System vertrug überhaupt nur einen neutralen Inhalt und hätte für religiöse Symbole und Anspielungen kein Gefäss abgeben können.
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Rafaels Tapeten1) bestehen aus zwei Reihen, von welchen je- denfalls nur die erste, mit den zehn Ereignissen aus der Apostel- geschichte, ihm im engern Sinne angehört. Er schuf in den Jahren 1515 und 1516 (also gleichzeitig mit den Entwürfen zur Stanza dell' incendio) die berühmten Cartons, von welchen noch sieben zu Hamp- toncourt in England aufbewahrt werden. Gewirkt wurden sie in Flan- dern; noch bei R.'s Lebzeiten kam wenigstens ein Theil davon fertig nach Rom. Die Wirker hatten sich an seine Zeichnung gehalten, so genau man sich damals überhaupt an Vorlagen hielt; es kommen Frei- heiten, z. B. in der Behandlung einzelner Köpfe und des landschaft- lichen Grundes vor, die sich ein jetziger Künstler bei seinen Execu- tanten verbitten würde. Die Erhaltung des Vorhandenen ist im Ver- hältniss zu den Schicksalen eine mittlere; doch sind die Farben ungleich abgebleicht und das Nackte hat einen kalt schmutzigen Ton ange- nommen. Dem originalen Schwung und Strich der rafaelischen Hand können die Contouren der Tapeten ohnediess nie gleichkommen.
Von ihren nur in wenigen Beispielen erhaltenen Randarabesken ist schon (S. 285, a) die Rede gewesen. Ausserdem haben sie Sockel- bilder in gedämpfter Goldfarbe. Hier zeigt es sich, wie Leo X seine eigene Lebensgeschichte taxirte. Ohne irgend einen Bezug auf die oben stehenden Thaten der Apostel geht sie unten parallel mit, und zwar auch diejenigen Momente, welche nichts weniger als ruhmreich waren, wie die vermummte Flucht aus Florenz, die Gefangennehmung in der Schlacht von Ravenna u. dgl. Das Glückskind findet Alles, was ihm widerfahren, nicht bloss merkwürdig, sondern auch monu- mental darstellbar, und dieser Zug des mediceischen Gemüthes hat noch hundert Jahre später Rubens und seine ganze Schule zur Ver- herrlichung der zweideutigsten Thatsachen in Anspruch genommen (Galerie de Marie de Medicis). Jene Sockelbilder, in schönem und gemässigtem Reliefstyl erzählt, bedurften, beiläufig gesagt, zur örtli-
1) Gegenwärtig an zwei Stellen der langen Verbindungsgalerie zwischen dem obern Gang der Antiken und der Gemäldesammlung des Vaticans aufgehängt.
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
System vertrug überhaupt nur einen neutralen Inhalt und hätte für religiöse Symbole und Anspielungen kein Gefäss abgeben können.
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Rafaels Tapeten1) bestehen aus zwei Reihen, von welchen je- denfalls nur die erste, mit den zehn Ereignissen aus der Apostel- geschichte, ihm im engern Sinne angehört. Er schuf in den Jahren 1515 und 1516 (also gleichzeitig mit den Entwürfen zur Stanza dell’ incendio) die berühmten Cartons, von welchen noch sieben zu Hamp- toncourt in England aufbewahrt werden. Gewirkt wurden sie in Flan- dern; noch bei R.’s Lebzeiten kam wenigstens ein Theil davon fertig nach Rom. Die Wirker hatten sich an seine Zeichnung gehalten, so genau man sich damals überhaupt an Vorlagen hielt; es kommen Frei- heiten, z. B. in der Behandlung einzelner Köpfe und des landschaft- lichen Grundes vor, die sich ein jetziger Künstler bei seinen Execu- tanten verbitten würde. Die Erhaltung des Vorhandenen ist im Ver- hältniss zu den Schicksalen eine mittlere; doch sind die Farben ungleich abgebleicht und das Nackte hat einen kalt schmutzigen Ton ange- nommen. Dem originalen Schwung und Strich der rafaelischen Hand können die Contouren der Tapeten ohnediess nie gleichkommen.
