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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Subjektives Recht und Rechtssubjekt im öffentlichen Recht.
also gewissermaßen "veröffentlicht" und verstaatlicht würde:
jeder bekäme seinen Teil Pflichten vom Gesetze zugemessen, und
die Behörden hätten lediglich das Gesetz anzuwenden. Jeder
bekäme also auch durch das Gesetz seinen Anteil an den Erzeug-
nissen zugeteilt, wie oben S. 26 ausgeführt. Unter den einzelnen
bestünden keine subjektiven Ansprüche, keine Forderungen auf
Leistung von Arbeit, Übergabe von Sachen oder Geld, Einräumung
der Benützung von Gebrauchsgegenständen oder Immobilien, wie
sie jetzt durch Dienstvertrag, Kauf und Miete entstehen, weil
kein Raum mehr wäre für Rechtsgeschäfte, alles vielmehr von
Gesetzes wegen geordnet würde, weil es also kein Privatrecht
mehr gäbe, niemand Privatrechte hätte und auch niemand mehr
Privatperson, d. h. Inhaber von privatrechtlichen Pflichten und
Rechten, wäre, sondern nur noch gewissermaßen öffentlich-
rechtliche Person, Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Staats-
organismus, Beamter, oder Gegenstand amtlicher Tätigkeit.

Allerdings, wenn die vom Staate gelieferten Erzeugnisse,
z. B. die Kartoffeln, in das "Eigentum" des einzelnen übergingen,
dann hätte er daran ein subjektives Recht, das Eigentumsrecht;
aber das wäre unserer Voraussetzung zuwider, die dahin geht,
daß kein solches Recht bestünde; über die Kartoffeln, die der
Bezugsberechtigte nicht verspeiste, würde dann vielmehr wieder
durch andere Vorschriften verfügt, etwa so, daß er sie der zu-
ständigen Amtsstelle wieder abzuliefern hätte, aber ein beliebiges
Verfügungsrecht darüber hätte er nach unserer Voraussetzung
niemals.

Eine verbreitete Ansicht wird einwenden, in diesem Falle
habe eben der Staat alle Rechte; ihm gegenüber sei der einzelne
verpflichtet, und umgekehrt sei er verpflichtet den einzelnen,
und sie haben Rechte an den Staat. Das scheint in der Tat zu-
nächst so. Er würde die einen verhalten, ihren Anteil Arbeit zu
verrichten, die Erzeugnisse ihrer Arbeit abzuliefern, die andern,
diese Erzeugnisse aufzubewahren und zu verteilen; die dritten,
ihren Anteil daran, sofern nicht verzehrt, wieder zurückzugeben,
und an ihn würde sich jeder wenden um Nahrung, Kleidung, Unter-
kunft und Vergnügen. Allein der Staat würde es nicht fordern als
Inhaber subjektiver Rechte, sondern objektivrechtlicher Kompe-
tenzen, als Vertreter der objektiven Rechtsordnung, und die ein-

Subjektives Recht und Rechtssubjekt im öffentlichen Recht.
also gewissermaßen „veröffentlicht“ und verstaatlicht würde:
jeder bekäme seinen Teil Pflichten vom Gesetze zugemessen, und
die Behörden hätten lediglich das Gesetz anzuwenden. Jeder
bekäme also auch durch das Gesetz seinen Anteil an den Erzeug-
nissen zugeteilt, wie oben S. 26 ausgeführt. Unter den einzelnen
bestünden keine subjektiven Ansprüche, keine Forderungen auf
Leistung von Arbeit, Übergabe von Sachen oder Geld, Einräumung
der Benützung von Gebrauchsgegenständen oder Immobilien, wie
sie jetzt durch Dienstvertrag, Kauf und Miete entstehen, weil
kein Raum mehr wäre für Rechtsgeschäfte, alles vielmehr von
Gesetzes wegen geordnet würde, weil es also kein Privatrecht
mehr gäbe, niemand Privatrechte hätte und auch niemand mehr
Privatperson, d. h. Inhaber von privatrechtlichen Pflichten und
Rechten, wäre, sondern nur noch gewissermaßen öffentlich-
rechtliche Person, Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Staats-
organismus, Beamter, oder Gegenstand amtlicher Tätigkeit.

