aGerusalemme sind die Geschichten des wahren Kreuzes an der unrechten Stelle und in unrichtigem Ton erzählt, zudem schwer über- malt; der segnende Salvator dagegen ein wahrhaft herrlicher Gedanke, bder dem P. eigen sein könnte. -- Im Jahr 1501 malte er eine ganze Capelle (links) im Dom zu Spello aus: die Verkündigung, die Anbe- tung der Hirten und Pilger, und Christus unter den Schriftgelehrten; am Gewölbe Sibyllen. Hier, in einem Landstädtchen, liess er sich ganz unbefangen gehen und gab, mitten unter vielem Conventionellen und Handwerklichen, ein paar höchst liebenswürdige Züge, wie z. B. das andächtige Herannahen der Hirten und Pilger, Joseph und Meria im Tempel etc. Reiche, hohe Hintergründe; aufgesetzter Goldschmuck. c-- In dem Jahr 1502--1503 malte er mit Hülfe Mehrerer die Libreria (d. h. den Aufbewahrungsort der Chorbücher) im Dom von Siena aus. (Bestes Licht: Nachmittags.) Von der frühern Annahme: dass Rafael ihm dazu alle Entwürfe, ja die Cartons geliefert oder gar selbst Hand angelegt habe, ist man völlig zurückgekommen. (Von den sehr schönen Zeichnungen zu zweien dieser Compositionen, der Landung in Libyen und dem Empfang der Eleonora von Portugal, habe ich dnur die erstere, in der Sammlung der Handzeichnungen der Uffizien, egesehen; die andere findet sich in Casa Baldeschi zu Perugia. Auch jene halte ich nicht für Rafaels Werk und glaube überhaupt nicht, dass ein Entwurf, so sehr er an Trefflichkeit das ausgeführte Werk überragen möge, desshalb nothwendig von einem andern Künstler sein müsse.) Es ist in diesen Scenen aus dem Leben des Aeneas Sylvius (Pius II) nichts so gut und nichts so schlecht, dass es nicht je nach Stunde und Stimmung von Pinturicchio selbst erfunden und gemalt sein könnte; die Ausführung an sich ist von grosser und gleichmässi- ger Sorgfalt. -- Hohe geschichtliche Auffassung, dramatische Stei- gerung der Momente -- grossentheils Ceremonienbilder -- muss man nicht erwarten, vielmehr sich damit begnügen, dass die lebensfähigen Charaktere und Gestalten hier zahlreicher sind, als sonst bei P. -- Das Leben des Papstes ist dem glücklichen Maler unter den Händen zur anmuthigen Fabel, zur Novelle geworden, alles in Trachten und Zügen seiner Zeit, nicht der um 50 Jahre zurückliegenden. Kaum Pius selbst hat Bildnissähnlichkeit; Friedrich III ist "der Kaiser", wie er
Malerei des XV. Jahrhunderts. Umbrien.
aGerusalemme sind die Geschichten des wahren Kreuzes an der unrechten Stelle und in unrichtigem Ton erzählt, zudem schwer über- malt; der segnende Salvator dagegen ein wahrhaft herrlicher Gedanke, bder dem P. eigen sein könnte. — Im Jahr 1501 malte er eine ganze Capelle (links) im Dom zu Spello aus: die Verkündigung, die Anbe- tung der Hirten und Pilger, und Christus unter den Schriftgelehrten; am Gewölbe Sibyllen. Hier, in einem Landstädtchen, liess er sich ganz unbefangen gehen und gab, mitten unter vielem Conventionellen und Handwerklichen, ein paar höchst liebenswürdige Züge, wie z. B. das andächtige Herannahen der Hirten und Pilger, Joseph und Meria im Tempel etc. Reiche, hohe Hintergründe; aufgesetzter Goldschmuck. c— In dem Jahr 1502—1503 malte er mit Hülfe Mehrerer die Libreria (d. h. den Aufbewahrungsort der Chorbücher) im Dom von Siena aus. (Bestes Licht: Nachmittags.) Von der frühern Annahme: dass Rafael ihm dazu alle Entwürfe, ja die Cartons geliefert oder gar selbst Hand angelegt habe, ist man völlig zurückgekommen. (Von den sehr schönen Zeichnungen zu zweien dieser Compositionen, der Landung in Libyen und dem Empfang der Eleonora von Portugal, habe ich dnur die erstere, in der Sammlung der Handzeichnungen der Uffizien, egesehen; die andere findet