In der Stanza dell' Incendio ist vielleicht nichts von Ra-a faels eigener Hand gemalt; am Gewölbe liess er die Malereien Peru- gino's stehen, um seinen Lehrer nicht zu kränken. Ohnehin war ja die Zeit der strengen symbolischen Gesammtcompositionen vorbei, wie der Inhalt der Deckenbilder der Stanza d'Eliodoro beweist.
Die Anspielung ist hier oberflächlicher als in den Gemälden des vorigen Zimmers. Es sind die Thaten Leo's III und Leo's IV, also Scenen des VIII. und IX. Jahrh., die hier nur der Namensgleichheit mit Leo X zu Liebe aus der ganzen Kirchengeschichte ausgewählt und unter den Zügen des Letztern dargestellt sind. Unbegreiflich ist der Reinigungseid Leo's III; weder Rafael noch der Papst konnten (wie man denken sollte) ein besonderes Verlangen nach die- sem Gegenstand haben, und wenn die unfehlbare Glaubwürdigkeit des päpstlichen Wortes symbolisirt werden sollte, so war manche an- dere Erinnerung dazu besser geeignet und malerisch mindestens eben so dankbar. Immerhin wurde ein stattliches Ceremonienbild daraus, welches wenigstens zeigt, auf welcher Höhe lebendiger historischer Einzeldarstellung die ausführenden Schüler in jenem Augenblicke (bis 1517) standen. Hier lernte Perin del Vaga jene Charakteristik, welche in seinen Helden des Hauses Doria (in der obern Halle des gleich-b namigen Palastes zu Genua) nachklingt.
Die Krönung Carls des Grossen dagegen ist erweislich ein politisches Tendenzbild, ein frommer Wunsch Leo's X, welcher gerne Franz I zum Kaiser gemacht hätte, dessen Züge Carl trägt. Hier ist es wahrhaft schmerzlich, Rafael mit dem gewaltsamen Interessant- machen einer Ceremonie beschäftigt zu sehen; halbnackte Männer schleppen prächtiges Geräth herein; die Köpfe der reihenweis sitzen- den Prälaten müssen sich trotz dem feierlichen Augenblicke zum Theil umwenden, damit der Beschauer nicht gar bloss Infeln erblicke. Und doch ist aus der Scene gemacht was nur Rafael daraus machen konnte und das Einzelne ist zum Theil so schön, dass man es gerne seiner eigenen Hand zutrauen möchte.
Seine ganze Grösse als historischer Componist findet er wieder in dem Siege von Ostia. Kampf, Bändigung und Gefangenführung sind hier meisterhaft zu einem höchst energischen und einfach schönen Bilde vereinigt, das nur der Ausführung und der spätern Entstellung
Stanza d’Eliodoro. Stanza dell’ Incendio.
In der Stanza dell’ Incendio ist vielleicht nichts von Ra-a faels eigener Hand gemalt; am Gewölbe liess er die Malereien Peru- gino’s stehen, um seinen Lehrer nicht zu kränken. Ohnehin war ja die Zeit der strengen symbolischen Gesammtcompositionen vorbei, wie der Inhalt der Deckenbilder der Stanza d’Eliodoro beweist.
Die Anspielung ist hier oberflächlicher als in den Gemälden des vorigen Zimmers. Es sind die Thaten Leo’s III und Leo’s IV, also Scenen des VIII. und IX. Jahrh., die hier nur der Namensgleichheit mit Leo X zu Liebe aus der ganzen Kirchengeschichte ausgewählt und unter den Zügen des Letztern dargestellt sind. Unbegreiflich ist der Reinigungseid Leo’s III; weder Rafael noch der Papst konnten (wie man denken sollte) ein besonderes Verlangen nach die- sem Gegenstand haben, und wenn die unfehlbare Glaubwürdigkeit des päpstlichen Wortes symbolisirt werden sollte, so war manche an- dere Erinnerung dazu besser geeignet und malerisch mindestens eben so dankbar. Immerhin wurde ein stattliches Ceremonienbild daraus, welches wenigstens zeigt, auf welcher Höhe lebendiger historischer Einzeldarstellung die ausführenden Schüler in jenem Augenblicke (bis 1517) standen. Hier lernte Perin del Vaga jene Charakteristik, welche in seinen Helden des Hauses Doria (in der obern Halle des gleich-b namigen Palastes zu Genua) nachklingt.
