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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Zwingendes und nichtzwingendes Recht.
keit ergänzen will; denn das System verbessert man nicht. Das
System beruht vielmehr auf der Erwartung, daß eine Willkür-
lichkeit die andere aufhebe.

Folgerichtig ist also nur die Ergänzung des tatsächlichen Wil-
lens der Parteien durch den Willen, den sie vermutlich tatsächlich
gehabt hätten. Was aber auch von Fall zu Fall festzustellen ist.

Wenn das Gesetz trotzdem einheitliche ergänzende Regeln
aufstellt, wie sie die Gesetze über das Obligationenrecht füllen,
so kann das nur jenen Sinn haben, daß nämlich dieser Vertrags-
inhalt von Gesetzeswegen als der tatsächlich gewollte präsumiert
wird, wo nicht anderes abgemacht wird. Nicht weil diese im Ge-
setz vorgesehene Abmachung die billige wäre und einen sachlichen
Vorzug vor anderen hätte, sondern damit, wo die Parteiwillkür
versagt, doch irgend etwas gelte; (vgl. unten S. 108), womit
die Wirkung verbunden ist, daß die Parteien nicht in allen Fällen
alles abzumachen brauchen, was sie als Vertragsinhalt haben
wollen. Der Gesetzgeber setzt, nach dieser Betrachtungsweise,
nicht als ergänzendes Recht, was ihm als die billige Ergänzung
des unvollständigen Vertragsinhaltes erscheint; denn das läßt
sich nicht allgemein ausmachen; sondern was tatsächlich am
meisten abgemacht wird, und was das Gesetz ergänzungsweise
vorschreibt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, da es die Par-
teien ja nicht bindet; es wird nur etwas festgestellt, damit der
Richter wisse, wie er entscheiden soll, und auch damit die Par-
teien wissen, was entschieden werden wird, wenn sie schweigen
und sich also darüber schlüssig machen können, ob sie reden oder
schweigen wollen. Also der Rechtssicherheit und Bequemlichkeit
des Verkehres zuliebe, nicht der Gerechtigkeit wegen1.

1 Die gegenteilige Meinung wird namentlich von Stammler, Das
Recht der Schuldverhältnisse (1897) 55 ff., vertreten; die Auslegungsregeln
des Gesetzes sagen, was im Zweifel als (tatsächlicher) Parteiwille zu ver-
muten sei; die ergänzenden Rechtssätze, was mangels Parteiwillen zu gelten
habe. Allein abgesehen davon, daß man beim Vertrag so wenig wie beim
Gesetz zwischen Auslegung und Ergänzung unterscheiden kann (worüber:
Die Lücken des Gesetzes 82 ff.), übersieht St., daß der willkürliche Ver-
tragsinhalt nicht durch vernünftige (gegebene) Vorschriften ergänzt
werden kann. Vgl. Savigny, System I 58; Thöl, Einleitung (1851) 119;
Brinz, Pandekten, 3. A. (1884), 129. -- Anders: Dernburg,Pandekten
§ 32; Windscheid-Kipp, Pandekten, 8. A., I 107.

Zwingendes und nichtzwingendes Recht.
keit ergänzen will; denn das System verbessert man nicht. Das
System beruht vielmehr auf der Erwartung, daß eine Willkür-
lichkeit die andere aufhebe.

Folgerichtig ist also nur die Ergänzung des tatsächlichen Wil-
lens der Parteien durch den Willen, den sie vermutlich tatsächlich
gehabt hätten. Was aber auch von Fall zu Fall festzustellen ist.

Wenn das Gesetz trotzdem einheitliche ergänzende Regeln
aufstellt, wie sie die Gesetze über das Obligationenrecht füllen,
so kann das nur jenen Sinn haben, daß nämlich dieser Vertrags-
inhalt von Gesetzeswegen als der tatsächlich gewollte präsumiert
wird, wo nicht anderes abgemacht wird. Nicht weil diese im Ge-
setz vorgesehene Abmachung die billige wäre und einen sachlichen
Vorzug vor anderen hätte, sondern damit, wo die Parteiwillkür
versagt, doch irgend etwas gelte; (vgl. unten S. 108), womit
die Wirkung verbunden ist, daß die Parteien nicht in allen Fällen
alles abzumachen brauchen, was sie als Vertragsinhalt haben
wollen. Der Gesetzgeber setzt, nach dieser Betrachtungsweise,
nicht als ergänzendes Recht, was ihm als die billige Ergänzung
des unvollständigen Vertragsinhaltes erscheint; denn das läßt
sich nicht allgemein ausmachen; sondern was tatsächlich am
meisten abgemacht wird, und was das Gesetz ergänzungsweise
vorschreibt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, da es die Par-
teien ja nicht bindet; es wird nur etwas festgestellt, damit der
Richter wisse, wie er entscheiden soll, und auch damit die Par-
teien wissen, was entschieden werden wird, wenn sie schweigen
und sich also darüber schlüssig machen können, ob sie reden oder
schweigen wollen. Also der Rechtssicherheit und Bequemlichkeit
des Verkehres zuliebe, nicht der Gerechtigkeit wegen1.

