wäre. Rom ist für die Fortdauer dieser Gemälde, selbst für ihr Fort- leben im Abbild, dem ganzen Abendland und allen künftigen Jahrh. verantwortlich. Eine Restauration wäre nur zu beklagen und würde viel mehr kosten als eine Sammlung von Calquen. -- Wie weit die schönsten jetzigen Kupferstiche im Eindruck unter den Urbildern blei- ben, zeigt der erste Blick auf letztere.
Die hohen poetischen Ideen, welche den Fresken der Camera adella Segnatura (vollendet 1511) zu Grunde liegen, waren wohl der Hauptsache nach etwas Gegebenes. Abgesehen davon, dass Ra- fael schwerlich genug Gelehrsamkeit besass, um von sich aus die Per- sonen der Disputa oder gar der Schule von Athen 1) sachlich richtig zu charakterisiren und zu stellen und dass sich hier die Beihülfe ir- gend eines bedeutenden Menschen aus der Umgebung Julius II 1) deutlich verräth, -- abgesehen hievon hatte schon lange vorher die Kunst sich an denselben Aufgaben versucht. Die Meister der Capella degli Spagnuoli bei S. M. novella in Florenz hatten die allegorischen Figuren der Künste und Wissenschaften und ihrer Repräsentanten in strenger Parallele, in architektonischer Einfassung vorgeführt. Sechs Generationen später, kaum 15 Jahre vor Rafael, hatte sein Schulge- nosse Pinturicchio in einem der Zimmer, deren Gewölbe er für Ale- bxander VI ausmalte (Appartamento Borgia im Vatican, dritter Raum), jene allegorischen Gestalten thronend in der Mitte ihrer Jünger auf landschaftlichem Hintergrunde dargestellt, anderer Versuche zu ge- schweigen. Aber Rafael hatte zuerst den Verstand, die allegorischen Frauen aus den Wandbildern hinaus an das Gewölbe in einen beson- dern goldenen Mosaikhimmel zu versetzen. Hier konnte er sie auf ganz eigene, ideale Weise stylisiren. (Man weiss, wie später die ver- wilderte Kunst recht ihren Stolz darin suchte, allegorische und ge- schichtliche Personen möglichst bunt durcheinander zu mischen und wie es der ganzen sonstigen Grösse eines Rubens bedarf, um Werke dieser Art, wie z. B. sein Leben der Maria von Medici im Louvre, für uns geniessbar zu machen.)
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor. Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor. Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
wäre. Rom ist für die Fortdauer dieser Gemälde, selbst für ihr Fort- leben im Abbild, dem ganzen Abendland und allen künftigen Jahrh. verantwortlich. Eine Restauration wäre nur zu beklagen und würde viel mehr kosten als eine Sammlung von Calquen. — Wie weit die schönsten jetzigen Kupferstiche im Eindruck unter den Urbildern blei- ben, zeigt der erste Blick auf letztere.
Die hohen poetischen Ideen, welche den Fresken der Camera adella Segnatura (vollendet 1511) zu Grunde liegen, waren wohl der Hauptsache nach etwas Gegebenes. Abgesehen davon, dass Ra- fael schwerlich genug Gelehrsamkeit besass, um von sich aus die Per- sonen der Disputa oder gar der Schule von Athen 1) sachlich richtig zu charakterisiren und zu stellen und dass sich hier die Beihülfe ir- gend eines bedeutenden Menschen aus der Umgebung Julius II 1) deutlich verräth, — abgesehen hievon hatte schon lange vorher die Kunst sich an denselben Aufgaben versucht. Die Meister der Capella degli Spagnuoli bei S. M. novella in Florenz hatten die allegorischen Figuren der Künste und Wissenschaften und ihrer Repräsentanten in strenger Parallele, in architektonischer Einfassung vorgeführt. Sechs Generationen später, kaum 15 Jahre vor Rafael, hatte sein Schulge- nosse Pinturicchio in einem der Zimmer, deren Gewölbe er für Ale- bxander VI ausmalte (Appartamento Borgia im Vatican, dritter Raum), jene allegorischen Gestalten thronend in der Mitte ihrer Jünger auf landschaftlichem Hintergrunde dargestellt, anderer Versuche zu ge- schweigen. Aber Rafael hatte zuerst den Verstand, die allegorischen Frauen aus den Wandbildern hinaus an das Gewölbe in einen beson- dern goldenen Mosaikhimmel zu versetzen. Hier konnte er sie auf ganz eigene, ideale Weise stylisiren. (Man weiss, wie später die ver- wilderte Kunst recht ihren Stolz darin suchte, allegorische und ge- schichtliche Personen möglichst bunt durcheinander zu mischen und wie es der ganzen sonstigen Grösse eines Rubens bedarf, um Werke dieser Art, wie z. B. sein Leben der Maria von Medici im Louvre, für uns geniessbar zu machen.)
