Malerei des XVI. Jahrhunderts. Lionardo und Schule.
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Im Dom von Como zwei grosse Temperabilder (Altäre rechts und links), die Anbetung der Hirten und die der Könige, mit himmlisch schönen Einzelheiten; in der Sacristei (jetzt wohl wieder in der Kirche) bein anderes grosses Altarbild. -- In der Kirche zu Saronno Fresken cvom Jahr 1530. -- Endlich in S. Maria degli angeli zu Lugano an der Hauptwand über dem Choreingang das colossale Frescobild einer Passion (1529), deren Vordergrund der Gekreuzigte nebst den Sei- nigen, den Schächern, den Hauptleuten, Soldaten u. s. w. einnimmt. Mit allen Mängeln Luini's behaftet ist dieses Gemälde dennoch eines der ersten von Oberitalien, und schon um einer Gestalt willen des Aufsuchens würdig, des Johannes, der dem sterbenden Christus sein Gelübde thut. An mehrern Pfeilern der Kirche schöne einzelne Ma- lereien L.'s; in einer Capelle rechts (provisorisch) die aus dem um- gebauten Kloster hiehergebrachte Frescolunette der Madonna mit beiden Kindern, die letzte von vollster lionardesker Herrlichkeit. (Das Abendmahl nach Lionardo, ehemals im Refectorium des Klosters, ist abgenommen und vorläufig irgendwo untergebracht worden.) Wen diese Schätze einmal Tagelang an das schöne Lugano gefesselt haben, der wird vielleicht bei diesem Anlass auch die idyllisch-wonnige Landschaft kennen lernen und den brillantern Comersee gerne Den- jenigen überlassen, welche nur durch das Brillante glücklich zu ma- chen sind.
Marco d'Oggionno (Uggione) ist weit am besten, wo er sich eng an Lionardo anschliesst und dessen Typus mit einer eigenthüm- dlichen herben Schönheit wiedergiebt. Sturz des Lucifer, in der Brera; die dortigen Fresken meist sehr verwildert.
Andreo Salaino (S. 863 u. f.) widmete sich am ausschliesslichsten eder Reproduction des Lionardo. Liebliche Madonna in der Gemälde- fsammlung der Villa Albani bei Rom. Bilder in der Brera und Am- brosiana.
Francesco Melzi. Gehört vielleicht ihm die herrliche Ma- gdonna im Lorbeerschatten, welche in der Brera dem Salaino beige- legt wird? Sonst sind seine Bilder sehr selten; ebenso die des Gio v. Ant. Beltraffio.
Cesare da Sesto, der später in die Schule Rafaels überging. Die besten frühern Bilder in mailändischen Privatsammlungen; ein
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Lionardo und Schule.
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Im Dom von Como zwei grosse Temperabilder (Altäre rechts und links), die Anbetung der Hirten und die der Könige, mit himmlisch schönen Einzelheiten; in der Sacristei (jetzt wohl wieder in der Kirche) bein anderes grosses Altarbild. — In der Kirche zu Saronno Fresken cvom Jahr 1530. — Endlich in S. Maria degli angeli zu Lugano an der Hauptwand über dem Choreingang das colossale Frescobild einer Passion (1529), deren Vordergrund der Gekreuzigte nebst den Sei- nigen, den Schächern, den Hauptleuten, Soldaten u. s. w. einnimmt. Mit allen Mängeln Luini’s behaftet ist dieses Gemälde dennoch eines der ersten von Oberitalien, und schon um einer Gestalt willen des Aufsuchens würdig, des Johannes, der dem sterbenden Christus sein Gelübde thut. An mehrern Pfeilern der Kirche schöne einzelne Ma- lereien L.’s; in einer Capelle rechts (provisorisch) die aus dem um- gebauten Kloster hiehergebrachte Frescolunette der Madonna mit beiden Kindern, die letzte von vollster lionardesker Herrlichkeit. (Das Abendmahl nach Lionardo, ehemals im Refectorium des Klosters, ist abgenommen und vorläufig irgendwo untergebracht worden.) Wen diese Schätze einmal Tagelang an das schöne Lugano gefesselt haben, der wird vielleicht bei diesem Anlass auch die idyllisch-wonnige Landschaft kennen lernen und den brillantern Comersee gerne Den- jenigen überlassen, welche nur durch das Brillante glücklich zu ma- chen sind.