Die Krönung Carls des Grossen dagegen ist erweislich ein politisches Tendenzbild, ein frommer Wunsch Leo’s X, welcher gerne Franz I zum Kaiser gemacht hätte, dessen Züge Carl trägt. Hier ist es wahrhaft schmerzlich, Rafael mit dem gewaltsamen Interessant- machen einer Ceremonie beschäftigt zu sehen; halbnackte Männer schleppen prächtiges Geräth herein; die Köpfe der reihenweis sitzen- den Prälaten müssen sich trotz dem feierlichen Augenblicke zum Theil umwenden, damit der Beschauer nicht gar bloss Infeln erblicke. Und doch ist aus der Scene gemacht was nur Rafael daraus machen konnte und das Einzelne ist zum Theil so schön, dass man es gerne seiner eigenen Hand zutrauen möchte.
Seine ganze Grösse als historischer Componist findet er wieder in dem Siege von Ostia. Kampf, Bändigung und Gefangenführung sind hier meisterhaft zu einem höchst energischen und einfach schönen Bilde vereinigt, das nur der Ausführung und der spätern Entstellung
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Stanza d’Eliodoro. Stanza dell’ Incendio.
In der Stanza dell’ Incendio ist vielleicht nichts von Ra-
faels eigener Hand gemalt; am Gewölbe liess er die Malereien Peru-
gino’s stehen, um seinen Lehrer nicht zu kränken. Ohnehin war ja
die Zeit der strengen symbolischen Gesammtcompositionen vorbei, wie
der Inhalt der Deckenbilder der Stanza d’Eliodoro beweist.
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Die Anspielung ist hier oberflächlicher als in den Gemälden des
vorigen Zimmers. Es sind die Thaten Leo’s III und Leo’s IV, also
Scenen des VIII. und IX. Jahrh., die hier nur der Namensgleichheit
mit Leo X zu Liebe aus der ganzen Kirchengeschichte ausgewählt
und unter den Zügen des Letztern dargestellt sind. Unbegreiflich ist
der Reinigungseid Leo’s III; weder Rafael noch der Papst
konnten (wie man denken sollte) ein besonderes Verlangen nach die-
sem Gegenstand haben, und wenn die unfehlbare Glaubwürdigkeit
des päpstlichen Wortes symbolisirt werden sollte, so war manche an-
dere Erinnerung dazu besser geeignet und malerisch mindestens eben
so dankbar. Immerhin wurde ein stattliches Ceremonienbild daraus,
welches wenigstens zeigt, auf welcher Höhe lebendiger historischer
Einzeldarstellung die ausführenden Schüler in jenem Augenblicke (bis
1517) standen. Hier lernte Perin del Vaga jene Charakteristik, welche
in seinen Helden des Hauses Doria (in der obern Halle des gleich-
namigen Palastes zu Genua) nachklingt.
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Die Krönung Carls des Grossen dagegen ist erweislich ein
politisches Tendenzbild, ein frommer Wunsch Leo’s X, welcher gerne
Franz I zum Kaiser gemacht hätte, dessen Züge Carl trägt. Hier ist
es wahrhaft schmerzlich, Rafael mit dem gewaltsamen Interessant-
machen einer Ceremonie beschäftigt zu sehen; halbnackte Männer
schleppen prächtiges Geräth herein; die Köpfe der reihenweis sitzen-
den Prälaten müssen sich trotz dem feierlichen Augenblicke zum Theil
umwenden, damit der Beschauer nicht gar bloss Infeln erblicke. Und
doch ist aus der Scene gemacht was nur Rafael daraus machen konnte
und das Einzelne ist zum Theil so schön, dass man es gerne seiner
eigenen Hand zutrauen möchte.
Seine ganze Grösse als historischer Componist findet er wieder
in dem Siege von Ostia. Kampf, Bändigung und Gefangenführung
sind hier meisterhaft zu einem höchst energischen und einfach schönen
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 921. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/943>, abgerufen am 18.12.2024.
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