statt des Heiligen die Legende, statt des Märtyrers das Marterthum aauf den Altar zu bringen. In S. Giovanni e Paolo (2. Alt. l.) sieht man den berühmten S. Pietro martire. Das Momentane ist hier wahrhaft erschütternd und doch nicht grässlich; der letzte Ruf des Märtyrers, die Wehklage seines entsetzten Begleiters haben Raum in die hohen luftigen Baumstämme emporzudringen, welche man sich mit der Hand verdecken möge um zu sehen, wie hochwichtig ein solcher freier Raum für wirklichkeitsgemäss aufgefasste bewegte Sce- nen ist. Das Landschaftliche überhaupt ist hier zuerst mit vollendetem künstlerischem Bewusstsein behandelt, die Ferne in einem zornigen Licht, das den Moment wesentlich charakterisiren hilft. -- Die Marter bdes heil. Laurentius, auf einem der ersten Altäre links in der Jesuitenkirche, ein unleidlicher Gegenstand, aber durchaus grossartig behandelt; der Kopf des Dulders einer von T.'s bedeutendsten Cha- rakteren; das Zusammenwirken der verschiedenen Lichter auf der in vollster Bewegung begriffenen Gruppe von zauberhafter Wirkung. (Stark restaurirt.)
Einmal scheint Tizian dem Coreggio sehr unmittelbar nachge- cgangen zu sein. In der Sacristei der Salute sind die 3 Decken- bilder, der Tod Abels, das Opfer Abrahams, und der todte Goliath, wie ich glaube, die frühsten venezian. Bilder in Untensicht. Eigent- lich lag diese Darstellungsweise gar nicht in der venezianischen Ma- lernatur, welche ja Existenzen entwickeln, nicht durch täuschende Raumwirklichkeit ergreifen will. Es sind noch dazu irdische, nicht himmlische Vorgänge, und daher die Untensicht nur jene halbe, welche von da an in hunderten von venez. Deckenbildern herrscht. Die For- men verschieben sich dabei schon ziemlich hässlich (der knieende Isaac!), doch ist die Malerei noch vorzüglich.
Von profaner Historienmalerei ist ausser einem grossen dCeremonienbilde in der Pinacoteca zu Verona (Huldigung der Vero- neser an Venedig, mit einer Anzahl herrlicher Köpfe; das Meiste wohl von Bonifazio) nichts Bedeutendes mehr vorhanden als das kleine, evortreffliche Gemälde einer Schlacht (wahrscheinlich derjenigen von Ghiaradadda, im Krieg der Liga von Cambray) in den Uffizien; das Handgemenge ist auf und an einer hohen Brücke am heftigsten, von welcher sich die vordern Scenen glücklich abheben -- ein Motiv,
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
statt des Heiligen die Legende, statt des Märtyrers das Marterthum aauf den Altar zu bringen. In S. Giovanni e Paolo (2. Alt. l.) sieht man den berühmten S. Pietro martire. Das Momentane ist hier wahrhaft erschütternd und doch nicht grässlich; der letzte Ruf des Märtyrers, die Wehklage seines entsetzten Begleiters haben Raum in die hohen luftigen Baumstämme emporzudringen, welche man sich mit der Hand verdecken möge um zu sehen, wie hochwichtig ein solcher freier Raum für wirklichkeitsgemäss aufgefasste bewegte Sce- nen ist. Das Landschaftliche überhaupt ist hier zuerst mit vollendetem künstlerischem Bewusstsein behandelt, die Ferne in einem zornigen Licht, das den Moment wesentlich charakterisiren hilft. — Die Marter bdes heil. Laurentius, auf einem der ersten Altäre links in der Jesuitenkirche, ein unleidlicher Gegenstand, aber durchaus grossartig behandelt; der Kopf des Dulders einer von T.’s bedeutendsten Cha- rakteren; das Zusammenwirken der verschiedenen Lichter auf der in vollster Bewegung begriffenen Gruppe von zauberhafter Wirkung. (Stark restaurirt.)
