Gange der herzogl. Bibliothek angebracht; ausserdem hatten Annibalea und Agostino Caracci fast das Ganze stückweise copirt (sechs Stücke in der Galerie von Parma, mehrere im Museum von Neapel), undb Cesare Aretusi wiederholte hernach an der neuen Halbkuppel die ganze Composition so gut er konnte. -- Ein leidenschaftlicher Jubel durchströmt den ganzen Himmel in dem geweihten Augenblick; die schönsten Engel drängen sich zu einem Heere zusammen. Aber die Madonna selbst ist weder naiv noch schön, Christus eine mittel- mässige Bildung. (Beide in den Copien versüsst und so ohne Zwei- fel auch Johannes d. T.)
Endlich malte C. 1526--1530 die Kuppel des Domes aus undc gab sich dabei seiner Art von Auffassung des Übersinnlichen in ganz unbedingtem Masse hin. Er veräusserlicht und entweiht Alles. Im Centrum (jetzt sehr verdorben) stürzt sich Christus der in Mitten einer gewaltigen Engel- und Wolkenmasse heraufrauschenden Maria ent- gegen. Das Momentane ist allerdings überwältigend; der Knäul zahl- loser Engel, welche hier mit höchster Leidenschaft einander entgegen- stürzen und sich umschlingen, ist ohne Beispiel in der Kunst; ob diess die würdigste Feier des dargestellten Ereignisses sein kann, ist eine andere Frage. Wenn ja, so war auch das mit einem bekannten Witz- wort bezeichnete Durcheinander von Armen und Beinen nicht zu ver- meiden, denn wäre die Scene wirklich, so müsste sie sich allerdings etwa so ausnehmen. -- Weiter unten, zwischen den Fenstern, stehen die Apostel der Maria nachschauend; hinter ihnen auf einer Brust- wehr sind Genien mit Candelabern und Rauchfässern beschäftigt. In den Aposteln ist Coreggio inconsequent; wer so aufgeregt ist wie sie, bleibt nicht in seiner Ecke stehen; auch ihre vermeintliche Grossar- tigkeit hat etwas merkwürdig Unwahres. Aber ganz wunderschön sind einige von den Genien, auch manche von den Engeln im Kuppel- gemälde selbst, und vollends diejenigen, welche in den Pendentifs die vier Schutzheiligen von Parma umschweben. Es ist schwer, sich ge- nau zu sagen, welcher Art die Berauschung ist, womit diese Gestalten den Sinn erfüllen. Ich glaube, dass hier Göttliches und sehr Irdisches durcheinander rinnen. Vielleicht fasst sie ein jüngeres Gemüth un- schuldiger auf. (Bestes Licht auch für die Besteigung der Kuppel: gegen Mittag.)
Fresken: S. Paolo; S. Giovanni; Dom.
Gange der herzogl. Bibliothek angebracht; ausserdem hatten Annibalea und Agostino Caracci fast das Ganze stückweise copirt (sechs Stücke in der Galerie von Parma, mehrere im Museum von Neapel), undb Cesare Aretusi wiederholte hernach an der neuen Halbkuppel die ganze Composition so gut er konnte. — Ein leidenschaftlicher Jubel durchströmt den ganzen Himmel in dem geweihten Augenblick; die schönsten Engel drängen sich zu einem Heere zusammen. Aber die Madonna selbst ist weder naiv noch schön, Christus eine mittel- mässige Bildung. (Beide in den Copien versüsst und so ohne Zwei- fel auch Johannes d. T.)
