origineller und aufrichtiger als der Meister in seinen spätern Durch- schnittsleistungen, meist aber ziemlich schwach, und als die letzten von ihnen das Stylprincip der römischen Schule mit ihrer mangelhaf- ten Formenbildung vereinigen wollten, fielen sie in klägliche Manier.
Über die Künstler der Mark Ancona und des Herzogthums Ur- bino ist der Verfasser ausser Stande, aus eigener Anschauung etwas Zusammenhängendes zu berichten. Die einzige Sammlung, welche eine (doch nur sehr unvollkommene) Übersicht gewährt, ist die der aBrera zu Mailand. Der paduanische Schulstyl herrscht z. B. in einer Madonna mit vielen andern Figuren, vom Frate Carnevale (st. nach 1474) noch mit ziemlicher Härte. Von Giovanni Santi, dem Vater Rafaels, den man durchaus in Urbino und der Umgegend aufsuchen muss, findet sich hier bloss eine unbedeutende Verkündigung; -- von Marco Palmezzano aus Forli, einem strengen Nachfolger Man- tegna's, eine Geburt Christi (1492), eine Madonna mit vier Heiligen (1493) und eine Krönung der Maria (wozu noch, in den Uffizien, das bspäte Bild des Gekreuzigten in einer bedeutenden Felslandschaft, 1537, kömmt); -- von Girol. Genga, der in der Folge Schüler Perugino's wurde, eine ganz bedeutende Versammlung von sitzenden Heiligen mit einer Glorie darüber, auf dem dunkeln Grunde etc.
Wir kehren durch die genannten Gegenden noch einmal nach Bologna zurück, um des Francesco Francia (geb. um 1450, st. 1517) willen, dessen Empfindungsweise wesentlich mit derjenigen des Perugino verwandt oder geradezu von derselben angeregt ist. In der Malerei ursprünglich Schüler des Zoppo di Squarcione (S. 812, c), hatte er bis tief in sein Mannesalter vorzugsweise der Goldschmiedekunst obgelegen, auch wohl Baurisse entworfen (S. 208, g). Dann möchte er zwischen 1480 und 90, am ehesten in Florenz, Perugino kennen gelernt haben, in der besten Zeit des letztern, vielleicht als derselbe jenes Fresco in S. M. M. de' Pazzi (S. 833, e) malte. (Wohlbemerkt, lauter Hypothesen.) Und so ist denn auch sein frühstes bekanntes Bild, die thronende Madonna mit sechs Heiligen und einem lauten-
Malerei des XV. Jahrhunderts. Marchesaner.
origineller und aufrichtiger als der Meister in seinen spätern Durch- schnittsleistungen, meist aber ziemlich schwach, und als die letzten von ihnen das Stylprincip der römischen Schule mit ihrer mangelhaf- ten Formenbildung vereinigen wollten, fielen sie in klägliche Manier.
Über die Künstler der Mark Ancona und des Herzogthums Ur- bino ist der Verfasser ausser Stande, aus eigener Anschauung etwas Zusammenhängendes zu berichten. Die einzige Sammlung, welche eine (doch nur sehr unvollkommene) Übersicht gewährt, ist die der aBrera zu Mailand. Der paduanische Schulstyl herrscht z. B. in einer Madonna mit vielen andern Figuren, vom Frate Carnevale (st. nach 1474) noch mit ziemlicher Härte. Von Giovanni Santi, dem Vater Rafaels, den man durchaus in Urbino und der Umgegend aufsuchen muss, findet sich hier bloss eine unbedeutende Verkündigung; — von Marco Palmezzano aus Forli, einem strengen Nachfolger Man- tegna’s, eine Geburt Christi (1492), eine Madonna mit vier Heiligen (1493) und eine Krönung der Maria (wozu noch, in den Uffizien, das bspäte Bild des Gekreuzigten in einer bedeutenden Felslandschaft, 1537, kömmt); — von Girol. Genga, der in der Folge Schüler Perugino’s wurde, eine ganz bedeutende Versammlung von sitzenden Heiligen mit einer Glorie darüber, auf dem dunkeln Grunde etc.