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor. Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor. Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0934"n="912"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.</hi></fw><lb/>
wäre. Rom ist für die Fortdauer dieser Gemälde, selbst für ihr Fort-<lb/>
leben im Abbild, dem ganzen Abendland und allen künftigen Jahrh.<lb/>
verantwortlich. Eine Restauration wäre nur zu beklagen und würde<lb/>
viel mehr kosten als eine Sammlung von Calquen. — Wie weit die<lb/>
schönsten jetzigen Kupferstiche im Eindruck unter den Urbildern blei-<lb/>
ben, zeigt der erste Blick auf letztere.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die hohen poetischen Ideen, welche den Fresken der <hirendition="#g">Camera</hi><lb/><noteplace="left">a</note><hirendition="#g">della Segnatura</hi> (vollendet 1511) zu Grunde liegen, waren wohl<lb/>
der Hauptsache nach etwas Gegebenes. Abgesehen davon, dass Ra-<lb/>
fael schwerlich genug Gelehrsamkeit besass, um von sich aus die Per-<lb/>
sonen der Disputa oder gar der Schule von Athen <noteplace="foot"n="1)">Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor.<lb/>
Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.</note> sachlich richtig<lb/>
zu charakterisiren und zu stellen und dass sich hier die Beihülfe ir-<lb/>
gend eines bedeutenden Menschen aus der Umgebung Julius II <noteplace="foot"n="1)">Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor.<lb/>
Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.</note><lb/>
deutlich verräth, — abgesehen hievon hatte schon lange vorher die<lb/>
Kunst sich an denselben Aufgaben versucht. Die Meister der Capella<lb/>
degli Spagnuoli bei S. M. novella in Florenz hatten die allegorischen<lb/>
Figuren der Künste und Wissenschaften und ihrer Repräsentanten in<lb/>
strenger Parallele, in architektonischer Einfassung vorgeführt. Sechs<lb/>
Generationen später, kaum 15 Jahre vor Rafael, hatte sein Schulge-<lb/>
nosse Pinturicchio in einem der Zimmer, deren Gewölbe er für Ale-<lb/><noteplace="left">b</note>xander VI ausmalte (Appartamento Borgia im Vatican, dritter Raum),<lb/>
jene allegorischen Gestalten thronend in der Mitte ihrer Jünger auf<lb/>
landschaftlichem Hintergrunde dargestellt, anderer Versuche zu ge-<lb/>
schweigen. Aber Rafael hatte zuerst den Verstand, die allegorischen<lb/>
Frauen aus den Wandbildern hinaus an das Gewölbe in einen beson-<lb/>
dern goldenen Mosaikhimmel zu versetzen. Hier konnte er sie auf<lb/>
ganz eigene, ideale Weise stylisiren. (Man weiss, wie später die ver-<lb/>
wilderte Kunst recht ihren Stolz darin suchte, allegorische und ge-<lb/>
schichtliche Personen möglichst bunt durcheinander zu mischen und<lb/>
wie es der ganzen sonstigen Grösse eines Rubens bedarf, um Werke<lb/>
dieser Art, wie z. B. sein Leben der Maria von Medici im Louvre,<lb/>
für uns geniessbar zu machen.)</p><lb/></div></body></text></TEI>
[912/0934]
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Rafael.
wäre. Rom ist für die Fortdauer dieser Gemälde, selbst für ihr Fort-
leben im Abbild, dem ganzen Abendland und allen künftigen Jahrh.
verantwortlich. Eine Restauration wäre nur zu beklagen und würde
viel mehr kosten als eine Sammlung von Calquen. — Wie weit die
schönsten jetzigen Kupferstiche im Eindruck unter den Urbildern blei-
ben, zeigt der erste Blick auf letztere.
Die hohen poetischen Ideen, welche den Fresken der Camera
della Segnatura (vollendet 1511) zu Grunde liegen, waren wohl
der Hauptsache nach etwas Gegebenes. Abgesehen davon, dass Ra-
fael schwerlich genug Gelehrsamkeit besass, um von sich aus die Per-
sonen der Disputa oder gar der Schule von Athen 1) sachlich richtig
zu charakterisiren und zu stellen und dass sich hier die Beihülfe ir-
gend eines bedeutenden Menschen aus der Umgebung Julius II 1)
deutlich verräth, — abgesehen hievon hatte schon lange vorher die
Kunst sich an denselben Aufgaben versucht. Die Meister der Capella
degli Spagnuoli bei S. M. novella in Florenz hatten die allegorischen
Figuren der Künste und Wissenschaften und ihrer Repräsentanten in
strenger Parallele, in architektonischer Einfassung vorgeführt. Sechs
Generationen später, kaum 15 Jahre vor Rafael, hatte sein Schulge-
nosse Pinturicchio in einem der Zimmer, deren Gewölbe er für Ale-
xander VI ausmalte (Appartamento Borgia im Vatican, dritter Raum),
jene allegorischen Gestalten thronend in der Mitte ihrer Jünger auf
landschaftlichem Hintergrunde dargestellt, anderer Versuche zu ge-
schweigen. Aber Rafael hatte zuerst den Verstand, die allegorischen
Frauen aus den Wandbildern hinaus an das Gewölbe in einen beson-
dern goldenen Mosaikhimmel zu versetzen. Hier konnte er sie auf
ganz eigene, ideale Weise stylisiren. (Man weiss, wie später die ver-
wilderte Kunst recht ihren Stolz darin suchte, allegorische und ge-
schichtliche Personen möglichst bunt durcheinander zu mischen und
wie es der ganzen sonstigen Grösse eines Rubens bedarf, um Werke
dieser Art, wie z. B. sein Leben der Maria von Medici im Louvre,
für uns geniessbar zu machen.)
a
b
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor.
Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
1) Man räth auf Bibiena, Bembo, Castiglione, Inghirami etc. Auch die ganze allegor.
Kunst und Poesie von den Trionfi des Petrarca abwärts kommt in Betracht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 912. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/934>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.