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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
das zweite die der Verwaltung. Diese beiden Formen behördlicher
Tätigkeit unterscheiden sich also nicht durch den Gegenstand,
noch durch die engere oder losere Bindung der Behörde an das
Gesetz1, sondern durch den Zweck der Tätigkeit selbst; dort ist
der Zweck, das Recht abzuklären, hier einen tatsächlichen Zustand
zu schaffen; dort zu sagen, was rechtens ist2, hier zu bewirken,
was dem Recht entspricht. Der letztinstanzliche Rechtsspruch
ist notwendig (seiner Bestimmung gemäß) materiell rechtskräftig,
die Verwaltungsverfügung ist es nicht notwendig3. Das Urteil,

1 Wie z. B. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A.,
11 (1911) 179, und Stier-Somlo a. a. O. 506, 452 und die hier Angeführten
meinen. Richtig ist, wie Laband sagt, daß der Verwaltungsakt einen Er-
folg herbeiführen will; aber diesen Erfolg und die Mittel, ihn herbeizuführen,
können dem Verwaltungsbeamten ebenso bestimmt vorgeschrieben sein wie
die Entscheidung dem Richter, und beiden kann das Gesetz freies Ermessen
lassen. Beider Tätigkeit ist aber, auch in diesem Falle, als rechtlich gebunden
zu denken. Wenn man von der Zweckmäßigkeit als Maxime der Verwal-
tung, im Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung spricht, so
vergißt man, daß, wenn etwas zweckmäßig sein soll, der Zweck bestimmt
sein muß, und daß nur das Gesetz, nicht der Beamte, die zu verfolgenden
Zwecke bestimmen kann. Es ist deshalb unrichtig, zu sagen, das Gesetz
sei der Rechtsprechung Zweck, der Verwaltung nur Schranke, als ob das
Wesen der Verwaltung Willkür wäre. Zutreffende Kritik der bisherigen
Meinungen bei Schelcher, Justiz und Verwaltung, in Erg.-Heft zu Fischers
Zeitschr. 50 (1919) 33. Unklar ist v. Laun, Das freie Ermessen und seine
Grenzen (1910) 61 ff., indem er pflichtmäßige Entscheidung und subjektiv
freie Entscheidung zugleich behauptet; vgl. 66, 260.
2 Eine "constatation" mit "force de verite legale", wie Jeze, Prin-
cipes du droit administratif, 3. A., 48 ff.; vgl. 256, sagt. Zwingend verlangt
das Gesetz nur, daß Streit vermieden werde; aber nur private Rechtsver-
hältnisse können "bestritten" werden. -- A. S. Schultze, Privatrecht und
Prozeß (1883) 582; Artur, Separation des pouvoirs et separation des
fonctions, in Revue du droit public 13 226; Carre de Malberg, Contri-
bution a la theorie generale de l'Etat I (1920) 695. -- Aus demselben Grund
aber ist das Urteil nicht rechtsbeständiger als das Gesetz, auf dem es be-
ruht: wenn das Gesetz geändert wird und das neue auf die bestehenden
Rechte zurückwirkt, sind die durch Urteil anerkannten Rechte
(logischerweise) nicht ausgenommen; denn nur den Streit über das kon-
krete Recht wollte das Urteil beseitigen; das konkrete Recht selbst wollte
es nicht auf einen anderen Rechtstitel zurückführen.
3 "Die Einrede der res judicata ist ihrem Wesen nach eine Institu-
tion des bürgerlichen Privatrechts", sagte einmal das Schweizerische Bundes-
gericht (Entscheid. 5, 476; aber gelegentlich (1, 281) auch, daß die staats-

I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
das zweite die der Verwaltung. Diese beiden Formen behördlicher
Tätigkeit unterscheiden sich also nicht durch den Gegenstand,
noch durch die engere oder losere Bindung der Behörde an das
Gesetz1, sondern durch den Zweck der Tätigkeit selbst; dort ist
der Zweck, das Recht abzuklären, hier einen tatsächlichen Zustand
zu schaffen; dort zu sagen, was rechtens ist2, hier zu bewirken,
was dem Recht entspricht. Der letztinstanzliche Rechtsspruch
ist notwendig (seiner Bestimmung gemäß) materiell rechtskräftig,
die Verwaltungsverfügung ist es nicht notwendig3. Das Urteil,