Wir kehren durch die genannten Gegenden noch einmal nach Bologna zurück, um des Francesco Francia (geb. um 1450, st. 1517) willen, dessen Empfindungsweise wesentlich mit derjenigen des Perugino verwandt oder geradezu von derselben angeregt ist. In der Malerei ursprünglich Schüler des Zoppo di Squarcione (S. 812, c), hatte er bis tief in sein Mannesalter vorzugsweise der Goldschmiedekunst obgelegen, auch wohl Baurisse entworfen (S. 208, g). Dann möchte er zwischen 1480 und 90, am ehesten in Florenz, Perugino kennen gelernt haben, in der besten Zeit des letztern, vielleicht als derselbe jenes Fresco in S. M. M. de’ Pazzi (S. 833, e) malte. (Wohlbemerkt, lauter Hypothesen.) Und so ist denn auch sein frühstes bekanntes Bild, die thronende Madonna mit sechs Heiligen und einem lauten-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0862"n="840"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des XV. Jahrhunderts. Marchesaner.</hi></fw><lb/>
origineller und aufrichtiger als der Meister in seinen spätern Durch-<lb/>
schnittsleistungen, meist aber ziemlich schwach, und als die letzten<lb/>
von ihnen das Stylprincip der römischen Schule mit ihrer mangelhaf-<lb/>
ten Formenbildung vereinigen wollten, fielen sie in klägliche Manier.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Über die Künstler der Mark Ancona und des Herzogthums Ur-<lb/>
bino ist der Verfasser ausser Stande, aus eigener Anschauung etwas<lb/>
Zusammenhängendes zu berichten. Die einzige Sammlung, welche<lb/>
eine (doch nur sehr unvollkommene) Übersicht gewährt, ist die der<lb/><noteplace="left">a</note>Brera zu Mailand. Der paduanische Schulstyl herrscht z. B. in einer<lb/>
Madonna mit vielen andern Figuren, vom <hirendition="#g">Frate Carnevale</hi> (st. nach<lb/>
1474) noch mit ziemlicher Härte. Von <hirendition="#g">Giovanni Santi</hi>, dem Vater<lb/>
Rafaels, den man durchaus in Urbino und der Umgegend aufsuchen<lb/>
muss, findet sich hier bloss eine unbedeutende Verkündigung; —<lb/>
von <hirendition="#g">Marco Palmezzano</hi> aus Forli, einem strengen Nachfolger Man-<lb/>
tegna’s, eine Geburt Christi (1492), eine Madonna mit vier Heiligen<lb/>
(1493) und eine Krönung der Maria (wozu noch, in den Uffizien, das<lb/><noteplace="left">b</note>späte Bild des Gekreuzigten in einer bedeutenden Felslandschaft, 1537,<lb/>
kömmt); — von <hirendition="#g">Girol. Genga</hi>, der in der Folge Schüler Perugino’s<lb/>
wurde, eine ganz bedeutende Versammlung von sitzenden Heiligen mit<lb/>
einer Glorie darüber, auf dem dunkeln Grunde etc.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wir kehren durch die genannten Gegenden noch einmal nach<lb/><hirendition="#g">Bologna</hi> zurück, um des <hirendition="#g">Francesco Francia</hi> (geb. um 1450,<lb/>
st. 1517) willen, dessen Empfindungsweise wesentlich mit derjenigen<lb/>
des Perugino verwandt oder geradezu von derselben angeregt ist. In<lb/>
der Malerei ursprünglich Schüler des Zoppo di Squarcione (S. 812, c),<lb/>
hatte er bis tief in sein Mannesalter vorzugsweise der Goldschmiedekunst<lb/>
obgelegen, auch wohl Baurisse entworfen (S. 208, g). Dann möchte<lb/>
er zwischen 1480 und 90, am ehesten in Florenz, Perugino kennen<lb/>
gelernt haben, in der besten Zeit des letztern, vielleicht als derselbe<lb/>
jenes Fresco in S. M. M. de’ Pazzi (S. 833, e) malte. (Wohlbemerkt,<lb/>
lauter Hypothesen.) Und so ist denn auch sein frühstes bekanntes<lb/>
Bild, die thronende Madonna mit sechs Heiligen und einem lauten-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[840/0862]
Malerei des XV. Jahrhunderts. Marchesaner.
origineller und aufrichtiger als der Meister in seinen spätern Durch-
schnittsleistungen, meist aber ziemlich schwach, und als die letzten
von ihnen das Stylprincip der römischen Schule mit ihrer mangelhaf-
ten Formenbildung vereinigen wollten, fielen sie in klägliche Manier.
Über die Künstler der Mark Ancona und des Herzogthums Ur-
bino ist der Verfasser ausser Stande, aus eigener Anschauung etwas
Zusammenhängendes zu berichten. Die einzige Sammlung, welche
eine (doch nur sehr unvollkommene) Übersicht gewährt, ist die der
Brera zu Mailand. Der paduanische Schulstyl herrscht z. B. in einer
Madonna mit vielen andern Figuren, vom Frate Carnevale (st. nach
1474) noch mit ziemlicher Härte. Von Giovanni Santi, dem Vater
Rafaels, den man durchaus in Urbino und der Umgegend aufsuchen
muss, findet sich hier bloss eine unbedeutende Verkündigung; —
von Marco Palmezzano aus Forli, einem strengen Nachfolger Man-
tegna’s, eine Geburt Christi (1492), eine Madonna mit vier Heiligen
(1493) und eine Krönung der Maria (wozu noch, in den Uffizien, das
späte Bild des Gekreuzigten in einer bedeutenden Felslandschaft, 1537,
kömmt); — von Girol. Genga, der in der Folge Schüler Perugino’s
wurde, eine ganz bedeutende Versammlung von sitzenden Heiligen mit
einer Glorie darüber, auf dem dunkeln Grunde etc.
a
b
Wir kehren durch die genannten Gegenden noch einmal nach
Bologna zurück, um des Francesco Francia (geb. um 1450,
st. 1517) willen, dessen Empfindungsweise wesentlich mit derjenigen
des Perugino verwandt oder geradezu von derselben angeregt ist. In
der Malerei ursprünglich Schüler des Zoppo di Squarcione (S. 812, c),
hatte er bis tief in sein Mannesalter vorzugsweise der Goldschmiedekunst
obgelegen, auch wohl Baurisse entworfen (S. 208, g). Dann möchte
er zwischen 1480 und 90, am ehesten in Florenz, Perugino kennen
gelernt haben, in der besten Zeit des letztern, vielleicht als derselbe
jenes Fresco in S. M. M. de’ Pazzi (S. 833, e) malte. (Wohlbemerkt,
lauter Hypothesen.) Und so ist denn auch sein frühstes bekanntes
Bild, die thronende Madonna mit sechs Heiligen und einem lauten-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 840. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/862>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.