goras und Archimedes abscheulich, die Lucretia und die Madonna mindestens ungeniessbar sind. Ebenso ist sein eigenes Porträt in den aUffizien -- der wahre bell'uomo von Stande -- eines der besten der ganzen Malersammlung, während die heil. Familie (Tribuna) nur durch die phantastisch beleuchtete Landschaft erträglich wird. In einem andern Saal eine ganz kleine Madonna von ihm, eines der besten Li- nienmotive der Schule.
Es folgt die Malerei der höchsten Augenlust, die venezianische. Es ist ein denkwürdiges Phänomen, dass sie gerade die höhern Ideale menschlicher Bildung nicht erreicht noch erreichen will, weil diesel- ben über das blosse wonnevolle Dasein hinaus zu einer höhern Thä- tigkeit drängen. Noch merkwürdiger aber ist, dass diese Schule mit dem (verhältnissmässig) geringsten Gehalt an sog. poetischen Gedan- ken durch die blosse Fülle der malerischen Gedanken alle andern Schulen an Werthschätzung erreicht und die meisten weit übertrifft. Ist diess bloss Folge der Augenlust? oder dehnt sich das Gebiet der Poesie weit hinab in diejenigen Regionen aus, welche wir Laien bloss der malerischen Durchführung zuweisen? Gehört nicht schon die dä- monische Wirkung dahin, welche das in Raum und Licht wirklich gemachte Sinnlich-Reizende bei Coreggio ausübt? Bei den Venezia- nern, auf welche er gar nicht ohne Einfluss blieb (schon auf Tizian nicht), ist dieses ebenfalls das Hauptthema, nur ohne die bei Coreggio wesentliche Beweglichkeit; ihre Gestalten sind weniger empfindungs- fähig, aber im höchsten Grade genussfähig.
Der sprichwörtliche Vorzug ist hier das Colorit, das schon bei den Malern der vorhergehenden Generation (S. 822) jene hohe Treff- lichkeit erreicht hatte, jetzt aber in seiner Vollendung auftrat. Das höchst angestrengte Studium auf diesem Gebiete war offenbar ein doppeltes: einerseits realistisch, indem alle Spiele des Lichtes, der Farbe, der Oberflächen von Neuem nach der Natur ergründet und dargestellt wurden, sodass z. B. jetzt auch die Stoffbezeichnung der
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
goras und Archimedes abscheulich, die Lucretia und die Madonna mindestens ungeniessbar sind. Ebenso ist sein eigenes Porträt in den aUffizien — der wahre bell’uomo von Stande — eines der besten der ganzen Malersammlung, während die heil. Familie (Tribuna) nur durch die phantastisch beleuchtete Landschaft erträglich wird. In einem andern Saal eine ganz kleine Madonna von ihm, eines der besten Li- nienmotive der Schule.
Es folgt die Malerei der höchsten Augenlust, die venezianische. Es ist ein denkwürdiges Phänomen, dass sie gerade die höhern Ideale menschlicher Bildung nicht erreicht noch erreichen will, weil diesel- ben über das blosse wonnevolle Dasein hinaus zu einer höhern Thä- tigkeit drängen. Noch merkwürdiger aber ist, dass diese Schule mit dem (verhältnissmässig) geringsten Gehalt an sog. poetischen Gedan- ken durch die blosse Fülle der malerischen Gedanken alle andern Schulen an Werthschätzung erreicht und die meisten weit übertrifft. Ist diess bloss Folge der Augenlust? oder dehnt sich das Gebiet der Poesie weit hinab in diejenigen Regionen aus, welche wir Laien bloss der malerischen Durchführung zuweisen? Gehört nicht schon die dä- monische Wirkung dahin, welche das in Raum und Licht wirklich gemachte Sinnlich-Reizende bei Coreggio ausübt? Bei den Venezia- nern, auf welche er gar nicht ohne Einfluss blieb (schon auf Tizian nicht), ist dieses ebenfalls das Hauptthema, nur ohne die bei Coreggio wesentliche Beweglichkeit; ihre Gestalten sind weniger empfindungs- fähig, aber im höchsten Grade genussfähig.
Der sprichwörtliche Vorzug ist hier das Colorit, das schon bei den Malern der vorhergehenden Generation (S. 822) jene hohe Treff- lichkeit erreicht hatte, jetzt aber in seiner Vollendung auftrat. Das höchst angestrengte Studium auf diesem Gebiete war offenbar ein doppeltes: einerseits realistisch, indem alle Spiele des Lichtes, der Farbe, der Oberflächen von Neuem nach der Natur ergründet und dargestellt wurden, sodass z. B. jetzt auch die Stoffbezeichnung der
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
goras und Archimedes abscheulich, die Lucretia und die Madonna
mindestens ungeniessbar sind. Ebenso ist sein eigenes Porträt in den
Uffizien — der wahre bell’uomo von Stande — eines der besten der
ganzen Malersammlung, während die heil. Familie (Tribuna) nur durch
die phantastisch beleuchtete Landschaft erträglich wird. In einem
andern Saal eine ganz kleine Madonna von ihm, eines der besten Li-
nienmotive der Schule.
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Es folgt die Malerei der höchsten Augenlust, die venezianische.
Es ist ein denkwürdiges Phänomen, dass sie gerade die höhern Ideale
menschlicher Bildung nicht erreicht noch erreichen will, weil diesel-
ben über das blosse wonnevolle Dasein hinaus zu einer höhern Thä-
tigkeit drängen. Noch merkwürdiger aber ist, dass diese Schule mit
dem (verhältnissmässig) geringsten Gehalt an sog. poetischen Gedan-
ken durch die blosse Fülle der malerischen Gedanken alle andern
Schulen an Werthschätzung erreicht und die meisten weit übertrifft.
Ist diess bloss Folge der Augenlust? oder dehnt sich das Gebiet der
Poesie weit hinab in diejenigen Regionen aus, welche wir Laien bloss
der malerischen Durchführung zuweisen? Gehört nicht schon die dä-
monische Wirkung dahin, welche das in Raum und Licht wirklich
gemachte Sinnlich-Reizende bei Coreggio ausübt? Bei den Venezia-
nern, auf welche er gar nicht ohne Einfluss blieb (schon auf Tizian
nicht), ist dieses ebenfalls das Hauptthema, nur ohne die bei Coreggio
wesentliche Beweglichkeit; ihre Gestalten sind weniger empfindungs-
fähig, aber im höchsten Grade genussfähig.
Der sprichwörtliche Vorzug ist hier das Colorit, das schon bei
den Malern der vorhergehenden Generation (S. 822) jene hohe Treff-
lichkeit erreicht hatte, jetzt aber in seiner Vollendung auftrat. Das
höchst angestrengte Studium auf diesem Gebiete war offenbar ein
doppeltes: einerseits realistisch, indem alle Spiele des Lichtes, der
Farbe, der Oberflächen von Neuem nach der Natur ergründet und
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 960. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/982>, abgerufen am 18.12.2024.
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