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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur. Thermen. Pompeji.
wenn für alle Zuschauer gesorgt sein sollte. Man frägt wiederum ver-
gebens: wo gerieth diese Masse von Baumaterial hin?


Wie die Gebäude für Schauspiele den römischen Aussenbau cha-
rakterisiren, so sind die Thermen die grösste Leistung des römischen
Innenbaues.

a

Die öffentlichen Bäder von Pompeji, mag darin auf Stadtkosten
oder gegen Eintrittsgeld gebadet worden sein, zeugen merkwürdig für
den Luxus künstlerischer Ausstattung, welchen man selbst in der klei-
nen Provincialstadt verlangte; vielleicht sind sie überdiess weder die
einzigen noch die schönsten, und andere warten noch unter dem Schutt.
Die architektonische Behandlung ist hier, wo der Stucco so sehr das
Übergewicht über den Stein hat, nothwendig eine ziemlich freie; die
Gesimse bestehen z. B. aus Hohlkehlen mit Relieffiguren, -- allein es
geht doch ein inneres Gesetz des Schönen durch. Im Tepidarium, wo
viele kleine Behälter, etwa für die Geräthschaften regelmässiger Be-
sucher, angebracht werden mussten, lieferte die Kunst jenes bewun-
dernswerthe Motiv von Nischen mit Atlanten, während wir uns im
entsprechenden Fall gewiss mit einer Reihe numerirter Kästchen, höch-
stens von Mahagony begnügen würden. Wie glücklich sind an dem
Gewölbe die drei einfachen Farben weiss, roth und blau gehandhabt!
Im Calidarium ist das Gewölbe nebst der Wand cannelirt, damit die
zu Wasser gewordenen Dämpfe nicht niedertropfen, sondern der Mauer
entlang abfliessen sollten.

Doch dieses sind nur eigentliche Bäder, bestimmt für die tägliche
Gesundheitspflege. Eine ungleich ausgedehntere Bestimmung hatten
die Kaiserthermen, welche in Rom und in wichtigen Provincial-
städten zum Vergnügen des Volkes gebaut wurden. Diese enthielten
nicht nur die kolossalsten und prachtvollsten Baderäume, sondern auch
Locale für Alles, was nur Geist und Körper vergnügen kann: Porti-
ken zum Wandeln, Hallen für Spiele und Leibesübungen, Bibliotheken,
Gemäldegalerien, Sculpturen zum Theil von höchstem Werthe, auch
wohl Wirthschaften verschiedener Art.

Von all dieser Herrlichkeit wird man jetzt, mit wenigen Ausnah-
men, nur noch die Backsteinmauern finden, welche den innern Kern

Architektur. Thermen. Pompeji.
wenn für alle Zuschauer gesorgt sein sollte. Man frägt wiederum ver-
gebens: wo gerieth diese Masse von Baumaterial hin?


Wie die Gebäude für Schauspiele den römischen Aussenbau cha-
rakterisiren, so sind die Thermen die grösste Leistung des römischen
Innenbaues.

a

Die öffentlichen Bäder von Pompeji, mag darin auf Stadtkosten
oder gegen Eintrittsgeld gebadet worden sein, zeugen merkwürdig für
den Luxus künstlerischer Ausstattung, welchen man selbst in der klei-
nen Provincialstadt verlangte; vielleicht sind sie überdiess weder die
einzigen noch die schönsten, und andere warten noch unter dem Schutt.
Die architektonische Behandlung ist hier, wo der Stucco so sehr das
Übergewicht über den Stein hat, nothwendig eine ziemlich freie; die
Gesimse bestehen z. B. aus Hohlkehlen mit Relieffiguren, — allein es
geht doch ein inneres Gesetz des Schönen durch. Im Tepidarium, wo
viele kleine Behälter, etwa für die Geräthschaften regelmässiger Be-
sucher, angebracht werden mussten, lieferte die Kunst jenes bewun-
dernswerthe Motiv von Nischen mit Atlanten, während wir uns im
entsprechenden Fall gewiss mit einer Reihe numerirter Kästchen, höch-
stens von Mahagony begnügen würden. Wie glücklich sind an dem
Gewölbe die drei einfachen Farben weiss, roth und blau gehandhabt!
Im Calidarium ist das Gewölbe nebst der Wand cannelirt, damit die
zu Wasser gewordenen Dämpfe nicht niedertropfen, sondern der Mauer
entlang abfliessen sollten.

