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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Seine Schule.
abhängig ist. Desshalb, weil die Modernen ihn ganz in sich aufnah-
men, erscheinen uns seine eigenen Werke so oft als modern. Selbst
was dem XVIII. Jahrh. specifisch eigen scheint, ist in ihm stellen-
weise vorgebildet.


Die ganze Schule ist in der Galerie und den Kirchen von Parmaa
stark repräsentirt. Man wird weniges Lobenswerthe von Pomponio
Allegri
(C.'s Sohn), Lelio Orsi, Bernardino Gatti, Gutes und
sehr Fleissiges von Franc. Rondani (Dom, Fresken der 5. Cap.,
rechts), mehreres noch ganz Angenehme von Michelangelo An-
selmi
, auch wohl von Giorgio Gandini vorfinden, das Meiste an
Zahl jedenfalls von der Malerfamilie der Mazzola oder Mazzuoli,
welche sich in diesem Jahrhundert ganz an Coreggio anschloss. Gi-
rolamo Mazzola
verschmelzt bisweilen einen Zug älterer Naivetät
mit der Art Coreggio's und der römischen Schule zu einem wunder-
lichen Rococo. Im Ganzen ist er weniger widerwärtig als sein be-
rühmterer Vetter:

Francesco Mazzola, genannt Parmegianino (1503--1540).
Seine "Madonna mit dem langen Halse" im Pal. Pitti zeigt mit ihrerb
unleidlichen Affectation, wie falsch die Schüler den Meister verstanden
hatten, indem sie glaubten, sein Zauber liege in einer gewissen apar-
ten Zierlichkeit und Präsentationsweise der Formen, während doch
das momentane Leben der reizenden Form die Hauptsache ist. An-
derswo ist Parmegianino ergötzlich durch die Manieren der grossen
Welt, welche er in die heiligen Scenen hineinbringt. Seine heil. Ca-
tharina (Pal. Borghese in Rom) lehnt die Complimente der Engel mitc
einem unbeschreiblichen bon genre ab; bei der pomphaften Heiligen-
cour im Walde (Pinacoteca von Bologna) giebt die Madonna nur mitd
vornehmster Zurückhaltung das Kind der heil. Catharina zum Cares-
siren her.

Allein im Porträt, wo das vermeintlich Ideale wegfiel, ist P. einer
der trefflichsten seiner Zeit. Im Museum von Neapel gehören seinee
Bildnisse des "Columbus", des "Vespucci" (beide willkürlich so be-
nannt), dasjenige des De Vincentiis und das der eigenen Tochter des
Meisters zu den Perlen der Galerie, während die Colosse des Pytha-

Seine Schule.
abhängig ist. Desshalb, weil die Modernen ihn ganz in sich aufnah-
men, erscheinen uns seine eigenen Werke so oft als modern. Selbst
was dem XVIII. Jahrh. specifisch eigen scheint, ist in ihm stellen-
weise vorgebildet.


Die ganze Schule ist in der Galerie und den Kirchen von Parmaa
stark repräsentirt. Man wird weniges Lobenswerthe von Pomponio
Allegri
(C.’s Sohn), Lelio Orsi, Bernardino Gatti, Gutes und
sehr Fleissiges von Franc. Rondani (Dom, Fresken der 5. Cap.,
rechts), mehreres noch ganz Angenehme von Michelangelo An-
selmi
, auch wohl von Giorgio Gandini vorfinden, das Meiste an
Zahl jedenfalls von der Malerfamilie der Mazzola oder Mazzuoli,
welche sich in diesem Jahrhundert ganz an Coreggio anschloss. Gi-
rolamo Mazzola
verschmelzt bisweilen einen Zug älterer Naivetät
mit der Art Coreggio’s und der römischen Schule zu einem wunder-
lichen Rococo. Im Ganzen ist er weniger widerwärtig als sein be-
rühmterer Vetter:

