Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Spätere Florentiner.
aBild der tausend Märtyrer, in der Academie; ein blosses fleissiges
Actstudium.

Von einem zurückgebliebenen Schüler Filippino's, Raffaellin
del Garbo
, der sich später vergebens dem grossen Styl zuzuwen-
bden suchte, ist eine Auferstehung (Academie) das einzige frühere Bild
cvon Belang. In der Sacristei von S. Lorenzo eine Geburt Christi. In
dder von seinem Meister begonnenen Cap. Carafa in der Minerva zu
Rom malte er das Gewölbe; jetzt sehr verdorben.

Giov. Ant. Sogliani, ein Schüler des Credi, hat in seinem
eschönsten Bilde, auf einem Altar links in S. Lorenzo, welches die des
Martyriums harrenden Apostel darstellt, den Meister sowohl als An-
drea del Sarto nahezu erreicht. (Auch die Predella, von dem sehr
selten vorkommenden Bacchiacca, ist ein geistreiches Werk.) -- In
fder Academie ausser geringern Bildern eine thronende Madonna mit
Tobias, dessen Engel und S. Augustin, ebenfalls dem Credi nahe; --
gin den Uffizien: Madonna in einer Landschaft, schon nur schön gemalt;
hin der Sacristei von S. Jacopo eine Dreieinigkeit mit Heiligen, welche
tüchtig und zum Theil noch ganz edel sind.

Giuliano Bugiardini, ein Künstler von schwankender Re-
iceptivität, schliesst sich an D. Ghirlandajo in der Geburt Christi (Sa-
cristei von S. Croce) und nähert sich dann in der Behandlung dem
kLionardo (säugende Madonna, in den Uffizien; grosse thronende Ma-
ldonna mit S. Catharina und S. Antonius von Padua, in der Pinacoteca
zu Bologna). Endlich verrückte ihm Michelangelo das Concept. Die
mberüchtigte Marter der heil. Catharina in S. M. novella (Cap. Ruccel-
lai, beim Cimabue) ist die Marter des gewissenhaften Künstlers selber
und ein lehrreiches Denkmal der Gährung, in welche der Meister des
Weltgerichtes gewisse Gemüther versetzte. Man ahnt die ganze Qual
der Motivjägerei.


Über Rafael zu sprechen, könnte hier beinahe überflüssig schei-
nen. Er giebt überall so viel, so Unvergessliches, so ungefragt und
unmittelbar, dass Jeder, der seine Gemälde sieht, ohne Führer zu-

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Spätere Florentiner.
aBild der tausend Märtyrer, in der Academie; ein blosses fleissiges
Actstudium.

Von einem zurückgebliebenen Schüler Filippino’s, Raffaellin
del Garbo
, der sich später vergebens dem grossen Styl zuzuwen-
bden suchte, ist eine Auferstehung (Academie) das einzige frühere Bild
cvon Belang. In der Sacristei von S. Lorenzo eine Geburt Christi. In
dder von seinem Meister begonnenen Cap. Carafa in der Minerva zu
Rom malte er das Gewölbe; jetzt sehr verdorben.

Giov. Ant. Sogliani, ein Schüler des Credi, hat in seinem
eschönsten Bilde, auf einem Altar links in S. Lorenzo, welches die des
Martyriums harrenden Apostel darstellt, den Meister sowohl als An-
drea del Sarto nahezu erreicht. (Auch die Predella, von dem sehr
selten vorkommenden Bacchiacca, ist ein geistreiches Werk.) — In
fder Academie ausser geringern Bildern eine thronende Madonna mit
Tobias, dessen Engel und S. Augustin, ebenfalls dem Credi nahe; —
gin den Uffizien: Madonna in einer Landschaft, schon nur schön gemalt;
hin der Sacristei von S. Jacopo eine Dreieinigkeit mit Heiligen, welche
tüchtig und zum Theil noch ganz edel sind.

Giuliano Bugiardini, ein Künstler von schwankender Re-
iceptivität, schliesst sich an D. Ghirlandajo in der Geburt Christi (Sa-
cristei von S. Croce) und nähert sich dann in der Behandlung dem
kLionardo (säugende Madonna, in den Uffizien; grosse thronende Ma-
ldonna mit S. Catharina und S. Antonius von Padua, in der Pinacoteca
zu Bologna). Endlich verrückte ihm Michelangelo das Concept. Die
mberüchtigte Marter der heil. Catharina in S. M. novella (Cap. Ruccel-
lai, beim Cimabue) ist die Marter des gewissenhaften Künstlers selber
und ein lehrreiches Denkmal der Gährung, in welche der Meister des
Weltgerichtes gewisse Gemüther versetzte. Man ahnt die ganze Qual
der Motivjägerei.


