ausdehnt. (Leidliches Reflexlicht: um zwei Uhr.) Im Camposantoa zu Pisa aber gehört ihm fast die ganze Nordwand (23 Gemälde) mit den Geschichten des alten Testamentes, gemalt 1469--1485. -- Be- nozzo kostet mit vollen Zügen die Freude an den blossen schönen Lebensmotiven als solchen; sein wesentliches Ziel ist, ruhende, tra- gende, gebückte, laufende, stürzende Gestalten, oft von grosser jugend- licher Schönheit, mit ganzer momentaner Kraft darzustellen; dagegen bleibt ihm der Hergang an sich ziemlich gleichgültig. Der Beschauer empfindet jene Freude an dem neugebornen Geschlecht von Lebens- bildern mit und verlangt neben der endlos reichen Bescheerung nichts weiter. Die schon erwähnte Ausstattung mit Architekturen, Gärten, Landschaften ist fabelhaft prächtig; auch hier ist Benozzo ein begei- sterter Entdecker neuer Sphären des Darstellbaren. -- Seine Staffelei- bilder geben keinen Begriff von seiner Bedeutung. -- (Mehrere in derb Acad. zu Pisa, u. a. der Entwurf zur Königin von Saba.) 1)
Alessio Baldovinetti, von welchem in der Vorhalle der Annunziata zu Florenz die Geburt Christi gemalt ist, ein sorgsamer,c nicht eben geistloser Realist, wird hauptsächlich genannt als Leh- rer des
Domenico Ghirlandajo (1449--1498), des grössten dieser Reihe. Er gebietet dem sich schon in seinen eigenen Consequenzen verlierenden Realismus Einhalt, im Namen des ewigen Bestandtheiles der Kunst. Auch ihn reizt die Schönheit der lebendigen Erscheinung und er ist ihrer Reproduction vollkommen mächtig, allein er ordnet sie dem grossen, ernsten Charakter der heil. Gestalten, der höhern Bedeutung des dargestellten Augenblickes unter. Die in schönen treff- lich vertheilten Gruppen versammelten Bildnissfiguren, welche den Ereignissen beiwohnen, nehmen an der würdigen und grossen Auf- fassung des Ganzen Theil. Von allen Vorgängern scheint Filippo Lippi, hauptsächlich die Malereien im Dom von Prato, den grössten
1) Hier möchte das Frescobild des Lorenzo von Viterbo, in einer Capelle von S. Maria della verita daselbst, einzureihen sein: eine figurenreiche Ver-* mählung der h. Jungfrau, vom Jahr 1469.
C. Rosselli. Uccello. Gozzoli. D. Ghirlandajo.
ausdehnt. (Leidliches Reflexlicht: um zwei Uhr.) Im Camposantoa zu Pisa aber gehört ihm fast die ganze Nordwand (23 Gemälde) mit den Geschichten des alten Testamentes, gemalt 1469—1485. — Be- nozzo kostet mit vollen Zügen die Freude an den blossen schönen Lebensmotiven als solchen; sein wesentliches Ziel ist, ruhende, tra- gende, gebückte, laufende, stürzende Gestalten, oft von grosser jugend- licher Schönheit, mit ganzer momentaner Kraft darzustellen; dagegen bleibt ihm der Hergang an sich ziemlich gleichgültig. Der Beschauer empfindet jene Freude an dem neugebornen Geschlecht von Lebens- bildern mit und verlangt neben der endlos reichen Bescheerung nichts weiter. Die schon erwähnte Ausstattung mit Architekturen, Gärten, Landschaften ist fabelhaft prächtig; auch hier ist Benozzo ein begei- sterter Entdecker neuer Sphären des Darstellbaren. — Seine Staffelei- bilder geben keinen Begriff von seiner Bedeutung. — (Mehrere in derb Acad. zu Pisa, u. a. der Entwurf zur Königin von Saba.) 1)
Alessio Baldovinetti, von welchem in der Vorhalle der Annunziata zu Florenz die Geburt Christi gemalt ist, ein sorgsamer,c nicht eben geistloser Realist, wird hauptsächlich genannt als Leh- rer des