Allerdings, wenn die vom Staate gelieferten Erzeugnisse,
z. B. die Kartoffeln, in das „Eigentum“ des einzelnen übergingen,
dann hätte er daran ein subjektives Recht, das Eigentumsrecht;
aber das wäre unserer Voraussetzung zuwider, die dahin geht,
daß kein solches Recht bestünde; über die Kartoffeln, die der
Bezugsberechtigte nicht verspeiste, würde dann vielmehr wieder
durch andere Vorschriften verfügt, etwa so, daß er sie der zu-
ständigen Amtsstelle wieder abzuliefern hätte, aber ein beliebiges
Verfügungsrecht darüber hätte er nach unserer Voraussetzung
niemals.

Eine verbreitete Ansicht wird einwenden, in diesem Falle
habe eben der Staat alle Rechte; ihm gegenüber sei der einzelne
verpflichtet, und umgekehrt sei er verpflichtet den einzelnen,
und sie haben Rechte an den Staat. Das scheint in der Tat zu-
nächst so. Er würde die einen verhalten, ihren Anteil Arbeit zu
verrichten, die Erzeugnisse ihrer Arbeit abzuliefern, die andern,
diese Erzeugnisse aufzubewahren und zu verteilen; die dritten,
ihren Anteil daran, sofern nicht verzehrt, wieder zurückzugeben,
und an ihn würde sich jeder wenden um Nahrung, Kleidung, Unter-
kunft und Vergnügen. Allein der Staat würde es nicht fordern als
Inhaber subjektiver Rechte, sondern objektivrechtlicher Kompe-
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[73/0088] Subjektives Recht und Rechtssubjekt im öffentlichen Recht. also gewissermaßen „veröffentlicht“ und verstaatlicht würde: jeder bekäme seinen Teil Pflichten vom Gesetze zugemessen, und die Behörden hätten lediglich das Gesetz anzuwenden. Jeder bekäme also auch durch das Gesetz seinen Anteil an den Erzeug- nissen zugeteilt, wie oben S. 26 ausgeführt. Unter den einzelnen bestünden keine subjektiven Ansprüche, keine Forderungen auf Leistung von Arbeit, Übergabe von Sachen oder Geld, Einräumung der Benützung von Gebrauchsgegenständen oder Immobilien, wie sie jetzt durch Dienstvertrag, Kauf und Miete entstehen, weil kein Raum mehr wäre für Rechtsgeschäfte, alles vielmehr von Gesetzes wegen geordnet würde, weil es also kein Privatrecht mehr gäbe, niemand Privatrechte hätte und auch niemand mehr Privatperson, d. h. Inhaber von privatrechtlichen Pflichten und Rechten, wäre, sondern nur noch gewissermaßen öffentlich- rechtliche Person, Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Staats- organismus, Beamter, oder Gegenstand amtlicher Tätigkeit. Allerdings, wenn die vom Staate gelieferten Erzeugnisse, z. B. die Kartoffeln, in das „Eigentum“ des einzelnen übergingen, dann hätte er daran ein subjektives Recht, das Eigentumsrecht; aber das wäre unserer Voraussetzung zuwider, die dahin geht, daß kein solches Recht bestünde; über die Kartoffeln, die der Bezugsberechtigte nicht verspeiste, würde dann vielmehr wieder durch andere Vorschriften verfügt, etwa so, daß er sie der zu- ständigen Amtsstelle wieder abzuliefern hätte, aber ein beliebiges Verfügungsrecht darüber hätte er nach unserer Voraussetzung niemals. Eine verbreitete Ansicht wird einwenden, in diesem Falle habe eben der Staat alle Rechte; ihm gegenüber sei der einzelne verpflichtet, und umgekehrt sei er verpflichtet den einzelnen, und sie haben Rechte an den Staat. Das scheint in der Tat zu- nächst so. Er würde die einen verhalten, ihren Anteil Arbeit zu verrichten, die Erzeugnisse ihrer Arbeit abzuliefern, die andern, diese Erzeugnisse aufzubewahren und zu verteilen; die dritten, ihren Anteil daran, sofern nicht verzehrt, wieder zurückzugeben, und an ihn würde sich jeder wenden um Nahrung, Kleidung, Unter- kunft und Vergnügen. Allein der Staat würde es nicht fordern als Inhaber subjektiver Rechte, sondern objektivrechtlicher Kompe- tenzen, als Vertreter der objektiven Rechtsordnung, und die ein-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/88>, abgerufen am 25.11.2024.