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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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Die Rechtsanwendung.
selbst an, indem sie über ihre eigene Zuständigkeit entscheidet,
dann ist es keine Zuständigkeitsnorm, oder es entscheidet eine
andere Behörde darüber, dann ist das von jener gesetzte Recht
noch nicht unbedingt, sondern nur bedingt verbindlich und die
rechtssetzende Behörde hat für sich allein nicht die volle Rechts-
setzungskompetenz, sondern bedarf noch der bestätigenden Mit-
wirkung einer anderen Behörde; sie ist es dann auch nicht, die
endgültig über die Anwendung der Kompetenznorm auf den
einzelnen Fall (den Erlaß) entscheidet.

Das Gesagte gilt zunächst für die sachlichen Kompetenz-
vorschriften, d. h. für die Grenzen der Zuständigkeit in materieller,
nicht in formeller Beziehung. Es wäre keine Beschränkung der
Zuständigkeit der Regierung zum Erlaß einer Verordnung,
wenn ihre Verordnungen gültig wären, ohne Rücksicht darauf, ob
sie sich an den im Gesetz bezeichneten Gegenstand gehalten
haben. Eben deshalb können die untern Instanzen der Rechts-
setzung nie selbständig über ihre sachliche Zuständigkeit ent-
scheiden. Ihre Anordnungen könnten sonst denjenigen der
höheren Instanz derogieren und sie selbst wären also nicht untere
Instanzen, sondern gleichgeordnete, was zu widersprechenden An-
ordnungen führen würde. Ihre Unterordnung besteht eben darin,
daß eine andere, höhere Instanz über die Gültigkeit ihrer Anord-
nungen entscheidet; die Verordnungskompetenz der Regierung ist
beschränkt, weil eine andere Behörde, unmittelbar oder mittelbar
(anläßlich der Anwendung) über die Gesetzmäßigkeit und damit
über die Gültigkeit der Verordnung entscheidet. Nur die höchste
rechtssetzende Behörde kann darin nicht beschränkt sein, oder,
wenn sie (im Verhältnis zu den sachlichen Vorschriften der Ver-
fassung) beschränkt ist, wie der amerikanische Kongreß durch die
Gerichte, so ist sein Erlaß nicht unbedingt verbindlich und es
steht ihm die endgültige Rechtssetzungskompetenz nicht zu; ver-
bindlich ist das amerikanische Gesetz nur, wenn der (oberste)
Richter ihm die Verbindlichkeit nicht abspricht.

Das Gesagte gilt aber auch für die Normen der formellen
Kompetenz, d. h. die Vorschriften, welche bestimmen, welche Be-
hörde Recht zu setzen hat und in welchem Verfahren sie es zu tun
hat. Auch hier bleibt richtig, daß, wenn eine Behörde über ihre
Beschaffenheit und ihr Verfahren selbst endgültig entscheidet, die

Die Rechtsanwendung.
selbst an, indem sie über ihre eigene Zuständigkeit entscheidet,
dann ist es keine Zuständigkeitsnorm, oder es entscheidet eine
andere Behörde darüber, dann ist das von jener gesetzte Recht
noch nicht unbedingt, sondern nur bedingt verbindlich und die
rechtssetzende Behörde hat für sich allein nicht die volle Rechts-
setzungskompetenz, sondern bedarf noch der bestätigenden Mit-
wirkung einer anderen Behörde; sie ist es dann auch nicht, die
endgültig über die Anwendung der Kompetenznorm auf den
einzelnen Fall (den Erlaß) entscheidet.