Domenico Ghirlandajo (1449—1498), des grössten dieser Reihe. Er gebietet dem sich schon in seinen eigenen Consequenzen verlierenden Realismus Einhalt, im Namen des ewigen Bestandtheiles der Kunst. Auch ihn reizt die Schönheit der lebendigen Erscheinung und er ist ihrer Reproduction vollkommen mächtig, allein er ordnet sie dem grossen, ernsten Charakter der heil. Gestalten, der höhern Bedeutung des dargestellten Augenblickes unter. Die in schönen treff- lich vertheilten Gruppen versammelten Bildnissfiguren, welche den Ereignissen beiwohnen, nehmen an der würdigen und grossen Auf- fassung des Ganzen Theil. Von allen Vorgängern scheint Filippo Lippi, hauptsächlich die Malereien im Dom von Prato, den grössten
1) Hier möchte das Frescobild des Lorenzo von Viterbo, in einer Capelle von S. Maria della verita daselbst, einzureihen sein: eine figurenreiche Ver-* mählung der h. Jungfrau, vom Jahr 1469.
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C. Rosselli. Uccello. Gozzoli. D. Ghirlandajo.
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zu Pisa aber gehört ihm fast die ganze Nordwand (23 Gemälde) mit
den Geschichten des alten Testamentes, gemalt 1469—1485. — Be-
nozzo kostet mit vollen Zügen die Freude an den blossen schönen
Lebensmotiven als solchen; sein wesentliches Ziel ist, ruhende, tra-
gende, gebückte, laufende, stürzende Gestalten, oft von grosser jugend-
licher Schönheit, mit ganzer momentaner Kraft darzustellen; dagegen
bleibt ihm der Hergang an sich ziemlich gleichgültig. Der Beschauer
empfindet jene Freude an dem neugebornen Geschlecht von Lebens-
bildern mit und verlangt neben der endlos reichen Bescheerung nichts
weiter. Die schon erwähnte Ausstattung mit Architekturen, Gärten,
Landschaften ist fabelhaft prächtig; auch hier ist Benozzo ein begei-
sterter Entdecker neuer Sphären des Darstellbaren. — Seine Staffelei-
bilder geben keinen Begriff von seiner Bedeutung. — (Mehrere in der
Acad. zu Pisa, u. a. der Entwurf zur Königin von Saba.) 1)
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Alessio Baldovinetti, von welchem in der Vorhalle der
Annunziata zu Florenz die Geburt Christi gemalt ist, ein sorgsamer,
nicht eben geistloser Realist, wird hauptsächlich genannt als Leh-
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Domenico Ghirlandajo (1449—1498), des grössten dieser
Reihe. Er gebietet dem sich schon in seinen eigenen Consequenzen
verlierenden Realismus Einhalt, im Namen des ewigen Bestandtheiles
der Kunst. Auch ihn reizt die Schönheit der lebendigen Erscheinung
und er ist ihrer Reproduction vollkommen mächtig, allein er ordnet
sie dem grossen, ernsten Charakter der heil. Gestalten, der höhern
Bedeutung des dargestellten Augenblickes unter. Die in schönen treff-
lich vertheilten Gruppen versammelten Bildnissfiguren, welche den
Ereignissen beiwohnen, nehmen an der würdigen und grossen Auf-
fassung des Ganzen Theil. Von allen Vorgängern scheint Filippo
Lippi, hauptsächlich die Malereien im Dom von Prato, den grössten
1) Hier möchte das Frescobild des Lorenzo von Viterbo, in einer Capelle
von S. Maria della verita daselbst, einzureihen sein: eine figurenreiche Ver-
mählung der h. Jungfrau, vom Jahr 1469.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 805. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/827>, abgerufen am 18.12.2024.
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