Francesco Mazzola, genannt Parmegianino (1503—1540).
Seine „Madonna mit dem langen Halse“ im Pal. Pitti zeigt mit ihrerb
unleidlichen Affectation, wie falsch die Schüler den Meister verstanden
hatten, indem sie glaubten, sein Zauber liege in einer gewissen apar-
ten Zierlichkeit und Präsentationsweise der Formen, während doch
das momentane Leben der reizenden Form die Hauptsache ist. An-
derswo ist Parmegianino ergötzlich durch die Manieren der grossen
Welt, welche er in die heiligen Scenen hineinbringt. Seine heil. Ca-
tharina (Pal. Borghese in Rom) lehnt die Complimente der Engel mitc
einem unbeschreiblichen bon genre ab; bei der pomphaften Heiligen-
cour im Walde (Pinacoteca von Bologna) giebt die Madonna nur mitd
vornehmster Zurückhaltung das Kind der heil. Catharina zum Cares-
siren her.

Allein im Porträt, wo das vermeintlich Ideale wegfiel, ist P. einer
der trefflichsten seiner Zeit. Im Museum von Neapel gehören seinee
Bildnisse des „Columbus“, des „Vespucci“ (beide willkürlich so be-
nannt), dasjenige des De Vincentiis und das der eigenen Tochter des
Meisters zu den Perlen der Galerie, während die Colosse des Pytha-

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[959/0981] Seine Schule. abhängig ist. Desshalb, weil die Modernen ihn ganz in sich aufnah- men, erscheinen uns seine eigenen Werke so oft als modern. Selbst was dem XVIII. Jahrh. specifisch eigen scheint, ist in ihm stellen- weise vorgebildet. Die ganze Schule ist in der Galerie und den Kirchen von Parma stark repräsentirt. Man wird weniges Lobenswerthe von Pomponio Allegri (C.’s Sohn), Lelio Orsi, Bernardino Gatti, Gutes und sehr Fleissiges von Franc. Rondani (Dom, Fresken der 5. Cap., rechts), mehreres noch ganz Angenehme von Michelangelo An- selmi, auch wohl von Giorgio Gandini vorfinden, das Meiste an Zahl jedenfalls von der Malerfamilie der Mazzola oder Mazzuoli, welche sich in diesem Jahrhundert ganz an Coreggio anschloss. Gi- rolamo Mazzola verschmelzt bisweilen einen Zug älterer Naivetät mit der Art Coreggio’s und der römischen Schule zu einem wunder- lichen Rococo. Im Ganzen ist er weniger widerwärtig als sein be- rühmterer Vetter: a Francesco Mazzola, genannt Parmegianino (1503—1540). Seine „Madonna mit dem langen Halse“ im Pal. Pitti zeigt mit ihrer unleidlichen Affectation, wie falsch die Schüler den Meister verstanden hatten, indem sie glaubten, sein Zauber liege in einer gewissen apar- ten Zierlichkeit und Präsentationsweise der Formen, während doch das momentane Leben der reizenden Form die Hauptsache ist. An- derswo ist Parmegianino ergötzlich durch die Manieren der grossen Welt, welche er in die heiligen Scenen hineinbringt. Seine heil. Ca- tharina (Pal. Borghese in Rom) lehnt die Complimente der Engel mit einem unbeschreiblichen bon genre ab; bei der pomphaften Heiligen- cour im Walde (Pinacoteca von Bologna) giebt die Madonna nur mit vornehmster Zurückhaltung das Kind der heil. Catharina zum Cares- siren her. b c d Allein im Porträt, wo das vermeintlich Ideale wegfiel, ist P. einer der trefflichsten seiner Zeit. Im Museum von Neapel gehören seine Bildnisse des „Columbus“, des „Vespucci“ (beide willkürlich so be- nannt), dasjenige des De Vincentiis und das der eigenen Tochter des Meisters zu den Perlen der Galerie, während die Colosse des Pytha- e

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/981>, abgerufen am 18.07.2024.