Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Garofalo. Dosso Dossi.
nebst einfarbigen Seitenfiguren, spät. -- In S. Domenico: Bilder dera
4. Cap. r. und 4. Cap. 1. -- In S. Maria in Vado, 5. Alt. 1.: Himmel-b
fahrt Christi, Copie des Carlo Bonone. (In den 2 äussersten Capellen
des linken Querschiffes die beiden grossen ehemaligen Orgelflügel,
zusammen eine Verkündigung enthaltend, von einem guten Zeitgenos-
sen oder Schüler).


Dosso Dossi (st. 1560) liess sich weniger von Rafael des-
orientiren, dessen persönlichen Einfluss er nicht mehr erfuhr. Er blieb
ein Romantiker auf eigene Gefahr und behielt (die späteste Zeit aus-
genommen) seine Gluthfarben und seine eigenen bisweilen ungeschick-
ten und bizarren, oft aber höchst bedeutenden Gedanken; in den
Charakteren steht er nicht selten den grössten Venezianern gleich, am
ehesten dem Giorgione.

Frühere kleine Bilder sind ganz ferraresisch (Uffizien: Kinder-c
mord; Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht, mit herrlicher Landschaft). --d
Von den Altarbildern ist das grosse aus einer Madonna mit Heiligen
und 5 Nebenabtheilungen bestehende im Ateneo zu Ferrara (aus S.e
Andrea, wo man jetzt Candi's Copie findet) einer der grössten Kunst-
schätze Oberitaliens; streng architektonische Anordnung, Adel und
Fülle der Charaktere, gewaltige Kraft der Farbe. -- Ebenda: eine
grosse Verkündigung, und ein Johannes auf Pathmos, von misslunge-
nem pathetischem Ausdruck. -- In der Brera zu Mailand: ein heiligerf
Bischof mit 2 Engeln (1536). -- Im Dom von Modena, 4. Alt. 1., Ma-g
donna in Wolken, unten S. Sebastian, S. Hieronymus und Johannes
d. T., Hauptbild. -- In der Galerie zu Modena: grosse Anbetung derh
Könige mit phantastisch beleuchteter Landschaft; grosses Carthäuser-
votivbild mit der auf Wolken schwebenden Jungfrau. -- Ebenda al
Carmine, 3. Alt. r.: ein heiliger Dominicaner, ein schönes dämonischesi
Weib mit Füssen tretend. -- Ebenda in S. Pietro, 3. Alt. r.: Mariäk
Himmelfahrt, die Apostel (3 rechts, 3 links und 6 hinten) treten ganz
feierlich mit ihren Attributen heran; -- andere Bilder dieser Kirche
werden theils seiner Schule, theils seinem Bruder Gian Battista zu-
geschrieben, so die artige Predella des 5. Alt. r., -- die naiv schöne
auf Wolken schwebende Madonna mit zwei heil. Bischöfen auf dem

Garofalo. Dosso Dossi.
nebst einfarbigen Seitenfiguren, spät. — In S. Domenico: Bilder dera
4. Cap. r. und 4. Cap. 1. — In S. Maria in Vado, 5. Alt. 1.: Himmel-b
fahrt Christi, Copie des Carlo Bonone. (In den 2 äussersten Capellen
des linken Querschiffes die beiden grossen ehemaligen Orgelflügel,
zusammen eine Verkündigung enthaltend, von einem guten Zeitgenos-
sen oder Schüler).


Dosso Dossi (st. 1560) liess sich weniger von Rafael des-
orientiren, dessen persönlichen Einfluss er nicht mehr erfuhr. Er blieb
ein Romantiker auf eigene Gefahr und behielt (die späteste Zeit aus-
genommen) seine Gluthfarben und seine eigenen bisweilen ungeschick-
ten und bizarren, oft aber höchst bedeutenden Gedanken; in den
Charakteren steht er nicht selten den grössten Venezianern gleich, am
ehesten dem Giorgione.