Das Gesagte gilt zunächst für die sachlichen Kompetenz-
vorschriften, d. h. für die Grenzen der Zuständigkeit in materieller,
nicht in formeller Beziehung. Es wäre keine Beschränkung der
Zuständigkeit der Regierung zum Erlaß einer Verordnung,
wenn ihre Verordnungen gültig wären, ohne Rücksicht darauf, ob
sie sich an den im Gesetz bezeichneten Gegenstand gehalten
haben. Eben deshalb können die untern Instanzen der Rechts-
setzung nie selbständig über ihre sachliche Zuständigkeit ent-
scheiden. Ihre Anordnungen könnten sonst denjenigen der
höheren Instanz derogieren und sie selbst wären also nicht untere
Instanzen, sondern gleichgeordnete, was zu widersprechenden An-
ordnungen führen würde. Ihre Unterordnung besteht eben darin,
daß eine andere, höhere Instanz über die Gültigkeit ihrer Anord-
nungen entscheidet; die Verordnungskompetenz der Regierung ist
beschränkt, weil eine andere Behörde, unmittelbar oder mittelbar
(anläßlich der Anwendung) über die Gesetzmäßigkeit und damit
über die Gültigkeit der Verordnung entscheidet. Nur die höchste
rechtssetzende Behörde kann darin nicht beschränkt sein, oder,
wenn sie (im Verhältnis zu den sachlichen Vorschriften der Ver-
fassung) beschränkt ist, wie der amerikanische Kongreß durch die
Gerichte, so ist sein Erlaß nicht unbedingt verbindlich und es
steht ihm die endgültige Rechtssetzungskompetenz nicht zu; ver-
bindlich ist das amerikanische Gesetz nur, wenn der (oberste)
Richter ihm die Verbindlichkeit nicht abspricht.

Das Gesagte gilt aber auch für die Normen der formellen
Kompetenz, d. h. die Vorschriften, welche bestimmen, welche Be-
hörde Recht zu setzen hat und in welchem Verfahren sie es zu tun
hat. Auch hier bleibt richtig, daß, wenn eine Behörde über ihre
Beschaffenheit und ihr Verfahren selbst endgültig entscheidet, die

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[269/0284] Die Rechtsanwendung. selbst an, indem sie über ihre eigene Zuständigkeit entscheidet, dann ist es keine Zuständigkeitsnorm, oder es entscheidet eine andere Behörde darüber, dann ist das von jener gesetzte Recht noch nicht unbedingt, sondern nur bedingt verbindlich und die rechtssetzende Behörde hat für sich allein nicht die volle Rechts- setzungskompetenz, sondern bedarf noch der bestätigenden Mit- wirkung einer anderen Behörde; sie ist es dann auch nicht, die endgültig über die Anwendung der Kompetenznorm auf den einzelnen Fall (den Erlaß) entscheidet. Das Gesagte gilt zunächst für die sachlichen Kompetenz- vorschriften, d. h. für die Grenzen der Zuständigkeit in materieller, nicht in formeller Beziehung. Es wäre keine Beschränkung der Zuständigkeit der Regierung zum Erlaß einer Verordnung, wenn ihre Verordnungen gültig wären, ohne Rücksicht darauf, ob sie sich an den im Gesetz bezeichneten Gegenstand gehalten haben. Eben deshalb können die untern Instanzen der Rechts- setzung nie selbständig über ihre sachliche Zuständigkeit ent- scheiden. Ihre Anordnungen könnten sonst denjenigen der höheren Instanz derogieren und sie selbst wären also nicht untere Instanzen, sondern gleichgeordnete, was zu widersprechenden An- ordnungen führen würde. Ihre Unterordnung besteht eben darin, daß eine andere, höhere Instanz über die Gültigkeit ihrer Anord- nungen entscheidet; die Verordnungskompetenz der Regierung ist beschränkt, weil eine andere Behörde, unmittelbar oder mittelbar (anläßlich der Anwendung) über die Gesetzmäßigkeit und damit über die Gültigkeit der Verordnung entscheidet. Nur die höchste rechtssetzende Behörde kann darin nicht beschränkt sein, oder, wenn sie (im Verhältnis zu den sachlichen Vorschriften der Ver- fassung) beschränkt ist, wie der amerikanische Kongreß durch die Gerichte, so ist sein Erlaß nicht unbedingt verbindlich und es steht ihm die endgültige Rechtssetzungskompetenz nicht zu; ver- bindlich ist das amerikanische Gesetz nur, wenn der (oberste) Richter ihm die Verbindlichkeit nicht abspricht. Das Gesagte gilt aber auch für die Normen der formellen Kompetenz, d. h. die Vorschriften, welche bestimmen, welche Be- hörde Recht zu setzen hat und in welchem Verfahren sie es zu tun hat. Auch hier bleibt richtig, daß, wenn eine Behörde über ihre Beschaffenheit und ihr Verfahren selbst endgültig entscheidet, die

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/284>, abgerufen am 25.11.2024.