Marco d’Oggionno (Uggione) ist weit am besten, wo er sich eng an Lionardo anschliesst und dessen Typus mit einer eigenthüm- dlichen herben Schönheit wiedergiebt. Sturz des Lucifer, in der Brera; die dortigen Fresken meist sehr verwildert.
Andreo Salaino (S. 863 u. f.) widmete sich am ausschliesslichsten eder Reproduction des Lionardo. Liebliche Madonna in der Gemälde- fsammlung der Villa Albani bei Rom. Bilder in der Brera und Am- brosiana.
Francesco Melzi. Gehört vielleicht ihm die herrliche Ma- gdonna im Lorbeerschatten, welche in der Brera dem Salaino beige- legt wird? Sonst sind seine Bilder sehr selten; ebenso die des Gio v. Ant. Beltraffio.
Cesare da Sesto, der später in die Schule Rafaels überging. Die besten frühern Bilder in mailändischen Privatsammlungen; ein
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Lionardo und Schule.
Im Dom von Como zwei grosse Temperabilder (Altäre rechts und
links), die Anbetung der Hirten und die der Könige, mit himmlisch
schönen Einzelheiten; in der Sacristei (jetzt wohl wieder in der Kirche)
ein anderes grosses Altarbild. — In der Kirche zu Saronno Fresken
vom Jahr 1530. — Endlich in S. Maria degli angeli zu Lugano an
der Hauptwand über dem Choreingang das colossale Frescobild einer
Passion (1529), deren Vordergrund der Gekreuzigte nebst den Sei-
nigen, den Schächern, den Hauptleuten, Soldaten u. s. w. einnimmt.
Mit allen Mängeln Luini’s behaftet ist dieses Gemälde dennoch eines
der ersten von Oberitalien, und schon um einer Gestalt willen des
Aufsuchens würdig, des Johannes, der dem sterbenden Christus sein
Gelübde thut. An mehrern Pfeilern der Kirche schöne einzelne Ma-
lereien L.’s; in einer Capelle rechts (provisorisch) die aus dem um-
gebauten Kloster hiehergebrachte Frescolunette der Madonna mit
beiden Kindern, die letzte von vollster lionardesker Herrlichkeit. (Das
Abendmahl nach Lionardo, ehemals im Refectorium des Klosters, ist
abgenommen und vorläufig irgendwo untergebracht worden.) Wen
diese Schätze einmal Tagelang an das schöne Lugano gefesselt haben,
der wird vielleicht bei diesem Anlass auch die idyllisch-wonnige
Landschaft kennen lernen und den brillantern Comersee gerne Den-
jenigen überlassen, welche nur durch das Brillante glücklich zu ma-
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Marco d’Oggionno (Uggione) ist weit am besten, wo er sich
eng an Lionardo anschliesst und dessen Typus mit einer eigenthüm-
lichen herben Schönheit wiedergiebt. Sturz des Lucifer, in der Brera;
die dortigen Fresken meist sehr verwildert.
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Andreo Salaino (S. 863 u. f.) widmete sich am ausschliesslichsten
der Reproduction des Lionardo. Liebliche Madonna in der Gemälde-
sammlung der Villa Albani bei Rom. Bilder in der Brera und Am-
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Francesco Melzi. Gehört vielleicht ihm die herrliche Ma-
donna im Lorbeerschatten, welche in der Brera dem Salaino beige-
legt wird? Sonst sind seine Bilder sehr selten; ebenso die des Gio v.
Ant. Beltraffio.
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Cesare da Sesto, der später in die Schule Rafaels überging.
Die besten frühern Bilder in mailändischen Privatsammlungen; ein
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 868. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/890>, abgerufen am 18.12.2024.
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