Doch dieses sind nur eigentliche Bäder, bestimmt für die tägliche
Gesundheitspflege. Eine ungleich ausgedehntere Bestimmung hatten
die Kaiserthermen, welche in Rom und in wichtigen Provincial-
städten zum Vergnügen des Volkes gebaut wurden. Diese enthielten
nicht nur die kolossalsten und prachtvollsten Baderäume, sondern auch
Locale für Alles, was nur Geist und Körper vergnügen kann: Porti-
ken zum Wandeln, Hallen für Spiele und Leibesübungen, Bibliotheken,
Gemäldegalerien, Sculpturen zum Theil von höchstem Werthe, auch
wohl Wirthschaften verschiedener Art.

Von all dieser Herrlichkeit wird man jetzt, mit wenigen Ausnah-
men, nur noch die Backsteinmauern finden, welche den innern Kern

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[46/0068] Architektur. Thermen. Pompeji. wenn für alle Zuschauer gesorgt sein sollte. Man frägt wiederum ver- gebens: wo gerieth diese Masse von Baumaterial hin? Wie die Gebäude für Schauspiele den römischen Aussenbau cha- rakterisiren, so sind die Thermen die grösste Leistung des römischen Innenbaues. Die öffentlichen Bäder von Pompeji, mag darin auf Stadtkosten oder gegen Eintrittsgeld gebadet worden sein, zeugen merkwürdig für den Luxus künstlerischer Ausstattung, welchen man selbst in der klei- nen Provincialstadt verlangte; vielleicht sind sie überdiess weder die einzigen noch die schönsten, und andere warten noch unter dem Schutt. Die architektonische Behandlung ist hier, wo der Stucco so sehr das Übergewicht über den Stein hat, nothwendig eine ziemlich freie; die Gesimse bestehen z. B. aus Hohlkehlen mit Relieffiguren, — allein es geht doch ein inneres Gesetz des Schönen durch. Im Tepidarium, wo viele kleine Behälter, etwa für die Geräthschaften regelmässiger Be- sucher, angebracht werden mussten, lieferte die Kunst jenes bewun- dernswerthe Motiv von Nischen mit Atlanten, während wir uns im entsprechenden Fall gewiss mit einer Reihe numerirter Kästchen, höch- stens von Mahagony begnügen würden. Wie glücklich sind an dem Gewölbe die drei einfachen Farben weiss, roth und blau gehandhabt! Im Calidarium ist das Gewölbe nebst der Wand cannelirt, damit die zu Wasser gewordenen Dämpfe nicht niedertropfen, sondern der Mauer entlang abfliessen sollten. Doch dieses sind nur eigentliche Bäder, bestimmt für die tägliche Gesundheitspflege. Eine ungleich ausgedehntere Bestimmung hatten die Kaiserthermen, welche in Rom und in wichtigen Provincial- städten zum Vergnügen des Volkes gebaut wurden. Diese enthielten nicht nur die kolossalsten und prachtvollsten Baderäume, sondern auch Locale für Alles, was nur Geist und Körper vergnügen kann: Porti- ken zum Wandeln, Hallen für Spiele und Leibesübungen, Bibliotheken, Gemäldegalerien, Sculpturen zum Theil von höchstem Werthe, auch wohl Wirthschaften verschiedener Art. Von all dieser Herrlichkeit wird man jetzt, mit wenigen Ausnah- men, nur noch die Backsteinmauern finden, welche den innern Kern

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/68>, abgerufen am 04.05.2024.