Über Rafael zu sprechen, könnte hier beinahe überflüssig schei-
nen. Er giebt überall so viel, so Unvergessliches, so ungefragt und
unmittelbar, dass Jeder, der seine Gemälde sieht, ohne Führer zu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0912" n="890"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Malerei des XVI. Jahrhunderts. Spätere Florentiner.</hi></fw><lb/><note place="left">a</note>Bild der tausend Märtyrer, in der Academie; ein blosses fleissiges<lb/>
Actstudium.</p><lb/>
        <p>Von einem zurückgebliebenen Schüler Filippino&#x2019;s, <hi rendition="#g">Raffaellin<lb/>
del Garbo</hi>, der sich später vergebens dem grossen Styl zuzuwen-<lb/><note place="left">b</note>den suchte, ist eine Auferstehung (Academie) das einzige frühere Bild<lb/><note place="left">c</note>von Belang. In der Sacristei von S. Lorenzo eine Geburt Christi. In<lb/><note place="left">d</note>der von seinem Meister begonnenen Cap. Carafa in der Minerva zu<lb/>
Rom malte er das Gewölbe; jetzt sehr verdorben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Giov. Ant. Sogliani</hi>, ein Schüler des Credi, hat in seinem<lb/><note place="left">e</note>schönsten Bilde, auf einem Altar links in S. Lorenzo, welches die des<lb/>
Martyriums harrenden Apostel darstellt, den Meister sowohl als An-<lb/>
drea del Sarto nahezu erreicht. (Auch die Predella, von dem sehr<lb/>
selten vorkommenden <hi rendition="#g">Bacchiacca</hi>, ist ein geistreiches Werk.) &#x2014; In<lb/><note place="left">f</note>der Academie ausser geringern Bildern eine thronende Madonna mit<lb/>
Tobias, dessen Engel und S. Augustin, ebenfalls dem Credi nahe; &#x2014;<lb/><note place="left">g</note>in den Uffizien: Madonna in einer Landschaft, schon nur schön gemalt;<lb/><note place="left">h</note>in der Sacristei von S. Jacopo eine Dreieinigkeit mit Heiligen, welche<lb/>
tüchtig und zum Theil noch ganz edel sind.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Giuliano Bugiardini</hi>, ein Künstler von schwankender Re-<lb/><note place="left">i</note>ceptivität, schliesst sich an D. Ghirlandajo in der Geburt Christi (Sa-<lb/>
cristei von S. Croce) und nähert sich dann in der Behandlung dem<lb/><note place="left">k</note>Lionardo (säugende Madonna, in den Uffizien; grosse thronende Ma-<lb/><note place="left">l</note>donna mit S. Catharina und S. Antonius von Padua, in der Pinacoteca<lb/>
zu Bologna). Endlich verrückte ihm Michelangelo das Concept. Die<lb/><note place="left">m</note>berüchtigte Marter der heil. Catharina in S. M. novella (Cap. Ruccel-<lb/>
lai, beim Cimabue) ist die Marter des gewissenhaften Künstlers selber<lb/>
und ein lehrreiches Denkmal der Gährung, in welche der Meister des<lb/>
Weltgerichtes gewisse Gemüther versetzte. Man ahnt die ganze Qual<lb/>
der Motivjägerei.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Über <hi rendition="#g">Rafael</hi> zu sprechen, könnte hier beinahe überflüssig schei-<lb/>
nen. Er giebt überall so viel, so Unvergessliches, so ungefragt und<lb/>
unmittelbar, dass Jeder, der seine Gemälde sieht, ohne Führer zu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[890/0912] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Spätere Florentiner. Bild der tausend Märtyrer, in der Academie; ein blosses fleissiges Actstudium. a Von einem zurückgebliebenen Schüler Filippino’s, Raffaellin del Garbo, der sich später vergebens dem grossen Styl zuzuwen- den suchte, ist eine Auferstehung (Academie) das einzige frühere Bild von Belang. In der Sacristei von S. Lorenzo eine Geburt Christi. In der von seinem Meister begonnenen Cap. Carafa in der Minerva zu Rom malte er das Gewölbe; jetzt sehr verdorben. b c d Giov. Ant. Sogliani, ein Schüler des Credi, hat in seinem schönsten Bilde, auf einem Altar links in S. Lorenzo, welches die des Martyriums harrenden Apostel darstellt, den Meister sowohl als An- drea del Sarto nahezu erreicht. (Auch die Predella, von dem sehr selten vorkommenden Bacchiacca, ist ein geistreiches Werk.) — In der Academie ausser geringern Bildern eine thronende Madonna mit Tobias, dessen Engel und S. Augustin, ebenfalls dem Credi nahe; — in den Uffizien: Madonna in einer Landschaft, schon nur schön gemalt; in der Sacristei von S. Jacopo eine Dreieinigkeit mit Heiligen, welche tüchtig und zum Theil noch ganz edel sind. e f g h Giuliano Bugiardini, ein Künstler von schwankender Re- ceptivität, schliesst sich an D. Ghirlandajo in der Geburt Christi (Sa- cristei von S. Croce) und nähert sich dann in der Behandlung dem Lionardo (säugende Madonna, in den Uffizien; grosse thronende Ma- donna mit S. Catharina und S. Antonius von Padua, in der Pinacoteca zu Bologna). Endlich verrückte ihm Michelangelo das Concept. Die berüchtigte Marter der heil. Catharina in S. M. novella (Cap. Ruccel- lai, beim Cimabue) ist die Marter des gewissenhaften Künstlers selber und ein lehrreiches Denkmal der Gährung, in welche der Meister des Weltgerichtes gewisse Gemüther versetzte. Man ahnt die ganze Qual der Motivjägerei. i k l m Über Rafael zu sprechen, könnte hier beinahe überflüssig schei- nen. Er giebt überall so viel, so Unvergessliches, so ungefragt und unmittelbar, dass Jeder, der seine Gemälde sieht, ohne Führer zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/912
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/912>, abgerufen am 18.12.2024.