Einmal scheint Tizian dem Coreggio sehr unmittelbar nachge- cgangen zu sein. In der Sacristei der Salute sind die 3 Decken- bilder, der Tod Abels, das Opfer Abrahams, und der todte Goliath, wie ich glaube, die frühsten venezian. Bilder in Untensicht. Eigent- lich lag diese Darstellungsweise gar nicht in der venezianischen Ma- lernatur, welche ja Existenzen entwickeln, nicht durch täuschende Raumwirklichkeit ergreifen will. Es sind noch dazu irdische, nicht himmlische Vorgänge, und daher die Untensicht nur jene halbe, welche von da an in hunderten von venez. Deckenbildern herrscht. Die For- men verschieben sich dabei schon ziemlich hässlich (der knieende Isaac!), doch ist die Malerei noch vorzüglich.
Von profaner Historienmalerei ist ausser einem grossen dCeremonienbilde in der Pinacoteca zu Verona (Huldigung der Vero- neser an Venedig, mit einer Anzahl herrlicher Köpfe; das Meiste wohl von Bonifazio) nichts Bedeutendes mehr vorhanden als das kleine, evortreffliche Gemälde einer Schlacht (wahrscheinlich derjenigen von Ghiaradadda, im Krieg der Liga von Cambray) in den Uffizien; das Handgemenge ist auf und an einer hohen Brücke am heftigsten, von welcher sich die vordern Scenen glücklich abheben — ein Motiv,
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
statt des Heiligen die Legende, statt des Märtyrers das Marterthum
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man den berühmten S. Pietro martire. Das Momentane ist hier
wahrhaft erschütternd und doch nicht grässlich; der letzte Ruf des
Märtyrers, die Wehklage seines entsetzten Begleiters haben Raum in
die hohen luftigen Baumstämme emporzudringen, welche man sich
mit der Hand verdecken möge um zu sehen, wie hochwichtig ein
solcher freier Raum für wirklichkeitsgemäss aufgefasste bewegte Sce-
nen ist. Das Landschaftliche überhaupt ist hier zuerst mit vollendetem
künstlerischem Bewusstsein behandelt, die Ferne in einem zornigen
Licht, das den Moment wesentlich charakterisiren hilft. — Die Marter
des heil. Laurentius, auf einem der ersten Altäre links in der
Jesuitenkirche, ein unleidlicher Gegenstand, aber durchaus grossartig
behandelt; der Kopf des Dulders einer von T.’s bedeutendsten Cha-
rakteren; das Zusammenwirken der verschiedenen Lichter auf der in
vollster Bewegung begriffenen Gruppe von zauberhafter Wirkung.
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Einmal scheint Tizian dem Coreggio sehr unmittelbar nachge-
gangen zu sein. In der Sacristei der Salute sind die 3 Decken-
bilder, der Tod Abels, das Opfer Abrahams, und der todte Goliath,
wie ich glaube, die frühsten venezian. Bilder in Untensicht. Eigent-
lich lag diese Darstellungsweise gar nicht in der venezianischen Ma-
lernatur, welche ja Existenzen entwickeln, nicht durch täuschende
Raumwirklichkeit ergreifen will. Es sind noch dazu irdische, nicht
himmlische Vorgänge, und daher die Untensicht nur jene halbe, welche
von da an in hunderten von venez. Deckenbildern herrscht. Die For-
men verschieben sich dabei schon ziemlich hässlich (der knieende
Isaac!), doch ist die Malerei noch vorzüglich.
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Von profaner Historienmalerei ist ausser einem grossen
Ceremonienbilde in der Pinacoteca zu Verona (Huldigung der Vero-
neser an Venedig, mit einer Anzahl herrlicher Köpfe; das Meiste wohl
von Bonifazio) nichts Bedeutendes mehr vorhanden als das kleine,
vortreffliche Gemälde einer Schlacht (wahrscheinlich derjenigen von
Ghiaradadda, im Krieg der Liga von Cambray) in den Uffizien;
das Handgemenge ist auf und an einer hohen Brücke am heftigsten,
von welcher sich die vordern Scenen glücklich abheben — ein Motiv,
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 974. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/996>, abgerufen am 18.12.2024.
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