Endlich malte C. 1526—1530 die Kuppel des Domes aus undc gab sich dabei seiner Art von Auffassung des Übersinnlichen in ganz unbedingtem Masse hin. Er veräusserlicht und entweiht Alles. Im Centrum (jetzt sehr verdorben) stürzt sich Christus der in Mitten einer gewaltigen Engel- und Wolkenmasse heraufrauschenden Maria ent- gegen. Das Momentane ist allerdings überwältigend; der Knäul zahl- loser Engel, welche hier mit höchster Leidenschaft einander entgegen- stürzen und sich umschlingen, ist ohne Beispiel in der Kunst; ob diess die würdigste Feier des dargestellten Ereignisses sein kann, ist eine andere Frage. Wenn ja, so war auch das mit einem bekannten Witz- wort bezeichnete Durcheinander von Armen und Beinen nicht zu ver- meiden, denn wäre die Scene wirklich, so müsste sie sich allerdings etwa so ausnehmen. — Weiter unten, zwischen den Fenstern, stehen die Apostel der Maria nachschauend; hinter ihnen auf einer Brust- wehr sind Genien mit Candelabern und Rauchfässern beschäftigt. In den Aposteln ist Coreggio inconsequent; wer so aufgeregt ist wie sie, bleibt nicht in seiner Ecke stehen; auch ihre vermeintliche Grossar- tigkeit hat etwas merkwürdig Unwahres. Aber ganz wunderschön sind einige von den Genien, auch manche von den Engeln im Kuppel- gemälde selbst, und vollends diejenigen, welche in den Pendentifs die vier Schutzheiligen von Parma umschweben. Es ist schwer, sich ge- nau zu sagen, welcher Art die Berauschung ist, womit diese Gestalten den Sinn erfüllen. Ich glaube, dass hier Göttliches und sehr Irdisches durcheinander rinnen. Vielleicht fasst sie ein jüngeres Gemüth un- schuldiger auf. (Bestes Licht auch für die Besteigung der Kuppel: gegen Mittag.)
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[957/0979]
Fresken: S. Paolo; S. Giovanni; Dom.
Gange der herzogl. Bibliothek angebracht; ausserdem hatten Annibale
und Agostino Caracci fast das Ganze stückweise copirt (sechs Stücke
in der Galerie von Parma, mehrere im Museum von Neapel), und
Cesare Aretusi wiederholte hernach an der neuen Halbkuppel die
ganze Composition so gut er konnte. — Ein leidenschaftlicher Jubel
durchströmt den ganzen Himmel in dem geweihten Augenblick; die
schönsten Engel drängen sich zu einem Heere zusammen. Aber die
Madonna selbst ist weder naiv noch schön, Christus eine mittel-
mässige Bildung. (Beide in den Copien versüsst und so ohne Zwei-
fel auch Johannes d. T.)
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Endlich malte C. 1526—1530 die Kuppel des Domes aus und
gab sich dabei seiner Art von Auffassung des Übersinnlichen in ganz
unbedingtem Masse hin. Er veräusserlicht und entweiht Alles. Im
Centrum (jetzt sehr verdorben) stürzt sich Christus der in Mitten einer
gewaltigen Engel- und Wolkenmasse heraufrauschenden Maria ent-
gegen. Das Momentane ist allerdings überwältigend; der Knäul zahl-
loser Engel, welche hier mit höchster Leidenschaft einander entgegen-
stürzen und sich umschlingen, ist ohne Beispiel in der Kunst; ob diess
die würdigste Feier des dargestellten Ereignisses sein kann, ist eine
andere Frage. Wenn ja, so war auch das mit einem bekannten Witz-
wort bezeichnete Durcheinander von Armen und Beinen nicht zu ver-
meiden, denn wäre die Scene wirklich, so müsste sie sich allerdings
etwa so ausnehmen. — Weiter unten, zwischen den Fenstern, stehen
die Apostel der Maria nachschauend; hinter ihnen auf einer Brust-
wehr sind Genien mit Candelabern und Rauchfässern beschäftigt. In
den Aposteln ist Coreggio inconsequent; wer so aufgeregt ist wie sie,
bleibt nicht in seiner Ecke stehen; auch ihre vermeintliche Grossar-
tigkeit hat etwas merkwürdig Unwahres. Aber ganz wunderschön
sind einige von den Genien, auch manche von den Engeln im Kuppel-
gemälde selbst, und vollends diejenigen, welche in den Pendentifs die
vier Schutzheiligen von Parma umschweben. Es ist schwer, sich ge-
nau zu sagen, welcher Art die Berauschung ist, womit diese Gestalten
den Sinn erfüllen. Ich glaube, dass hier Göttliches und sehr Irdisches
durcheinander rinnen. Vielleicht fasst sie ein jüngeres Gemüth un-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/979>, abgerufen am 18.12.2024.
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