Frühere kleine Bilder sind ganz ferraresisch (Uffizien: Kinder-c
mord; Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht, mit herrlicher Landschaft). —d
Von den Altarbildern ist das grosse aus einer Madonna mit Heiligen
und 5 Nebenabtheilungen bestehende im Ateneo zu Ferrara (aus S.e
Andrea, wo man jetzt Candi’s Copie findet) einer der grössten Kunst-
schätze Oberitaliens; streng architektonische Anordnung, Adel und
Fülle der Charaktere, gewaltige Kraft der Farbe. — Ebenda: eine
grosse Verkündigung, und ein Johannes auf Pathmos, von misslunge-
nem pathetischem Ausdruck. — In der Brera zu Mailand: ein heiligerf
Bischof mit 2 Engeln (1536). — Im Dom von Modena, 4. Alt. 1., Ma-g
donna in Wolken, unten S. Sebastian, S. Hieronymus und Johannes
d. T., Hauptbild. — In der Galerie zu Modena: grosse Anbetung derh
Könige mit phantastisch beleuchteter Landschaft; grosses Carthäuser-
votivbild mit der auf Wolken schwebenden Jungfrau. — Ebenda al
Carmine, 3. Alt. r.: ein heiliger Dominicaner, ein schönes dämonischesi
Weib mit Füssen tretend. — Ebenda in S. Pietro, 3. Alt. r.: Mariäk
Himmelfahrt, die Apostel (3 rechts, 3 links und 6 hinten) treten ganz
feierlich mit ihren Attributen heran; — andere Bilder dieser Kirche
werden theils seiner Schule, theils seinem Bruder Gian Battista zu-
geschrieben, so die artige Predella des 5. Alt. r., — die naiv schöne
auf Wolken schwebende Madonna mit zwei heil. Bischöfen auf dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0965" n="943"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Garofalo. Dosso Dossi.</hi></fw><lb/>
nebst einfarbigen Seitenfiguren, spät. &#x2014; In S. Domenico: Bilder der<note place="right">a</note><lb/>
4. Cap. r. und 4. Cap. 1. &#x2014; In S. Maria in Vado, 5. Alt. 1.: Himmel-<note place="right">b</note><lb/>
fahrt Christi, Copie des Carlo Bonone. (In den 2 äussersten Capellen<lb/>
des linken Querschiffes die beiden grossen ehemaligen Orgelflügel,<lb/>
zusammen eine Verkündigung enthaltend, von einem guten Zeitgenos-<lb/>
sen oder Schüler).</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#g">Dosso Dossi</hi> (st. 1560) liess sich weniger von Rafael des-<lb/>
orientiren, dessen persönlichen Einfluss er nicht mehr erfuhr. Er blieb<lb/>
ein Romantiker auf eigene Gefahr und behielt (die späteste Zeit aus-<lb/>
genommen) seine Gluthfarben und seine eigenen bisweilen ungeschick-<lb/>
ten und bizarren, oft aber höchst bedeutenden Gedanken; in den<lb/>
Charakteren steht er nicht selten den grössten Venezianern gleich, am<lb/>
ehesten dem Giorgione.</p><lb/>
        <p>Frühere kleine Bilder sind ganz ferraresisch (Uffizien: Kinder-<note place="right">c</note><lb/>
mord; Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht, mit herrlicher Landschaft). &#x2014;<note place="right">d</note><lb/>
Von den Altarbildern ist das grosse aus einer Madonna mit Heiligen<lb/>
und 5 Nebenabtheilungen bestehende im Ateneo zu Ferrara (aus S.<note place="right">e</note><lb/>
Andrea, wo man jetzt Candi&#x2019;s Copie findet) einer der grössten Kunst-<lb/>
schätze Oberitaliens; streng architektonische Anordnung, Adel und<lb/>
Fülle der Charaktere, gewaltige Kraft der Farbe. &#x2014; Ebenda: eine<lb/>
grosse Verkündigung, und ein Johannes auf Pathmos, von misslunge-<lb/>
nem pathetischem Ausdruck. &#x2014; In der Brera zu Mailand: ein heiliger<note place="right">f</note><lb/>
Bischof mit 2 Engeln (1536). &#x2014; Im Dom von Modena, 4. Alt. 1., Ma-<note place="right">g</note><lb/>