1 Wie z. B. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A.,
11 (1911) 179, und Stier-Somlò a. a. O. 506, 452 und die hier Angeführten
meinen. Richtig ist, wie Laband sagt, daß der Verwaltungsakt einen Er-
folg herbeiführen will; aber diesen Erfolg und die Mittel, ihn herbeizuführen,
können dem Verwaltungsbeamten ebenso bestimmt vorgeschrieben sein wie
die Entscheidung dem Richter, und beiden kann das Gesetz freies Ermessen
lassen. Beider Tätigkeit ist aber, auch in diesem Falle, als rechtlich gebunden
zu denken. Wenn man von der Zweckmäßigkeit als Maxime der Verwal-
tung, im Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung spricht, so
vergißt man, daß, wenn etwas zweckmäßig sein soll, der Zweck bestimmt
sein muß, und daß nur das Gesetz, nicht der Beamte, die zu verfolgenden
Zwecke bestimmen kann. Es ist deshalb unrichtig, zu sagen, das Gesetz
sei der Rechtsprechung Zweck, der Verwaltung nur Schranke, als ob das
Wesen der Verwaltung Willkür wäre. Zutreffende Kritik der bisherigen
Meinungen bei Schelcher, Justiz und Verwaltung, in Erg.-Heft zu Fischers
Zeitschr. 50 (1919) 33. Unklar ist v. Laun, Das freie Ermessen und seine
Grenzen (1910) 61 ff., indem er pflichtmäßige Entscheidung und subjektiv
freie Entscheidung zugleich behauptet; vgl. 66, 260.
2 Eine „constatation“ mit „force de vérité légale“, wie Jèze, Prin-
cipes du droit administratif, 3. A., 48 ff.; vgl. 256, sagt. Zwingend verlangt
das Gesetz nur, daß Streit vermieden werde; aber nur private Rechtsver-
hältnisse können „bestritten“ werden. — A. S. Schultze, Privatrecht und
Prozeß (1883) 582; Artur, Séparation des pouvoirs et séparation des
fonctions, in Revue du droit public 13 226; Carré de Malberg, Contri-
bution à la théorie générale de l'Etat I (1920) 695. — Aus demselben Grund
aber ist das Urteil nicht rechtsbeständiger als das Gesetz, auf dem es be-
ruht: wenn das Gesetz geändert wird und das neue auf die bestehenden
Rechte zurückwirkt, sind die durch Urteil anerkannten Rechte
(logischerweise) nicht ausgenommen; denn nur den Streit über das kon-
krete Recht wollte das Urteil beseitigen; das konkrete Recht selbst wollte
es nicht auf einen anderen Rechtstitel zurückführen.
3 „Die Einrede der res judicata ist ihrem Wesen nach eine Institu-
tion des bürgerlichen Privatrechts“, sagte einmal das Schweizerische Bundes-
gericht (Entscheid. 5, 476; aber gelegentlich (1, 281) auch, daß die staats-
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[66/0081] I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. das zweite die der Verwaltung. Diese beiden Formen behördlicher Tätigkeit unterscheiden sich also nicht durch den Gegenstand, noch durch die engere oder losere Bindung der Behörde an das Gesetz 1, sondern durch den Zweck der Tätigkeit selbst; dort ist der Zweck, das Recht abzuklären, hier einen tatsächlichen Zustand zu schaffen; dort zu sagen, was rechtens ist 2, hier zu bewirken, was dem Recht entspricht. Der letztinstanzliche Rechtsspruch ist notwendig (seiner Bestimmung gemäß) materiell rechtskräftig, die Verwaltungsverfügung ist es nicht notwendig 3. Das Urteil, 1 Wie z. B. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A., 11 (1911) 179, und Stier-Somlò a. a. O. 506, 452 und die hier Angeführten meinen. Richtig ist, wie Laband sagt, daß der Verwaltungsakt einen Er- folg herbeiführen will; aber diesen Erfolg und die Mittel, ihn herbeizuführen, können dem Verwaltungsbeamten ebenso bestimmt vorgeschrieben sein wie die Entscheidung dem Richter, und beiden kann das Gesetz freies Ermessen lassen. Beider Tätigkeit ist aber, auch in diesem Falle, als rechtlich gebunden zu denken. Wenn man von der Zweckmäßigkeit als Maxime der Verwal- tung, im Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit der Rechtsprechung spricht, so vergißt man, daß, wenn etwas zweckmäßig sein soll, der Zweck bestimmt sein muß, und daß nur das Gesetz, nicht der Beamte, die zu verfolgenden Zwecke bestimmen kann. Es ist deshalb unrichtig, zu sagen, das Gesetz sei der Rechtsprechung Zweck, der Verwaltung nur Schranke, als ob das Wesen der Verwaltung Willkür wäre. Zutreffende Kritik der bisherigen Meinungen bei Schelcher, Justiz und Verwaltung, in Erg.-Heft zu Fischers Zeitschr. 50 (1919) 33. Unklar ist v. Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen (1910) 61 ff., indem er pflichtmäßige Entscheidung und subjektiv freie Entscheidung zugleich behauptet; vgl. 66, 260. 2 Eine „constatation“ mit „force de vérité légale“, wie Jèze, Prin- cipes du droit administratif, 3. A., 48 ff.; vgl. 256, sagt. Zwingend verlangt das Gesetz nur, daß Streit vermieden werde; aber nur private Rechtsver- hältnisse können „bestritten“ werden. — A. S. Schultze, Privatrecht und Prozeß (1883) 582; Artur, Séparation des pouvoirs et séparation des fonctions, in Revue du droit public 13 226; Carré de Malberg, Contri- bution à la théorie générale de l'Etat I (1920) 695. — Aus demselben Grund aber ist das Urteil nicht rechtsbeständiger als das Gesetz, auf dem es be- ruht: wenn das Gesetz geändert wird und das neue auf die bestehenden Rechte zurückwirkt, sind die durch Urteil anerkannten Rechte (logischerweise) nicht ausgenommen; denn nur den Streit über das kon- krete Recht wollte das Urteil beseitigen; das konkrete Recht selbst wollte es nicht auf einen anderen Rechtstitel zurückführen. 3 „Die Einrede der res judicata ist ihrem Wesen nach eine Institu- tion des bürgerlichen Privatrechts“, sagte einmal das Schweizerische Bundes- gericht (Entscheid. 5, 476; aber gelegentlich (1, 281) auch, daß die staats-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/81>, abgerufen am 25.11.2024.