Von ihren nur in wenigen Beispielen erhaltenen Randarabesken ist schon (S. 285, a) die Rede gewesen. Ausserdem haben sie Sockel- bilder in gedämpfter Goldfarbe. Hier zeigt es sich, wie Leo X seine eigene Lebensgeschichte taxirte. Ohne irgend einen Bezug auf die oben stehenden Thaten der Apostel geht sie unten parallel mit, und zwar auch diejenigen Momente, welche nichts weniger als ruhmreich waren, wie die vermummte Flucht aus Florenz, die Gefangennehmung in der Schlacht von Ravenna u. dgl. Das Glückskind findet Alles, was ihm widerfahren, nicht bloss merkwürdig, sondern auch monu- mental darstellbar, und dieser Zug des mediceischen Gemüthes hat noch hundert Jahre später Rubens und seine ganze Schule zur Ver- herrlichung der zweideutigsten Thatsachen in Anspruch genommen (Galerie de Marie de Médicis). Jene Sockelbilder, in schönem und gemässigtem Reliefstyl erzählt, bedurften, beiläufig gesagt, zur örtli-
1) Gegenwärtig an zwei Stellen der langen Verbindungsgalerie zwischen dem obern Gang der Antiken und der Gemäldesammlung des Vaticans aufgehängt.
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
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religiöse Symbole und Anspielungen kein Gefäss abgeben können.
Rafaels Tapeten 1) bestehen aus zwei Reihen, von welchen je-
denfalls nur die erste, mit den zehn Ereignissen aus der Apostel-
geschichte, ihm im engern Sinne angehört. Er schuf in den Jahren
1515 und 1516 (also gleichzeitig mit den Entwürfen zur Stanza dell’
incendio) die berühmten Cartons, von welchen noch sieben zu Hamp-
toncourt in England aufbewahrt werden. Gewirkt wurden sie in Flan-
dern; noch bei R.’s Lebzeiten kam wenigstens ein Theil davon fertig
nach Rom. Die Wirker hatten sich an seine Zeichnung gehalten, so
genau man sich damals überhaupt an Vorlagen hielt; es kommen Frei-
heiten, z. B. in der Behandlung einzelner Köpfe und des landschaft-
lichen Grundes vor, die sich ein jetziger Künstler bei seinen Execu-
tanten verbitten würde. Die Erhaltung des Vorhandenen ist im Ver-
hältniss zu den Schicksalen eine mittlere; doch sind die Farben ungleich
abgebleicht und das Nackte hat einen kalt schmutzigen Ton ange-
nommen. Dem originalen Schwung und Strich der rafaelischen Hand
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Von ihren nur in wenigen Beispielen erhaltenen Randarabesken
ist schon (S. 285, a) die Rede gewesen. Ausserdem haben sie Sockel-
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oben stehenden Thaten der Apostel geht sie unten parallel mit, und
zwar auch diejenigen Momente, welche nichts weniger als ruhmreich
waren, wie die vermummte Flucht aus Florenz, die Gefangennehmung
in der Schlacht von Ravenna u. dgl. Das Glückskind findet Alles,
was ihm widerfahren, nicht bloss merkwürdig, sondern auch monu-
mental darstellbar, und dieser Zug des mediceischen Gemüthes hat
noch hundert Jahre später Rubens und seine ganze Schule zur Ver-
herrlichung der zweideutigsten Thatsachen in Anspruch genommen
(Galerie de Marie de Médicis). Jene Sockelbilder, in schönem und
gemässigtem Reliefstyl erzählt, bedurften, beiläufig gesagt, zur örtli-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 928. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/950>, abgerufen am 18.12.2024.
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