donna in Wolken, unten S. Sebastian, S. Hieronymus und Johannes<lb/>
d. T., Hauptbild. &#x2014; In der Galerie zu Modena: grosse Anbetung der<note place="right">h</note><lb/>
Könige mit phantastisch beleuchteter Landschaft; grosses Carthäuser-<lb/>
votivbild mit der auf Wolken schwebenden Jungfrau. &#x2014; Ebenda al<lb/>
Carmine, 3. Alt. r.: ein heiliger Dominicaner, ein schönes dämonisches<note place="right">i</note><lb/>
Weib mit Füssen tretend. &#x2014; Ebenda in S. Pietro, 3. Alt. r.: Mariä<note place="right">k</note><lb/>
Himmelfahrt, die Apostel (3 rechts, 3 links und 6 hinten) treten ganz<lb/>
feierlich mit ihren Attributen heran; &#x2014; andere Bilder dieser Kirche<lb/>
werden theils seiner Schule, theils seinem Bruder Gian Battista zu-<lb/>
geschrieben, so die artige Predella des 5. Alt. r., &#x2014; die naiv schöne<lb/>
auf Wolken schwebende Madonna mit zwei heil. Bischöfen auf dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[943/0965] Garofalo. Dosso Dossi. nebst einfarbigen Seitenfiguren, spät. — In S. Domenico: Bilder der 4. Cap. r. und 4. Cap. 1. — In S. Maria in Vado, 5. Alt. 1.: Himmel- fahrt Christi, Copie des Carlo Bonone. (In den 2 äussersten Capellen des linken Querschiffes die beiden grossen ehemaligen Orgelflügel, zusammen eine Verkündigung enthaltend, von einem guten Zeitgenos- sen oder Schüler). a b Dosso Dossi (st. 1560) liess sich weniger von Rafael des- orientiren, dessen persönlichen Einfluss er nicht mehr erfuhr. Er blieb ein Romantiker auf eigene Gefahr und behielt (die späteste Zeit aus- genommen) seine Gluthfarben und seine eigenen bisweilen ungeschick- ten und bizarren, oft aber höchst bedeutenden Gedanken; in den Charakteren steht er nicht selten den grössten Venezianern gleich, am ehesten dem Giorgione. Frühere kleine Bilder sind ganz ferraresisch (Uffizien: Kinder- mord; Pal. Pitti: Ruhe auf der Flucht, mit herrlicher Landschaft). — Von den Altarbildern ist das grosse aus einer Madonna mit Heiligen und 5 Nebenabtheilungen bestehende im Ateneo zu Ferrara (aus S. Andrea, wo man jetzt Candi’s Copie findet) einer der grössten Kunst- schätze Oberitaliens; streng architektonische Anordnung, Adel und Fülle der Charaktere, gewaltige Kraft der Farbe. — Ebenda: eine grosse Verkündigung, und ein Johannes auf Pathmos, von misslunge- nem pathetischem Ausdruck. — In der Brera zu Mailand: ein heiliger Bischof mit 2 Engeln (1536). — Im Dom von Modena, 4. Alt. 1., Ma- donna in Wolken, unten S. Sebastian, S. Hieronymus und Johannes d. T., Hauptbild. — In der Galerie zu Modena: grosse Anbetung der Könige mit phantastisch beleuchteter Landschaft; grosses Carthäuser- votivbild mit der auf Wolken schwebenden Jungfrau. — Ebenda al Carmine, 3. Alt. r.: ein heiliger Dominicaner, ein schönes dämonisches Weib mit Füssen tretend. — Ebenda in S. Pietro, 3. Alt. r.: Mariä Himmelfahrt, die Apostel (3 rechts, 3 links und 6 hinten) treten ganz feierlich mit ihren Attributen heran; — andere Bilder dieser Kirche werden theils seiner Schule, theils seinem Bruder Gian Battista zu- geschrieben, so die artige Predella des 5. Alt. r., — die naiv schöne auf Wolken schwebende Madonna mit zwei heil. Bischöfen auf dem c d e f g h i k

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/965
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 943. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/965>, abgerufen am 18.12.2024.