sich in Casa Baldeschi zu Perugia. Auch jene halte ich nicht für Rafaels Werk und glaube überhaupt nicht, dass ein Entwurf, so sehr er an Trefflichkeit das ausgeführte Werk überragen möge, desshalb nothwendig von einem andern Künstler sein müsse.) Es ist in diesen Scenen aus dem Leben des Aeneas Sylvius (Pius II) nichts so gut und nichts so schlecht, dass es nicht je nach Stunde und Stimmung von Pinturicchio selbst erfunden und gemalt sein könnte; die Ausführung an sich ist von grosser und gleichmässi- ger Sorgfalt. — Hohe geschichtliche Auffassung, dramatische Stei- gerung der Momente — grossentheils Ceremonienbilder — muss man nicht erwarten, vielmehr sich damit begnügen, dass die lebensfähigen Charaktere und Gestalten hier zahlreicher sind, als sonst bei P. — Das Leben des Papstes ist dem glücklichen Maler unter den Händen zur anmuthigen Fabel, zur Novelle geworden, alles in Trachten und Zügen seiner Zeit, nicht der um 50 Jahre zurückliegenden. Kaum Pius selbst hat Bildnissähnlichkeit; Friedrich III ist „der Kaiser“, wie er
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Malerei des XV. Jahrhunderts. Umbrien.
Gerusalemme sind die Geschichten des wahren Kreuzes an der
unrechten Stelle und in unrichtigem Ton erzählt, zudem schwer über-
malt; der segnende Salvator dagegen ein wahrhaft herrlicher Gedanke,
der dem P. eigen sein könnte. — Im Jahr 1501 malte er eine ganze
Capelle (links) im Dom zu Spello aus: die Verkündigung, die Anbe-
tung der Hirten und Pilger, und Christus unter den Schriftgelehrten;
am Gewölbe Sibyllen. Hier, in einem Landstädtchen, liess er sich
ganz unbefangen gehen und gab, mitten unter vielem Conventionellen
und Handwerklichen, ein paar höchst liebenswürdige Züge, wie z. B.
das andächtige Herannahen der Hirten und Pilger, Joseph und Meria
im Tempel etc. Reiche, hohe Hintergründe; aufgesetzter Goldschmuck.
— In dem Jahr 1502—1503 malte er mit Hülfe Mehrerer die Libreria
(d. h. den Aufbewahrungsort der Chorbücher) im Dom von Siena
aus. (Bestes Licht: Nachmittags.) Von der frühern Annahme: dass
Rafael ihm dazu alle Entwürfe, ja die Cartons geliefert oder gar selbst
Hand angelegt habe, ist man völlig zurückgekommen. (Von den sehr
schönen Zeichnungen zu zweien dieser Compositionen, der Landung
in Libyen und dem Empfang der Eleonora von Portugal, habe ich
nur die erstere, in der Sammlung der Handzeichnungen der Uffizien,
gesehen; die andere findet sich in Casa Baldeschi zu Perugia. Auch
jene halte ich nicht für Rafaels Werk und glaube überhaupt nicht,
dass ein Entwurf, so sehr er an Trefflichkeit das ausgeführte Werk
überragen möge, desshalb nothwendig von einem andern Künstler sein
müsse.) Es ist in diesen Scenen aus dem Leben des Aeneas Sylvius
(Pius II) nichts so gut und nichts so schlecht, dass es nicht je nach
Stunde und Stimmung von Pinturicchio selbst erfunden und gemalt
sein könnte; die Ausführung an sich ist von grosser und gleichmässi-
ger Sorgfalt. — Hohe geschichtliche Auffassung, dramatische Stei-
gerung der Momente — grossentheils Ceremonienbilder — muss man
nicht erwarten, vielmehr sich damit begnügen, dass die lebensfähigen
Charaktere und Gestalten hier zahlreicher sind, als sonst bei P. —
Das Leben des Papstes ist dem glücklichen Maler unter den Händen
zur anmuthigen Fabel, zur Novelle geworden, alles in Trachten und
Zügen seiner Zeit, nicht der um 50 Jahre zurückliegenden. Kaum Pius
selbst hat Bildnissähnlichkeit; Friedrich III ist „der Kaiser“, wie er
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 838. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/860>, abgerufen am 18.12.2024.
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