben ſein ſollten.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/105>, abgerufen am 23.04.2024.