1 Die gegenteilige Meinung wird namentlich von Stammler, Das
Recht der Schuldverhältnisse (1897) 55 ff., vertreten; die Auslegungsregeln
des Gesetzes sagen, was im Zweifel als (tatsächlicher) Parteiwille zu ver-
muten sei; die ergänzenden Rechtssätze, was mangels Parteiwillen zu gelten
habe. Allein abgesehen davon, daß man beim Vertrag so wenig wie beim
Gesetz zwischen Auslegung und Ergänzung unterscheiden kann (worüber:
Die Lücken des Gesetzes 82 ff.), übersieht St., daß der willkürliche Ver-
tragsinhalt nicht durch vernünftige (gegebene) Vorschriften ergänzt
werden kann. Vgl. Savigny, System I 58; Thöl, Einleitung (1851) 119;
Brinz, Pandekten, 3. A. (1884), 129. — Anders: Dernburg,Pandekten
§ 32; Windscheid-Kipp, Pandekten, 8. A., I 107.
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[41/0056] Zwingendes und nichtzwingendes Recht. keit ergänzen will; denn das System verbessert man nicht. Das System beruht vielmehr auf der Erwartung, daß eine Willkür- lichkeit die andere aufhebe. Folgerichtig ist also nur die Ergänzung des tatsächlichen Wil- lens der Parteien durch den Willen, den sie vermutlich tatsächlich gehabt hätten. Was aber auch von Fall zu Fall festzustellen ist. Wenn das Gesetz trotzdem einheitliche ergänzende Regeln aufstellt, wie sie die Gesetze über das Obligationenrecht füllen, so kann das nur jenen Sinn haben, daß nämlich dieser Vertrags- inhalt von Gesetzeswegen als der tatsächlich gewollte präsumiert wird, wo nicht anderes abgemacht wird. Nicht weil diese im Ge- setz vorgesehene Abmachung die billige wäre und einen sachlichen Vorzug vor anderen hätte, sondern damit, wo die Parteiwillkür versagt, doch irgend etwas gelte; (vgl. unten S. 108), womit die Wirkung verbunden ist, daß die Parteien nicht in allen Fällen alles abzumachen brauchen, was sie als Vertragsinhalt haben wollen. Der Gesetzgeber setzt, nach dieser Betrachtungsweise, nicht als ergänzendes Recht, was ihm als die billige Ergänzung des unvollständigen Vertragsinhaltes erscheint; denn das läßt sich nicht allgemein ausmachen; sondern was tatsächlich am meisten abgemacht wird, und was das Gesetz ergänzungsweise vorschreibt, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, da es die Par- teien ja nicht bindet; es wird nur etwas festgestellt, damit der Richter wisse, wie er entscheiden soll, und auch damit die Par- teien wissen, was entschieden werden wird, wenn sie schweigen und sich also darüber schlüssig machen können, ob sie reden oder schweigen wollen. Also der Rechtssicherheit und Bequemlichkeit des Verkehres zuliebe, nicht der Gerechtigkeit wegen 1. 1 Die gegenteilige Meinung wird namentlich von Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse (1897) 55 ff., vertreten; die Auslegungsregeln des Gesetzes sagen, was im Zweifel als (tatsächlicher) Parteiwille zu ver- muten sei; die ergänzenden Rechtssätze, was mangels Parteiwillen zu gelten habe. Allein abgesehen davon, daß man beim Vertrag so wenig wie beim Gesetz zwischen Auslegung und Ergänzung unterscheiden kann (worüber: Die Lücken des Gesetzes 82 ff.), übersieht St., daß der willkürliche Ver- tragsinhalt nicht durch vernünftige (gegebene) Vorschriften ergänzt werden kann. Vgl. Savigny, System I 58; Thöl, Einleitung (1851) 119; Brinz, Pandekten, 3. A. (1884), 129. — Anders: Dernburg,Pandekten § 32; Windscheid-Kipp, Pandekten, 8. A., I 107.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/56>, abgerufen am 24.11.2024.